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Kolumne der Redaktion

26.07.2022

Zehn Persönlichkeiten erinnern sich an alt Nationalratspräsidentin und Frauenrechtlerin Judith Stamm

lu-wahlen.ch hat Persönlichkeiten, die sie kannten, um ein Votum zum Tod der Luzerner Mitte-Politikerin Judith Stamm gebeten. Hier werden diese Aussagen in der Reihenfolge ihres Eintreffens online gestellt.


31. Juli 2017. Judith Stamm (rechts) an der Bundesfeier vor dem KKL.

Bild: Herbert Fischer

Rosmarie Dormann, Nationalrätin von 1987 bis 2003 (CVP), Rothenburg:

Wir waren während Jahren nicht nur politisch, sondern auch beruflich verbunden. Ich war mit Judith bereits in Kontakt, als sie noch Jugendanwältin und ich Amtsvormundin war. In dieser Zeit ergab sich ab und zu eine Zusammenarbeit mit ihr, wenn sie in ihrer Stellung als Jugendanwältin für eine jugendliche Person eine Massnahme verfügte, die ich dann als Amtsvormund zu vollziehen hatte. Das war zum Beispiel bei Heimeinweisungen von Jugendlichen der Fall. Solche Massnahmen verfügte sie mit äusserster Sorgfalt und mit viel Empathie.

Ich mag mich an eine gemeinsame Fahrt mit einem sehr schwierigen 15-jährigen Mädchen in ein Jugendheim erinnern. Diese Jugendliche sass neben Judith Stamm auf dem hinteren Sitz meines Autos und meinte, dass wir zwei Frauen «doch einen schönen Beruf» hätten; den möchte sie «auch einmal erlernen».
 
Als man mich einige Jahre später zur Kandidatur in den Nationalrat anfragte, war es Judith, die mich mit allen Mitteln zu überzeugen versuchte, mich dieser Wahl zu stellen. Ohne sie hätte ich das nie gemacht.  Von 1987 bis 1999 sassen wir dann gemeinsam im Nationalrat; wohl verstanden nicht nebeneinander, da ein bisheriger Nationalrat befürchtete, Judith könnte mich «zu stark beeinflussen». Wie oft haben wir darüber gelacht!
 
Unsere gemeinsame Zeit im Nationalrat war herausfordernd und intensiv, aber gegenseitig befruchtend, und stützend. Beim Thema «Fristenregelung» wurde Judith zum Beispiel mit unvorstellbar hässlichen Briefen aus dem Volk eingedeckt; beim «Strafartikel Rassismus», der dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurde, erlebte ich als Präsidentin des Ja-Komitees unsägliche Bedrohungen aus dem Volk.

In diesen Phasen haben wir uns gegenseitig moralisch unterstützt und Psychohygiene betrieben, worauf einmal ein Journalist von uns als «politischen Zwillingen» sprach. Wir waren uns aber längst nicht in allen Fragen und Abstimmungen einig. Darunter hat unsere Freundschaft allerdings nie gelitten.

Mit Judith Stamm habe ich eine sehr verlässliche Kollegin verloren, mit der ich freundschaftlich verbunden blieb bis zu ihrem Tod. Ihr Heimgang macht mich sehr betroffen und traurig. Ich bin glücklich, dass Judith nicht lange leiden musste und nun den ewigen Frieden gefunden hat.

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Andrea Gmür-Schönenberger, Ständerätin (Die Mitte), Luzern:

Judith Stamm habe ich ausserordentlich geschätzt. Sie war eine bewundernswert mutige, gradlinige, kluge und starke Frau. Ihrer Zeit war sie weit voraus. Auf sie konnte ich mich jederzeit verlassen und auf Ihre Unterstützung zählen - selbst dann, wenn wir nicht immer gleicher Meinung waren. Judith Stamm wird uns allen fehlen.

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Xaver Vogel, pensionierter Sekundarlehrer und früherer CVP-Gemeinderat, Menzberg:

Judith Stamm durfte ich kennen lernen, nachdem sie – gewählt im Oktober 1983 – erstmals als Nationalrätin an der Bundesfeier 1984 einen Auftritt hatte und zwar bei uns auf dem Menzberg. Und sie begleitete in Bern jeweils Schulklassen, mit denen ich als Lehrer Sessionen besuchte, durchs Bundeshaus, unter anderem zur Bundeshausredaktion SRF (damals: DRS). Die Jugendlichen waren von Judith Stamm begeistert.

Ihre Publikation aus dem Jahr 1984 unter dem Titel «Gedanken für unterwegs» mit Beiträgen von ihr in der Radio DRS-Sendung «Zum neuen Tag» halte ich immer griffbereit. Ihre christlichsoziale und gesellschaftsliberale Grundhaltung kommt in diesem Büchlein klar und verständlich zum Ausdruck. Und sie zieht sich wie ein roter Faden durch all ihre Voten, Aufsätze und Reden, die sie bekanntlich weit über ihren Rückzug aus dem Nationalrat (1989) noch immer hielt und schrieb.

Wie die frühere Nationalrätin Rosmarie Dormann sowie National- und Ständerätin Josi J. Meier baute sie auf jene christliche Politik, wie sie nach meiner festen Überzeugung von der CVP im Kanton Luzern stärker hätte vertreten werden müssen. Es gab aber immer Exponenten, welche die Haltungen dieser Frauen nicht mittragen wollten, sondern in Frage stellten.

Judith Stamm ist (und bleibt!) für mich eine der ganz grossen Frauen der Schweizer Politik in den letzten Jahrzehnten. Es liegt jetzt auch an uns Christlichsozialen in der Luzerner Partei Die Mitte, für diese Werte beherzt weiter zu kämpfen.

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Ludwig Peyer, alt Kantonsrat (CVP / Die Mitte), Parteisekretär der kantonalen CVP von 1996 bis 2005, Willisau:

Judith Stamm war eine Ausnahmepolitikerin, ihrer Zeit oft voraus, aber nie verbissen, und stets volksnah und debattierfreudig! Gerne erinnere ich mich an ihre Nationalratspräsidentinnen-Feier in Luzern 1996, wo mir so richtig klar wurde, welch grosse Bedeutung Judith Stamm in Bundesbern hatte. Ebenfalls eindrücklich waren ihre Erlebnisse, die sie als damals eine der wenigen Frauen in der damaligen Männerwelt Bundesbern hatte. 

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Damian Müller, Ständerat (FDP.Die Liberalen), Hitzkirch:

Judith Stamm war eine Visionärin. Schon sehr früh hat sie sich für Themen wie die Gleichberechtigung oder den sozialen Ausgleich engagiert. Sie verstand sich dabei als Brückenbauerin, die stets nach den besten Lösungen suchte. Mit ihrer bescheidenen Art und ihrem feinen Humor gelang es ihr, die Menschen für ihre Anliegen zu gewinnen. Wann immer ich mit ihr zu tun hatte – war sie top vorbereitet und brachte konstruktive Ideen ein. Sie wird mir als starke Frau und leidenschaftliche Politikerin in Erinnerung bleiben.

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Marcel Sonderegger, alt Grossrat (CVP / Die Mitte), Oberkirch:

Der Diskurs mit Judith Stamm war herausfordernd. Sie war argumentativ stark. Sie hatte klare Standpunkte und vertrat ihre Werte hartnäckig. Besonders faszinierte mich an Judith Stamm ihr Mut: Mut als Wagemut und Beherztheit. Sie hatte die Entschlusskraft, nach sorgfältigem Abwägen etwas Unangenehmes oder Gefahrvolles zu tun oder zu verweigern. Mut heisst machen, Mut heisst Verantwortung übernehmen und Mut heisst Zivilcourage zeigen. Sie bewies auch Mut als Zivilcourage, sich im alltäglichen politischen Umfeld für die Durchsetzung von Gerechtigkeit und sozialen Normen einzusetzen. Ich erlebte Judith vor Jahren am Runden Tisch der Pro Senectute. Hier brachte sie ihre Argumente klar und deutlich ein und konnte die Perspektiven anderer Teilnehmenden ebenso würdigen.

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Cécile Bühlmann, alt Nationalrätin (Grüne), Luzern:

Judith Stamm war eine Frau, die sich nie gescheut hat, unbequem zu sein. Ihr grösstes und leidenschaftliches Engagement galt der Sache der Frauen. Dafür spannte sie über die Parteigrenzen hinweg mit allen anderen Frauen zusammen, die dieses Engagement mit ihr teilten. Ich war eine von ihnen, unsere politische Zusammenarbeit war sehr eng und vertrauensvoll.

Sei es im Kampf für das Recht der Frauen auf gleichen Lohn, für die Mutterschaftsversicherung, für die Fristenregelung, gegen häusliche Gewalt, wir zogen immer am gleichen Strick! Nun ist die grosse Kämpferin tot!

Am 14. Juli wollten Rosmarie Dormann, Judith Stamm und ich uns zu unserem regelmässigen «alt-NR-Zmittag» treffen. Judith hatte diesen Termin vorgeschlagen, den «14 juillet», wie sie, ganz Poltikerin, sagte. Zum Essen erschien sie nicht mehr, ohne sich abzumelden. Da wusste ich, dass es schlecht um sie steht.

Ich werde sie als bedeutende Frau der Schweizer Frauengeschichte und leidenschaftliche Debattiererin und begnadete Netzwerkerin in bester Erinnerung behalten.

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Konrad Graber, alt Ständerat (CVP / Die Mitte), Kriens:

Ich habe Judith Stamm als senkrechte Politikerin mit Weitsicht und Offenheit für andere Meinungen und Ideen sehr geschätzt. Politisch hat sie nachhaltig Spuren hinterlassen. Sie war als frühere Nationalratspräsidentin breit anerkannt, debattierfreudig und eine sehr gute «Übersetzerin» von politischen Entscheiden.

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Rico De Bona, Kantonalsekretär Die Mitte, früher Sozialvorsteher der Gemeinde Littau und CVP-Grossrat, Luzern:

Judith Stamm hat jederzeit für die Bevölkerung und nicht für die persönliche Karriere politisiert. Als Visionärin war sie der Zeit weit voraus. Sie hatte aber die Gabe, ihre zukunftsweisenden Themen volksverträglich zu erklären. Persönlich durfte ich die Verstorbene über 50 Jahre kennen. Ich konnte sehr viel von ihrer enormen Ausstrahlung und gleichzeitig der grossen Bescheidenheit profitieren. In den letzten Jahren war sie in meiner beruflichen Situation eine wichtige Ratgeberin und eine gute Zuhörerin. Judith Stamm hat mich auch jederzeit motiviert. Sie wird mir, aber auch unserer Partei, fehlen.

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Andreas Iten, langjähriger Zuger Regierungsrat und Ständerat (FDP.Die Liberalen), Unterägeri:

Ich traf Judith Stamm hin und wieder zu einem Gedankenaustausch. Wir beide schrieben Kolumnen für seniorweb.ch. Neben ihrer starken Präsenz in der Politik blieb es immer ein Vergnügen, ihre originellen und erfrischenden Texte zu lesen. Sie zeugten von einer immensen Lebenserfahrung und waren wie ein Spiegel ihres engagierten, reichen Lebens. Es gelang ihr stets, die Dinge auf den Punkt zu bringen und ihre Beiträge bestachen durch die Weisheit ihres Humors. Judith Stamm wird unvergessen bleiben.

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Siehe auch unter «Links», «In Verbindung stehende Artikel» und «Dateien».


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/