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Kolumne der Redaktion

24.11.2022

Ethik ist wichtig, aber ohne die Hermeneutik als die Kunst des Verstehens verfehlt sie ihr Ziel

Im Zusammenhang mit der Fussball WM in Katar, aber auch in anderen Kontexten – wie etwa dem Überfall Russlands auf die Ukraine oder dem weniger fassbaren Sachverhalt der politischen Korrektheit – begegnet uns das Wort «Ethik» auf Schritt und Tritt.


Gleichzeitig trifft man auf den abschätzigen Gebrauch eines Ausdruckes, der von seiner ursprünglichen Bedeutung her positiv gemeint war. Es handelt sich um den Begriff  «Versteher» ( im Sinne von «Putin», respektive «Katar-Versteher»). Für beide stehen prominente Namen Gerhard Schröder und Gianni Infantino.

In den letzten Jahren feiert Ethik Hochkonjunktur und das ist gut so. Kaum mehr ein Bereich unserer Lebenswelt kann sich ihrem Ernst und ihren abstrakten Wertebekenntnissen entziehen, weder die Gesellschaftspolitik noch die Wirtschaft. Seit in unserer Gesellschaft der öffentliche Einfluss der Kirchen zurückgegangen ist, füllt die Ethik die entstandene Lücke.

Auch das zu Recht, denn als Anweisung zum guten Handeln ist sie mit ihrer Kompassfunktion unverzichtbar. Ihr Potenzial kann sie aber nur entfalten, wenn sie nicht im Sinne eines westlichen Pharisäertums auf jene herabschaut, die sie für ihre Werte gewinnen möchte.

Auch das Deklamieren von Werten findet – wenn es überhaupt Sinn haben soll – im globalen Raum der Kommunikation zwischen den verschiedenen Völkern und Kulturen statt.

Kommunizieren aber setzt ein Minimum an Verstehen dessen voraus, mit dem man sich in Verbindung setzen möchte.

Wer mit seiner eigenen Ethik auf verschiedene Kulturräume Einfluss nehmen will, muss sich zuvor in diese hineindenken. Gefragt ist dabei die hohe Kunst der Hermeneutik. Diese ermöglicht Interpretationsprozesse, welche das Ideal der Unvoreingenommenheit methodisch verfolgen. Verpasst man ein solches Vorgehen, darf man nicht erstaunt sein, wenn unser noch so gut gemeintes Ethikbekenntnis zu blosser Provokation verkommt.

Wenn wir eine Ethik vertreten, welche universal gelten soll, dann tun wir gut daran, sehr aufmerksam zu lauschen wie unsere möglichen Adressaten ticken, wie sie aus ihrer Geschichte heraus so geworden sind, wie sie sich zum heutigen Zeitpunkt präsentieren.

Daher wehre ich mich dagegen, wenn das für das menschliche Zusammenleben so fundamentale «Verstehen» negativ besetzt wird. Man zieht damit den Stecker, bevor die Botschaft überhaupt transportiert werden kann.

Tiefe Gräben, gegenseitiges Nicht-Verstehen und im schlimmsten Falle Hass sind die Folgen und der Schuss der Ethik-Monopolisten geht unter Umständen nach hinten los.  

Dr. Hans Widmer, Altnationalrat (SP) und langjähriger Philosophie-Lehrer an der Kanti Alpenquai, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/