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Kolumne der Redaktion

01.01.2023

Putins Krieg hat Pazifisten in die Realität geholt

Mehr noch als die beiden Jahreswechsel zuvor offenbart die Bilanz des Jahres 2022 Erkenntnisse, die noch zu Jahresbeginn so kaum denkbar gewesen wären.


Demo gegen Putins Überfall auf die Ukraine am 4. März 2022 auf dem Kornmarkt in Luzern.

Ein «F-35» der italienischen Luftwaffe am 24. März 2022 bei einer Präsentation auf dem Flugplatz Emmen vor den Medien.

Erst bezichtigten sie den Bundesrat, wegen «Corona» eine Diktatur zu errichten, jetzt laufen sie Putin hinterher: Schwurbler-Demo am 11. September 2021 in Luzern.

Bilder: Herbert Fischer

Beispiel 1: der Pazifismus. Lange als unerschütterliche Pazifisten geltende PolitikerInnen haben sich durch die normative Kraft des Faktischen belehren und, mehr noch, bekehren lassen. Seit der Implosion des Realsozialismus und dem Ende des Warschauer Paktes Anfang der 90-er-Jahre glaubte kaum mehr jemand ernsthaft, dass irgendwann in Europa wieder feindliche Mächte mittels eines klassischen Bodenkrieges aneinander geraten würden, um so territoriale Ansprüche zu erheben und durchzusetzen. Genau das aber ist geschehen, als Russlands Diktator Wladimir Putin am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen hat und seither zu unterjochen versucht. Mit bislang mässigem Erfolg, wie wir inzwischen wissen.

Es geht hier nicht um diesen unsäglichen Krieg eines Wahnsinnigen im Kreml gegen ein anderes Land. Es geht hier darum aufzuzeigen, was dieser Krieg im Westen politisch auch noch bewirkt hat; neben all den bekannten und vordergründigen Irrungen und Wirrungen.

Dies zeigt sich zum Beispiel an Anton Hofreiter, einem Bundestagsabgeordneten der Grünen, der deswegen dem Pazifismus abgeschworen hat. Hofreiter nämlich macht sich seit Beginn des Ukraine-Krieges für Waffenlieferungen an die Ukraine stark; aus der Sicht der Pazifisten ein «No go».

Siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel»: Eintrag vom 23. April 2022 (faz.net - Lange war er ein grüner «Fundi», jetzt fordert Anton Hofreiter deutsche Waffen für die Ukraine und kritisiert SPD-Kanzler Olaf Scholz).

Der Vorgang ist umso bemerkenswerter, als die Grünen – in Deutschland ebenso wie anderswo – unter anderem in der Friedensbewegung wurzeln. Und auch dank deren Kernbotschaften immer grösser und immer stärker geworden sind. Merkwürdigerweise haben so radikale «Neupositionierungen» wie jene von Anton Hofreiter in den Reihen der Grünen nicht zu einem eigentlich zu erwartenden innerparteilichen Erdbeben geführt, das schlimmstenfalls die Ampel-Koalition hätte knacken können. Hofreiter wird wegen seines radikalen Kurswechsels zwar auch seitens politischer Weggefährten teils kritisiert (auffällig geräuscharm allerdings), aber insgesamt hat sich seine politische Akzeptanz gefestigt; vor allem im bürgerlichen Lager.

Das Beispiel Anton Hofreiter ist hier darum der Rede wert, weil es zeigt, wie rasch und grundsätzlich Ereignisse Politikerinnen und Politiker verändern können; zeigt, dass sich mehr bewegt und verändert hat, als man unter «normalen Bedingungen» jemals für möglich gehalten hätte; zeigt, dass nichts unmöglich ist, dass alles fliesst.

Beispiel 2: der Kampfflieger F-35. Ähnliches lässt sich mit Blick auf die «Kampfflieger-Debatte» feststellen. Wäre die Initiative gegen die Beschaffung des «F-35» ohne Putins Ukraine-Krieg zur Abstimmung gelangt, wäre sie mit Sicherheit zur Zitterpartie geraten. Sie hätte also gute Chancen gehabt, angenommen zu werden. Ihre Zustimmungswerte sanken allerdings nach dem 24. Februar 2022 derart tief in den Keller, dass ihre Urheberinnen und Urheber sie gar zurückzogen (siehe unter «In Verbindung stehende «Artikel»: Eintrag vom 20. September 2022 (bluewin.ch – Initiative gegen Kampfflugzeug F-35 wird zurückgezogen).

Zu offensichtlich zeigten Putins Kriegsverbrechen, dass die Haltung, wonach die Schweiz eine zeitgemässe Luftverteidigung braucht, mehrheitsfähig geworden ist. Selbst das Killer-Argument gegen den Kauf des neuen Kampfjets – nämlich dessen elektronische Abhängigkeit vom Einfluss des US-Militärs (auch nach einem Kauf!) – spielte so gut wie keine Rolle mehr. Siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel»: Eintrag vom 11. Februar 2022 (infosperber.ch – Warum die Schweiz bei den Amerikanern keinesfalls Kampfjets bestellen soll).

Beispiel 3: die «Corona-Diktatur». Während all der «Corona-Debatten» hat sich die SVP die Ungeheuerlichkeit erlaubt, dem Bundesrat vorzuwerfen, er verwandle das Land in eine Diktatur. Christoph Blocher bezeichnete Gesundheitsminister Alain Berset gar als Diktator. Erst recht grassierte dieser Schwachsinn in Kreisen der «Schwurbler».

Was aber hat der Putin-Krieg bei ihnen bewirkt? Ausgerechnet sie, die diese unerträgliche Aussage ihrerseits flächendeckend und unerbittlich verbreiteten, laufen inzwischen Putin hinterher; nicht alle vielleicht, aber es sind von ihnen viele genug, um ihre Positionen bezüglich «Corona» endgültig zu diskreditieren. Siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel» (Einträge über die «Querdenker» vom 4., 11., 12. und 13. März 2022).

Es liessen sich weitere Beispiele aufführen, die klar machen, welche unglaublichen Dynamiken sowohl der Putin-Krieg wie auch «Corona» ausgelöst haben. Und wie diese – eben – Leute und ihre politischen Positionen verändert haben. Aber diese drei Beispiele reichen fürs erste vollkommen, um konkret aufzuzeigen, welche argumentativen Pirouetten sie erwirkt haben und wie sie Leute zu komplett anderen politischen Positionen gebracht haben.

Vor allem aber zeigen sie, wie wichtig hieb- und stichfeste Fakten in Diskussionen sind. Wissen ist Macht: Wer mehr weiss und, dies vor allem, wer mittels erhärteter Fakten mitreden kann, ist in einer stärkeren und meist matchentscheidenden Position, wenn es darum geht, Lügnern Paroli zu bieten. Es lohnt sich darum jeweils genau hinzuschauen, unterschiedliche Perspektiven gegenüber strittigen Themen einzuholen, also auch andere (als die eigenen) Positionen zu erfahren, um so zu möglichst breit abgestützten und auch belastbaren Argumentationen zu gelangen.

lu-wahlen.ch beobachtet und begleitet solche Prozesse, indem das Portal Medienbeiträge darüber in entsprechenden Dossiers zusammenfasst und sie jederzeit greifbar sind.

lu-wahlen.ch ist Service public im Bereich freie Meinungsbildung. Wer sich, zwei Beispiele sind das nur, über «Corona» oder den Putin-Krieg umfassend aufmunitionieren will, findet dazu eine riesige Fülle zu Links mit Beiträgen in Medien, die ohne Paywall zugänglich sind. Damit hilft diese Website mit, sich ohne grossen Aufwand aktuell kundig zu machen, weil die einzelnen Artikel nicht aufwändig gesucht werden müssen, sondern eben in Dossiers zusammengefasst sind.

Am  7. August 2022 hat das Portal (seit dem Start am 8. Februar 2011) 20 Millionen Zugriffe verzeichnet. Und am 19. November 2022 waren es bereits 21 Millionen. In den letzten Monaten erfolgen im Durchschnitt pro Tag rund 10 000 Zugriffe, eine fantastische Zahl!

Gleichwohl ist zu bedenken, was genau vor einem Jahr, also ebenfalls zum Jahreswechsel, hier zu lesen war: «Fundierte Argumentationen sind eine entscheidende Voraussetzung, um in Zeiten wie diesen schwierige Diskussionen zu bestehen. Diskussionen, derer viele engagierte DemokratInnen eigentlich längst überdrüssig sind, weil sie wissen, dass es keinerlei Sinn macht, Schreihälse und Wadenbeisser – viele von ihnen sind inzwischen zu Scharfmachern und Wutbürgern mutiert – von evidenzbasierten und somit wasserdichten Fakten überzeugen zu wollen.» Und: «Schwachsinn, Stumpfsinn und Unsinn erwiesen sich oft als harte Nüsse, denen schlichtweg nicht beizukommen ist.»

Dieser bittere Befund hatte sich damals (am 1. Januar 2022) auf die «Corona-Debatte» bezogen. Geändert hat sich daran nichts wirklich. Ausser, dass wir es mittlerweile auch noch mit Putin-Bewunderern zu tun haben.

Empörung und Engagement gehören zusammen: Dieser Befund stammt vom grossen französischen Philosophen und Erfolgsschriftsteller Stéphane Hessel (1917 bis 2013). Siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel»: Eintrag vom 7. November 2011.

Genau so ist es. Es genügt nämlich nicht, sich gut zu informieren. Wer als DemokratIn Glaubwürdigkeit erreichen und behalten will, muss mitreden können, mitstreiten können, andere überzeugen können, darf sich nicht zur Schnecke machen lassen; von wem und weswegen auch immer. Dank und mittels gut und breit abgestützter Fakten und Argumente, wie sie zum Beispiel lu-wahlen.ch bündelt und vermittelt.

Herbert Fischer, Gründer und Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/