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Kolumne der Redaktion

12.09.2023

«Wir glauben, dass Papier als Informationsträger nie ganz verschwinden wird»

In einem schwierigen Markt feiert die Papierfabrik Perlen AG ihr 150-jähriges Bestehen. Klemens Gottstein, Vorsitzender der Geschäftsleitung, erklärt gegenüber lu-wahlen.ch, wie sich das Unternehmen behauptet und für die Zukunft rüstet.


Am Wochenende öffnete sich die «Papieri» für Kunden und die breite Bevölkerung und bot so Einblicke in Geschichte und Gegenwart der 150-jährigen Papierfabrik Perlen.

Die «Moulin Rouge» zum Beisoiel bricht Holzschnitzel in Holzfasern auf.

Neben dem heutigen Wasserkraftwerk steht das alte Werk. Neben den historischen Turbinen wurde en kleines Museum zur Papierproduktion eingerichtet.

Am VIP-Event vom Freitagmittag (8. September) auf der Dampflok «Tigerli», welche bis Ende der 70-er-Jahre auf dem Fabrikgelände (mit insgesamt 13 km Gleisanlagen) im Einsatz war (von links): Fabian Peter (Regierungspräsident Kanton Luzern), Peter Schaub (VR-Präsident), Peter Schildknecht (CEO der CHP Chemie + Papier Holding AG) und Klemens Gottstein (Vorsitzender der Geschäftsleitung der Perlen Papier AG). Er beantwortete im Interview (links) die Fragen von lu-wahlen.ch.

Bilder: René Tanner

Besucher bestaunen die Papiermaschine 7.

Gross und klein kamen am Tag der offenen Tür am Samstag auf ihre Kosten, so auch beim «Papierschöpfen» und sahen, wie Papier im Mittelalter hergestellt worden war.

Die «Papieri» in Perlen rezykliert jährlich 500 000 Tonnen Altpapier.

Mehr als 8000 BesucherInnen nutzten die Chance, das Unternehmer kennenzulernen.

Die Dampflok «Tigerli» ist so etwas wie ein Wahrzeichen der «Papieri» und geniesst seit eh und je grosse Beliebtheit.

Das 33m hohe Riesenrad bot einen eindrücklichen Überblick über das riesige Fabrikgelände.

Pascal Duss verantwortete als Projektleiter die Jubuläums-Feierlichkeiten und führte am Samstag durch die Vernissage des Buches «Die Papieri».

Bilder: Herbert Fischer

Herbert Fischer: Herr Gottstein, landauf landab gehen seit Jahren schon laufend Zeitungen ein. Und bei jenen, die überleben, schrumpfen die Auflagen dramatisch. Das hat bestimmt heftige Auswirkungen aufdie «Papieri» in Perlen?

Klemens Gottstein: Die Online-Medien, also das digitale Wort, ist nicht mehr wegzudenken: Diese Entwicklung wird noch stärker und die gedruckten Medien weiter verdrängen. Am stärksten betroffen sind die Tageszeitungen. Deutlich besser schneiden die kleineren, regionalen Blätter ab. Aber auch hier ist wichtig, dass konsolidiert wird; dass sich Verlage, respektive Druckereien zusammenschliessen, um letztlich auch die Produktionskosten im Griff zu behalten.

Der Druck aus dem Ausland ist auch hier gross. Diesen Zustand haben wir nun seit gut 15 Jahren und in dieser Zeit sind einige Papiermaschinen, ja sogar ganze Papierfabriken aus dem Markt genommen worden. Nehmen wir hier nur das Beispiel Utzenstorf bei Bern. Diese schweizerische Papierfabrik musste Ende 2017 geschlossen werden. Sie war nicht mehr wettbewerbsfähig.

Bisher konnten wir unsere Anlagen ordentlich auslasten – mal mehr, mal weniger. Hier gibt es verschiedene Einflussfaktoren: Regionalzeitungen, die nicht mehr angeboten werden; kleinere Auflagen von bestehenden Zeitungen und/oder teilweise kleinere Umfänge von Zeitungen. Dies führte zu einem gewissen Rückgang an Print-Zeitungen. Was uns in den letzten zehn Jahren aber am meisten beschäftigt, ist der Umstand, dass immer mehr Informationen online abgerufen und nicht mehr auf bedrucktem Papier konsumiert werden.

Können sie konkrete Zahlen der letzten Jahre nennen, um dies für einen Aussenstehenden verständlich zu machen?

Klemens Gottsein: Seit 15 Jahren ging der Verbrauch der grafischen Druckpapiere (Zeitungen, Magazine, Werbeflyer) in Westeuropa um jährlich zirka 6 bis 8 Prozent zurück.

Auch die gedruckte Werbung ist massiv zurückgegangen. Versand-Kataloge, Drucksachen in den Briefkästen und was alles es da einst gab, beziehungsweise noch gibt: Wie wichtig waren, beziehungsweise sind solche Medien für die «Papieri»?

Klemens Gottstein: Neben dem klassischen Standard-Zeitungspapier produzieren wir in Perlen auch sogenanntes «gestrichenes» Papier. Das ist leicht glänzendes, weisseres Papier, das für Magazine und auch Werbe-Prospekte eingesetzt wird. Entsprechend haben wir auch hier einen Rückgang verspürt.

Ein weiteres Beispiel: Zu Beginn der Corona-Pandemie ist der Konsummarkt innert Wochen komplett zusammengebrochen. Entsprechend wurden für diese Produkte auch keine Werbeanzeigen mehr geschaltet. Dies hatte in der Folge rasch zu deutlichen Produktionsreduzierungen im Jahr 2020 geführt.

Wagen sie Zukunftsprognosen zur Bedeutung der Papierproduktion?  

Klemens Gottstein: Der grundsätzliche Trend ist uns bekannt und durch eine kosteneffiziente Produktion und moderne Anlagen glauben wir in Perlen, dass wir uns auch langfristig am herausfordernden Markt behaupten können. Wir sind der Überzeugung, dass Papier als Informationsträger nie ganz verschwinden kann und es zu einer «friedlichen Koexistenz» zwischen Print und Digital kommen wird.

Stand die Weiterexistenz der «Papieri» wegen der Digitalisierung, speziell des Internets, jemals zur Diskussion; das wäre ja nicht verwunderlich?

Klemens Gottstein: Wie erwähnt haben wir moderne Anlagen sowie optimierte Prozesse. Ein Beispiel ist die Papiermaschine 7: Die «PM 7» ging 2010 an den Markt und gehört noch heute zu den effizientesten Anlagen in Westeuropa. Wir werden uns also länger als unsere Mitbewerber am Markt behaupten können.

Woher haben sie das Holz, das es braucht, um Papier herzustellen?

Klemens Gottstein: Papier besteht immer aus Holz. Entweder aus mechanisch zerfasertem Holz oder aus chemisch aufbereitetem, gekochtem Holz – dem Zellstoff (Anwendung zum Beisiel bei Schulheften und Kopierpapieren), der eine besonders hohe Reissfestigkeit aufweist. Welcher Faserstoff-Mix zur Anwendung kommt, bestimmt die Anwendung des produzierten Papiers.

Wir verwenden überwiegend, nämlich bis zu 85% Altpapier, eine Mischung aus mechanisch und chemisch aufbereiteten Holzfasern. Mit einer halben Million Tonnen Altpapierbedarf pro Jahr sind wir der grösste Volumen-Recycler der Schweiz.

Welche Bedeutung hat der Schweizer Wald für sie als Rohstofflieferant?

Klemens Gottstein: Der Schweizer Wald spielt eine wichtige Rolle für uns. Alle Rundhölzer, sogenannte Durchforstungshölzer, die für einen gesunden Wald geerntet werden müssen, nehmen wir aus der Schweiz. Wir verarbeiten das Waldholz zu Hackschnitzeln und stellen daraus den benötigten Holzfaserstoff her. Zusätzlich beziehen wir auch Abfallholz aus Schweizer Sägereien. Aber Haupt-Faser-Rohstoff ist und bleibt das Altpapier.

Wie sind sie ökologisch unterwegs?

Klemens Gottstein: Ökologische Nachhaltigkeit liegt in unserer DNA. Nicht nur wegen dem hohen Stellenwert beim Recycling. Wir haben unseren «CO2-Ausstoss» in den letzten zehn Jahren um 88% reduziert, produzieren nachhaltigen Strom, beziehen Dampf von der Kehrichtverbrennungsanlage Renergia und – wie gesagt – wir reziklieren jährlich eine halbe Million Tonnen Altpapier. Dies, um nur einige Fakten zu nennen.

Mit 350 Mitarbeitenden ist die «Papiere» für ihr Einzugsgebiet ein wichtiger Arbeitgeber – «Papieri» gleich Perlen und Perlen gleich «Papieri». Das schafft Identifikation. Daraus entstehen – aus unterschiedlichsten Perspektiven – Erwartungen gegenüber dem Unternehmen. Wie gehen sie damit um?

Klemens Gottstein: Das ist in der Tat so und ich meine, diese enge Verknüpfung von Perlen und der Region kommt in unserem Jubiläums-Buch «Die Papieri» sehr gut zum Ausdruck. Unsere nun 150-jährige Geschichte verpflichtet uns auch in der Zukunft: Wir wollen für die Region ein wichtiger Arbeitgeber und für die Schweiz eine verlässliche Papierproduzentin sein und bleiben.

Interview: Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern

Siehe auch unter «Dateien».


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch

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Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:

www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/