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Kolumne der Redaktion

10.01.2023

«Im Land der verbotenen Kinder»: Luzerner Dokumentarfilmer zeigen ein dunkles Kapitel der Schweizer Ausländerpolitik

Der Dokumentarfilm «Im Land der verbotenen Kinder» konnte am Sonntag (8. Januar) eine erfolgreiche Doppel-Premiere feiern: Das Luzerner Bourbaki-Kino war ausverkauft, das Zürcher Riffraff-Kino gut besetzt. Das Publikum zeigte sich betroffen von den Schicksalen einstiger Saisonnier-Kinder.


Isabel da Silva musste jahrelang verzweifelt dafür kämpfen, um ihre Tochter endlich zu sich in die Schweiz holen zu dürfen.

Isabel da Silvas Tochter Nadia musste bis zu ihrem achten Lebensjahr bei der Grossmutter in Portugal bleiben.

Eine gestohlene Kindheit: Aurora Pacheco war als Tochter spanischer Saisonniers ein verstecktes Kind in der Schweiz.

Manifestation 1970 in Bern gegen das unmenschliche Saisonnier-Statut der Schweiz: »Ich will bei meinem Vater bleiben».

Menschen mit Koffern: Die Saisonniers waren die Puffermasse des Schweizer Wirtschaftswunders, Menschen zweiter Klasse.

Luigi Fragale musste als versteckes Saisonnier-Kind in der Schweiz unsichtbar bleiben.

Antonio Fragale holte als Saisonnier seine Familie verbotenerweise in die Schweiz, wo sich diese verstecken musste.

Jährlicher Exodus: Immer gegen das Jahresende mussten die Saisonniers die Schweiz wieder verlassen.

Titel «Im Land der verbotenen Kinder»

Der Film der zwei Luzerner Filmemacher Jörg Huwyler und Beat Bieri beleuchtet ein bislang wenig bekanntes, dunkles Kapitel der Schweizer Ausländerpolitik: die oft verheerenden Folgen des Saisonnier-Statutes, welches bis 2002 eine «Apartheid nach Schweizer Art» geschaffen hat, wie Bieri sagt.

Bis 2002, als die Personenfreizügigkeit in Kraft trat, mussten je nach Schätzung zwischen 15 000 und 50 000 Kinder von Saisonniers in der Schweiz im Untergrund leben. Weil Gastarbeitern der Familiennachzug in den ersten Jahren untersagt war, sie die Trennung jedoch nicht aushielten, holten viele ihre Kinder heimlich zu sich. Diese lebten im Versteckten, mussten drinnen bleiben, während Gleichaltrige draussen spielten, durften nicht zur Schule – und waren nicht krankenversichert.

Nicht selten wurde die Fremdenpolizei durch Hinweise aus der Nachbarschaft auf solche Kinder aufmerksam, was ihren Landesverweis zur Folge haben konnte. Rund 500 000 weitere Saisonnier-Kinder – so die neusten Berechnungen – wurden bei Verwandten in ihren Herkunftsländern untergebracht oder bei Pflegefamilien in der Schweiz und in Heimen im grenznahen Italien. Für viele Betroffene – Kinder und Eltern – war die Isolation und Trennung eine traumatische Erfahrung, über die sie lange nicht sprachen und die das Verhältnis in den Familien stark belastete.

Nun – 20 Jahre nach Aufhebung des Saisonnier-Statutes – ist die Zeit des Schweigens vorbei: Anfang Oktober Jahres 2021 gründeten Betroffene einen Verein und fordern politische und gesellschaftliche Anerkennung für das verursachte Leid. Und zum ersten Mal reden nun Opfer auch in einem Dokfilm über ihre schmerzlichen Erfahrungen.

Der Schweizer Bevölkerung sind die grausamen Folgen dieser Ausländerpolitik kaum bekannt. So taucht gelegentlich in der politischen Debatte die Forderung auf, mit der Wiedereinführung des Saisonnier-Statutes die Einwanderung zu bremsen;  beispielsweise auch im letzten «Sonntagsblick» (8. Januar 2023, siehe unter «In Verbindung stehende Artikel», Eintrag vom 9. Januar), wo der Top-Manager und SVP-Mann Rolf Dörig genau dies vorschlug. «Jedes Land, auch die Schweiz, hat das Recht, die Einwanderung zu regulieren», sagt dazu Dokfilmer Beat Bieri, «doch nicht mit einem derart inhumanen Mittel wie dem Saisonnier-Statut, welches in vielem dem Kafala-System vergleichbar ist,  mit dem Katar seine Gastarbeiter rechtlos hält.»

Das sind erste Reaktionen zu diesem Film

. «Ein wichtiger, ebenso berührender wie aufwühlender Film»: Regina Grüter in der «Luzerner Zeitung» (siehe unter «Dateien»).

. «Was für ein unglaublich starker und berührender Dokumentarfilm»: Premièrenbesucherin Ylfete Fanaj, SP-Regierungsratskandidatin, Luzern.

. «Ein starker, notwendiger Film über die grausamen Folgen der Schweizer Migrationspolitik für die Kinder»: Premièrenbesucher Rolf Wespe, Journalist, Luzern.

Das sind die weiteren Vorstellungen

Luzern, Kino Bourbaki: Sonntag, 15. Januar, 12 Uhr; Mittwoch, 18. Januar, 12 Uhr.

Zürich, Kino Riffraff: Sonntag, 15. Januar, 11.30 Uhr.

Vorstellungen in Kinos weiterer Schweizer Städte sollen folgen. Im Frühling strahlt SRF eine auf 50 Minuten gekürzte Version des Filmes aus.

(red)


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/