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Kolumne der Redaktion

28.10.2023

Schon Christian Ineichens Parteipräsidium war ein abgekartetes Spiel

Antwort auf das LZ-Interview mit dem abtretenden Kantonalpräsidenten von Die Mitte (siehe unter «Dateien»


Der Blick zurück des abtretenden Mitte-Kantonalpräsidenten Christian Ineichen fiel im Interview mit der «Luzerner Zeitung» vom 27. Oktober (siehe unter «Dateien») ausgesprochen zornig aus. Er teilte Hiebe in viele Richtungen seiner Partei aus, die ihm den aus seiner Sicht zustehenden Nationalratssitz «in einem abgekarteten Spiel» stets und zu Unrecht verwehrt hätte.

Eine «Gruppe von wenigen» sei da am Werk gewesen, um sein Nachrücken bei einem vorzeitigen Rücktritt von Ida Glanzmann oder Leo Müller auszuschliessen. Diese Gruppe hätte ihn regelrecht um die Früchte seiner Arbeit als Parteipräsident betrogen.

Ineichen hatte nie sein Licht unter den Scheffel gestellt und seine Nationalratsambitionen bereits in jungen Jahren auf der Zunge getragen. Um eine politische Aufgabe in seiner Wohngemeinde Marbach hatte sich der Sohn des Dorfarztes und ausgebildete Historiker nie beworben, es sah sich stets zu Höherem berufen. Es musste wenigstens der Kantonsrat sein, als Zwischenstation gewissermassen auf dem Weg nach Bern. Es liess ihn unbeirrt, dass er bereits auf dieser Stufe scheiterte.

Ineichen blendet in seinem Tirade-Interview wohlweislich aus, dass schon sein Parteipräsidium das Ergebnis eines Postenschachers war. Um Ineichens Popularität zu mehren, hatte nämlich sein Entlebucher Ziehvater, der ehemalige Kantonalpartei- und Nationalrats-Präsident Ruedi Lustenberger, das Kantonalpräsidium der CVP als Sprungbrett ins Visier genommen.

Lustenberger wollte den damals 35jährigen Ineichen bereits 2012 als CVP-Präsidenten installieren, in der Nachfolge von Martin Schwegler. Um aufkommender Kritik vorzubeugen, für diese Aufgabe sei Ineichen zu jung und politisch zu unerfahren, willigte Lustenberger in die Wahl von Pirmin Jung (CVP-Kantonalparteipräsident von 2012 bis 2017) ein und liess sich im Gegenzug eine oppositionslose Nomination Ineichens in der Folgebesetzung des Präsidiums zusichern.  So angedacht, so geschehen 2017, trotz einiger Bedenken anderer CVP-Amtsparteien.

Als Parteipräsident leistete sich Christian Ineichen zahllose Fauxpas und eigentliche Entgleisungen. So hielt er der GLP und den Grünen vor, sie hätten ihre Wahlerfolge 2019 «ohne Leistungsausweis» erzielt, er brüskierte homosexuelle Männer («Mann + Mann: geht nicht») und unterstellte den CVP-Ortsparteien in Stadt und Agglomeration Luzern einen Linksdrall.

In der Wahlanleitung für die Wahlen 2019 fügte er 3000 Mal seinen eigenen Namen auf die Musterwahlzettel. In der Parteileitung stellte man ihm schliesslich eine Aufpasserin zur Seite, damit er Frauenanliegen nicht unter den Tisch wischen konnte. Ineichen wollte gleichzeitig den parteilosen Regierungsrat Schwerzmann abwählen und dem Kandidaten der SP die Unterstützung verweigern.

Ob solcher Äusserungen machte sich in der CVP Orientierungslosigkeit breit. Ineichen wollte das Label «CVP» beibehalten, das Akronym sollte aber neu für «Clevere Volkspartei» stehen. Die parteiinternen Einschätzungen zu solchen Vorgängen pendelten zwischen Schabernack und Stumpfsinn. Als Leserbriefschreiber äusserte er sich ohne Rücksprache mit der Partei pointiert zu nationalen Themen. Höhepunkt dieser siebenjährigen Schleuderfahrt mit Ineichen: 2023 verlangte er von den Medien nichts weniger als eine persönliche Gegendarstellung zu einem parlamentarischen Vorstoss der Mitte-Kantonsrätin Karin Stadelmann.

Mehrere dieser Interventionen Ineichens gerieten zum landesweiten Gespött, was er aber als erwünschte Aufmerksamkeit für seine Arbeit missverstand. Aber die Knochenarbeit, für die sich Ineichen gern rühmt, erledigten zum Grossteil andere in der Partei, allen voran sein Vorgänger Pirmin Jung, der die nationalen Wahlen 2019 und 2023 im Kanton Luzern für die CVP, beziehungsweise für Die Mitte, leitete. Hingegen glänzte Ineichen häufig mit Unerreichbarkeit, wenn die Medien die Meinung seiner Partei erfahren wollten, oder er erklärte intern Unabgesprochenes zur Parteihaltung.

Wenn Ineichen klagt, dass sich in der Partei «einfach niemand für mich eingesetzt hat», ist daraus nichts anderes zu folgern, dass ihn eben alle in der Partei für einen ungeeigneten und gescheiterten Parteipräsidenten hielten, den es von der nationalen Bühne fernzuhalten galt, um keinen Schaden für die Kantonalpartei zu riskieren.

Die sich stets überschätzende Eigenwahrnehmung Christian Ineichens stand am Anfang und steht am Ende seiner politischen Entwicklung. Eine Karriere wurde es für den Schützling von Ruedi Lustenberger dann halt eben nicht. Ineichen präsentierte sich stets mit einem abgekupferten Spruch als «Die Eiche aus dem Entlebuch», die sich nicht verbiegen lässt. Jetzt ist diese Eiche gefällt und die Luzerner Mitte kann aufatmen.

Silvio Bonzanigo, ehemaliger Kantonaldelegierter CVP, heute parteiloser Grossstadtrat, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/