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Kolumne der Redaktion

25.07.2023

Eigentlich müsste jetzt die FDP den Lead übernehmen, um den «rot-grünen Stadtrat» anders aufzustellen – doch sie begnügt sich mit nur einer Kandidatur

Seit Jahren eifern und geifern Bürgerliche in der Stadt Luzern gegen den «rot-grünen Stadtrat». Jetzt aber, da sich dafür endlich eine Gelegenheit böte, diese Konstellation zu korrigieren, herrscht Funkstille. Dies zeigen die beiden parteiinternen Nominationen, welche die FDP gestern Montag bekanntgegeben hat.


Die FDP schlägt einer Versammlung vom 1. September vor, entweder Grossstadtrat Marco Baumann oder André Bachmann – Lehrer, Kirchenrat und seit wenigen Wochen FDP-Mitglied – zu nominieren. Man beachte: entweder oder; also eine Einerkandidatur. Siehe unter «Links».

Doch der Reihe nach.

Die Behauptung, die Stadt Luzern werde von einem «rot-grünen Stadtrat» reagiert, ist sachlich schlicht und ergreifend falsch. Sie wird auch nicht dadurch wahrer, wenn sie ständig wiederholt wird.

Tatsache ist: Seit 2012 ist die Zusammensetzung dieses Gremiums die folgende, immer gleiche: Einen Sitz belegt die SP (aktuell: mit Beat Züsli, zugleich Stadtpräsident), einen die FDP.Die Liberalen (Martin Merki), einen haben die Grünen (Adrian Borgula), einen hat Die Mitte (Franziska Bitzi-Staub) und einen Sitz haben die Grünliberalen (Manuela Jost). Während SP und Grüne mit Fug und Recht als rot und grün bezeichnet werden können und Mitte sowie FDP klar bürgerliche Parteien sind, ist das bei den Grünliberalen nicht so eindeutig und klar. Um es vereinfacht auszudrücken: Die GLP ist in Verkehrs- und Umweltfragen grün aufgestellt und unterwegs. In gesellschaftspolitischen Fragen kann man sie als «gesellschaftsliberal» oder «linksbürgerlich» bezeichnen; das sind zwar etwas unscharfe, aber immerhin allgemeinverständliche Begriffe. In praktisch allen anderen Themen jedoch sind die Grüniberalen stramm bürgerlich.

Dass die GLP im Jahr 2012 überhaupt in den Stadtrat von Luzern einzog, verdankt sie der FDP und der CVP. Damals nämlich kandidierte die SP (bislang mit Ursula Stämmer-Horst mit einer Stimme in der Stadtregierung vertreten) mit Beat Züsli für einen zweiten Sitz. Es kam zu einem zweiten Wahlgang, bei dem sich die erstmals antretende Manuela Jost (GLP) und eben SP-Züsli gegenüberstanden.

Um zu verhindern, dass die SP mit Züsli einen zweiten Sitz eroberte, unterstützten FDP und CVP (heute: Die Mitte) Manuela Jost von den Grünliberalen. Jene Manuela Jost, der sie vor dem ersten Wahlgang ihren Support noch verweigert hatten, weil sie ihnen «zu links» und «zu grün» sei.

Den zweiten Wahlgang gewann Jost und sie ist seit 2012 Stadträtin.

2016 passierte Folgendes: SP-Stadträtin Ursula Stämmer (im Amt seit dem Jahr 2000) kandidierte nicht mehr. Für diesen SP-Sitz stellte die SP wieder Züsli auf, der zugleich gegen den amtierenden Stadtpräsidenten Stefan Roth antrat. Es kam zu einer gemeinsamen Liste der SP mit den Grünen und … – den Grünliberalen, die vier Jahre zuvor mitgeholfen hatten, einen zweiten SP-Sitz zu verhindern. Resultat: Züsli schaffte die Wahl sowohl als Stadtrat wie als Stadtpräsident; Amtsinhaber Stefan Roth verlor also als Stapi gegen SP-Züsli; eine Schmach für die Bürgerlichen! Und Finanzdirektor Roth musste als amtierender Stadtrat in einen zweiten Wahlgang, in dem er die Wiederwahl zwar schaffte; kurze Zeit später allerdings trat er zurück.

An der parteipolitischen Zusammensetzung änderte dies nichts. Bei der Gesamterneuerungswahl 2016 wurden gewählt: Beat Züsli (SP, neu, zugleich gewählt als Stadtpräsident), Martin Merki (FDP, bisher), Stefan Roth (CVP, bisher), Adrian Borgula (Grüne, bisher) und Manuela Jost (Grünliberale / bisher). Nicht gewählt: Peter With (SVP / neu).

Den damaligen «Seitenwechsel» der GLP und ihrer Stadträtin hin zur SP und Grünen übergossen FDP und CVP mit wüsten Kommentaren. Das hinderte sie jedoch nicht daran, vier Jahre später (2020) wieder genau mit dieser GLP zu paktieren und mit einer gemeinsame Liste für den Stadtrat anzutreten. Und zwar mit ihrer Manuela Jost (bisher), Martin Merki (FDP / bisher/ gewählt), Franziska Bitzi-Staub (CVP / bisher). Bitzi war 2016 anstelle von Stefan Roth Stadträtin geworden, der wie erwähnt trotz Wiederwahl (im zweiten Wahlgang) zurückgetreten war.

Womit erstellt ist: Der Stadtrat von Luzern setzt sich seit 2012 aus je einem Sitz für SP, FDP, CVP (heute: Die Mitte), Grüne und Grünliberale zusammen.

Obschon sie zweimal mitgeholfen haben, dass dies so ist – nämlich, indem sie 2012 und 2020 die GLP-Stadtratskandidatin Manuela Jost unterstützten –, wurden und werden lautstarke Stimmen aus FDP und Mitte nie müde, dieses Gremium als «rot-grünen Stadtrat» zu bezeichnen.

Das ist zwar wie dargelegt sachlich falsch. Aber in der Politik ist es nun halt mal so, dass so mancher Unsinn so lange wiederholt wird, bis ihn viele Leute glauben. Man kann es auch anders beschreiben: Der angeblich «rot-grüne Stadtrat» ist so, weil ihn CVP und FDP so gewollt haben. Das ist Fakt.

Diese unvermeidlicherweise etwas langfädige Geschichte muss wissen, wer die Ausgangslage für die Stadtratswahlen 2024 sortieren und bewerten will. Dann nämlich kandidieren Adrian Borgula (grüner Stadtrat seit 2012), Martin Merki (FDP-Stadtrat seit 2012) und Manuela Jost (GLP-Stadträtin seit 2012) nicht wieder.

Es kann bei der Besetzung dieser frei werdenden Sitze davon ausgegangen werden, dass FDP (neu entweder mit Marco Baumann oder mit André Bachmann) und Grüne (neu mit Korintha Bärtsch) ihre Sitze werden verteidigen können. Schwieriger dürfte es für die GLP werden; unter anderem, weil Manuela Jost parteiübergreifend als sympathisch wirkende Frau einen Bonus hatte und für sie nun ein vergleichsweise unbekannter Mann (Stefan Sägesser) antritt. Seine Wahl gilt als eher fraglich, womit das GLP-Mandat frei werden dürfte. Doch für wen? Für die Bürgerlichen (das Lager von FDP, Mitte und SVP)? Oder für SP und Grüne?

Würden die Bürgerlichen also an der Zusammensetzung des Stadtrates wirklich etwas ändern wollen, müssten sie jetzt dafür sorgen, dass entweder die FDP oder Die Mitte einen zweiten Sitz holt. Der Zeitpunkt ist jetzt optimal. Und zwar unter Führung der FDP.

Eine Einer-Nomination der FDP am 1. September, wie sie in der gestrigen Medienmitteilung angekündigt worden ist, heisst allerdings nichts anderes, als dass sie bloss ihr einziges Mandat im Stadtrat verteidigen will, nicht mehr. Und dies, obschon der GLP-Sitz wackelt und ziemlich sicher «frei wird».

Von Die Mitte ist erst recht keine zweite Nomination zu erwarten, weil ihre Stadträtin Franziska Bitzi-Staub zwar als fachkompetent und dossiersicher gilt, im persönlichen Umgang aber als «sehr schwierig», «penetrant besserwisserisch», sogar als «oft cholerisch» gilt und entsprechend unbeliebt ist. Die Partei wird genug damit zu tun haben, alles daran zu setzen, dass sie die Wiederwahl schafft.

Ausgerechnet FDP-Stimmen waren es, die immer wieder den «rot-grünen Stadtrat» angegriffen habe. Ausgerechnet ihre Partei aber vermeidet es jetzt, den Worten Taten folgen zu lassen, und mit einer Zweierkandidatur anzutreten. Sie ist auf bürgerlicher Seite die klar stärkste Fraktion (9 von 48 Sitzen im Grossen Stadtrat) und müsste auch nach aussen den Lead übernehmen, wenn es tatsächlich darum ginge, die parteipolitische Zusammensetzung des Stadtrates zu verändern. Doch genau das ist nicht der Fall.

Und die SVP? Von ihr ist – einmal mehr – keine Stadtratskandidatur zu erwarten, welche die Ausgangslage ernsthaft mit prägen wird. Sie wird höchstens eine Rolle spielen, falls FDP und Mitte abermals ernsthaft vor der Frage stehen sollten, ob sie eine GLP-Kandidatur unterstützen wollen, die erfahrungsgemäss mehr Chancen hätte, als eine Kandidatur der SVP. Ganz ausgeschlossen also ist es nicht, dass sich die GLP wiederum «flexibel» zeigt. Und dass FDP und Mitte darum froh sein werden, falls es – auch da: wiederum – einen zweiten SP-Stadtratssitz zu verhindern gilt.

Zu diesem Zweck wäre es sogar denkbar, dass eine gemeinsame bürgerliche Liste zustandekäme mit Baumann oder Bachmann (FDP), Bitzi-Staub (Mitte), Sägesser (GLP und einer SVP-Kandidatur(mit wem auch immer). Auch hier also wiederum ohne eine FDP als Leader.

Rätselhaft ist auch, dass von bürgerlicher Seite nichts, aber auch gar nichts darüber zu hören oder zu lesen ist, wen sie als Stadtpräsidentin oder als Stadtpräsidenten nominieren will; gewiss nicht Franziska Bitzi. Wer derart polarisiert, kommt als Kandidatin für das Stadtpräsidium nicht in Frage. Schon gar nicht gegen Beat Züsli. 

Vielleicht ist zudem FDP und Mitte noch deutlich genug in Erinnerung, wie sie vor vier Jahren Mühe hatten, FDP-Stadtrat Martin Merki für eine Kandidatur (gegen Amtsinhaber Beat Züsli) zu überreden. Und wie lustlos er dieses aussichtslose Spiel über sich ergehen liess; erwartungsgemäss erfolglos.

Es müsste also eine Frau oder ein Mann sein mit ernsthaften Absichten und keine Alibikandidatur.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/