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Kolumne der Redaktion

03.04.2023

«Grüne Themen» sind keineswegs «out»: Warum sich SVP und FDP nach dem gestrigen Flop der Grünen nicht zu früh freuen sollten

Der gestrige Wahlsonntag hat mit ein paar Resultaten geendet, die so nicht vorauszusehen waren. Freilich auch mit solchen, die sich bei genauerem Hinsehen schon längst abgezeichnet haben und die zu korrigieren Sache jener Kräfte gewesen wäre, die sie angerichtet haben; die ein Interesse daran gehabt haben sollten, dass sie nicht so rauskommen würden, wie sie sich nun präsentieren.


Mit solchen Plakaten bestritt die SVP die Luzerner Kantonsratswahlen 2023.

Bild. Herbert Fischer

Ohne hier schulmeisterlich Noten auszuteilen und darüber zu dozieren, was alles falsch lief, erlauben wir uns ein paar Feststellungen, die in den anstehenden Diskussionen von Belang sein könnten. Und solche Diskussionen haben bereits begonnen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Delegiertenversammlungen der Kantonalparteien von morgen Dienstagabend und übermorgen Mittwochabend, wenn die Positionen und Parolen zum zweiten Wahlgang für den Regierungsrat (am 14. Mai) bezogen, beziehungsweise beschlossen werden.

Konkret: Die grünen Verluste im Kantonsrat sind ein Flop mit Ansage. Die Partei verlor von den bislang 14 Sitzen ihrer Fraktion insgesamt deren drei.

Es kann allerdings schlicht nicht sein, wie da und dort bereits zu lesen und zu hören ist, dass «grüne Themen» und der Klimawandel keine Konjunktur mehr hätten und die Verluste der Grünen im Kanton Luzern darin gründen würden. Das wünschen sich womöglich jene, deren erste Reaktionen nun vor Schadenfreude über die grünen Verluste nur so triefen.

Doch der Reihe nach.

Die Grünen nominierten ihre Regierungsratskandidatin Christa Wenger lange bevor die Ausgangslage der Regierungsratswahlen wirklich klar war. Sie gingen ganz offensichtlich davon aus, dass alle fünf bisherigen Regierungsräte wieder kandidieren werden. Und sie kamen – angesichts dieser frappanten Fehleinschätzung – zum verheerenden Schluss, dass Kandidaturen gegen das erlauchte Herren-Gremium eh chancenlos sind. Dass es also gar nicht darauf ankommt, mit wem sie antreten würden. Also suchten sie ein «Opferlamm», wofür sich verdienstvollerweise ihre Grossstadträtin Christa Wenger selbstlos zur Verfügung stellte.

Doch es kam ganz anders. Sowohl der parteilose Marcel Schwerzmann wie auch Paul Winiker (SVP) kündeten an, nicht wieder als Regierungsräte anzutreten. Und Guido Graf (Die Mitte) beugte sich starkem parteiinternem Druck und verzichtete ebenfalls.

Damit präsentierte sich die Ausgangslage komplett anders und spätestens jetzt hätte die grüne Parteiführung einsehen müssen, dass sich hier sehr wohl eine Chance für eine weibliche Kandidatur der Grünen eröffnen würde, allerdings für ein anderes Kaliber als Christa Wenger. Womit rein gar nichts gegen sie, ihr politisches Profil, ihren beruflichen Leistungsausweis und ihre Persönlichkeit gesagt sei.

Angenommen also, die grüne Parteiführung hätte tatsächlich abgewartet, bis eine aussagekräftige Ausgangslage für die Regierungsratswahlen vorlag, so hätte sie sich mit Sicherheit daran erinnert, dass 2019 die grüne Kandidatin Korintha Bärtsch hervorragend abgeschnitten hat. Sie wäre aus einer ganz anderen Position in diesen Wahlkampf gestartet, als das «Opferlamm» Christa Wenger. Und «grüne Themen» hätten dank ihr eine andere Strahlkraft erreicht, zumal Bärtsch ein abgeschlossenes ETH-Studium als Unweltnaturwissenschafterin vorweist, das Luzerner Stadtparlament präsidiert hatte und als Kantonsrätin höchst aktiv ist (siehe unter «Links»).

Heute ist davon auszugehen, dass Bärtsch inzwischen – im Unterschied zu 2019 – nicht mehr Regierungsrätin werden will, sondern auf den Stadtratssitz zielt, den noch bis zum Ende dieser Legislatur Adrian Borgula inne haben wird. Ihre Nomination durch die Partei wird zur Formsache. Und bei der Stadtratswahl 2024 wird sie im ersten Wahlgang fadengerade durchmarschieren.

Allerdings: Hätte sich Korintha Bärtsch – nach Bekanntgabe der neuen Ausgangslage (also mit den Verzichten von Schwerzmann, Winiker und Graf) – ernsthafte Wahlchancen ausrechnen können, wozu es Gründe zuhauf gegeben hätte, wäre sie womöglich doch angetreten; mit sehr realen Wahlchancen; wir wissen es allerdings nicht wirklich.

Fassen wir zusammen: Die Ankündigung der Kandidatur Christa Wenger war Ausdruck einer viel zu frühen und grundfalschen Lagebeurteilung der Regierungsratswahlen 2023 durch die grüne Parteiführung. Statt diesen Fehler einzusehen und zu korrigieren, marschierten die Grünen schnurstracks in dieses Resultat vom gestrigen Sonntag und verloren drei ihrer vordem insgesamt 14 Sitze.

Daraus folgt: Wenn die Grünen gestern im Kanton Luzern Verluste erlitten haben, heisst das mitnichten, dass ihre Kernthemen deswegen vom Tisch sind. Denn es ist so gut wie sicher, dass uns auch 2023 ein Hitzesommer grillieren und die Folgen des Klimawandels abermals in aller Deutlichkeit aufzeigen wird; und – dies noch mehr – spüren lässt: physisch, psychisch, finanziell, überall dort, wo das weh tun kann.

Befund 1: Die Ausgangslage für die Eidgenössischen Wahlen 2023 wird – nicht nur, aber auch – für die Grünen massgeblich durch den Sommer 2023 bestimmt.

SVP und FDP sollten sich nicht vorschnell und arrogant über das angebliche Ende der «grünen Welle» freuen. Man muss kein Prophet sein um hier und heute vorauszusagen, dass sie sich in den nächsten Wochen und Monaten gegenseitig die «politische Schuld» am Desaster der Credit Suisse zuschieben werden. Egal, wer letztlich die stärkeren Argumente hat: Beiden Parteien wird diese Debatte enorm schaden. Die FDP wird es sehr, sehr schwer haben, sich ihres Rufs als Partei der Banken und der Hochfinanz zu entledigen und ausgerechnet angesichts des Scherbenhaufens CS als «Aufräumerin» profilieren zu wollen. Mit weisser Weste wird sie daraus nicht hervorgehen. Auch das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Handkehrum wird sich die SVP dafür rechtfertigen müssen, wie (auch) sie sich immer wieder gegen strengere Regulierungen und Kontrollmechanismen für die Finanzindustrie gewehrt hat.

Befund 2: Das Desaster der Credit Suisse ist ein Steilpass für Rot-grün und liefert im Sommerloch 2023 Munition zuhauf für ein medienwirksames Dauerfeuer gegen die FDP und die SVP.

Apropos SVP: Aus keiner Partei waren in den letzten Jahren so viele Verteidigungsreden für Waldimir Putin zu lesen und zu hören wie von der SVP. Die Stimmen wurden erst leiser, als er am 25. Februar 2022 seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine startete. Auch SVP-Exponenten schworen inzwischen ihren früheren Positionen deutsch und deutlich ab. Einer der heftigsten Putin-Verteidiger – der Zürcher SVP-Noch-Nationalrat Roger Köppel – behauptete gar öffentlich unverfroren, er habe Putin gar nie verteidigt (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»).

Solche glasklare Fakten können im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen 2023 genüsslich herumgeboten werden. Es wird einerseits thematisiert werden, dass ausgerechnet SVP-Kreise über Jahre hinweg Putin hätschelten und Putin-Kritiker hierzulande mit Verweis auf die eidgenössische Neutralität zur Zurückhaltung aufforderten. Und dass nun ausgerechnet sie gegen Ukraine-Flüchtlinge hetzen, die wir doch genau diesem scheusslichen Putin zu «verdanken» haben. Verstehe das, wer will.

Befund 3: Diese Putin-Debatte wird der SVP enorm schaden. Auch sie ist Munition für Rot-grün.

Fazit: Die Eidgenössischen Wahlen starten in einer ganz anderen Ausgangslage, als der gestrige Luzerner Wahlsonntag momentan vermuten lässt. Und: Die Grünen haben starke Karten. Vor allem gegen FDP und SVP.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/