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Kolumne der Redaktion

07.01.2022

Das Gebell gegen Ringier-CEO Walder ist verlogen

Das rechtsbürgerliche Dauerfeuer, dem seit Montag das Verlagshaus Ringier ausgesetzt ist, soll aufzeigen wohin es angeblich führen würde, wenn in der Schweiz «Staatsmedien» über Politik berichten. Der Vorwurf ist lächerlich und verlogen. Und er zeigt auf, wovon die Urheber ablenken wollen.


So wettert das Referendumskomitee gegen die Medienförderung, wie sie am 13. Februar 2022 vors Volk kommt. Das Plakat zeigt (von links) die drei Verleger Michael Ringier, Pietro Supino (Tamedia) und Peter Wanner (CH Media) und bezeichnet sie als «Medien-Millionäre». Es unterstellt, sie erhielten «Steuermilliarden», falls die Vorlage angenommen würde.

Das ist sachlich absolut falsch! Und höchst erstaunlich, denn das NEIN-Komitee besteht nicht aus Leuten, die bislang gegen die Interessen des Grosskapitals gekämpft haben.

Bild: Herbert Fischer

Das Verlagshaus Ringier steht seit Tagen unter Dauerbeschuss. Hintergrund ist eine Aussage seines CEO Marc Walder. Er hatte vor einem Jahr an einer Veranstaltung vor Managern kundgetan, die Redaktionen seines Konzerns hätten von ihm die Weisung erhalten, zur Bewältigung der Pandemie beizutragen.

O-Ton Walder: «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind, und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt, auf meine Initiative hin gesagt: Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen».

Siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel» (Einträge vom 3., 4. und 5. Januar 2022).

Die Kritik, die deswegen unablässig auf Ringier-CEO Walder im speziellen und auf das Verlagshaus Ringier insgesamt niederprasselt, ist dort berechtigt, wo sie Länder des Ringier-Marktgebietes betrifft, in denen autokratische Regime herrschen. Die stimmen am 13. Februar allerdings nicht über die Medienförderung in der Schweiz ab.

Bezüglich der Rolle Ringiers in der Schweiz aber hat das rechtsbürgerliche Dauerfeuer alle Proportionen verloren. Und es ist gelinde gesagt verlogen. Die Kernbotschaft dieser Kritik lautet: «Schaut her: So funktionieren Staatsmedien. Das müssen wir am 13. Februar mit einem Nein zur Medienförderung stoppen.» Doch der Reihe nach.

Was Walder vorgeworfen wird, nämlich seine Befehlsausgabe zur «Corona»-Berichterstattung, ist alles andere als ungewöhnlich. Auch wenn andere Verlagshäuser und weitere Medienunternehmen nicht so demonstrativ vorgehen, wie Walder dies getan hat: RedaktorInnen wissen überall sehr genau, «was es leiden mag», wenn sie glauben – gegen wen auch immer – «Vollgas» geben zu müssen. Wer in eine Redaktion eintritt, weiss sehr schnell, wie dort der Wind weht, und leistet eine Art Fahneneid auf deren «publizistische Ausrichtung», wie dies zumeist vornehm (und unverdächtig) heisst.

Wer selber kein heuriger Hase mehr ist und mehrere Jahrzehnte Berufserfahrung in mehreren Redaktionen hinter sich hat, könnte Beispiele zuhauf erzählen, wie dieses «System» funktioniert.

«Könnte» deshalb, weil es sehr aufwändig wäre – und somit letztlich völlig unverhältnismässig – hier derlei Beispiele en détail zu rekapitulieren. Man käme dabei zudem nicht umhin, auch Namen verstorbener AkteurInnen zu nennen; Akteurinnen, die sowohl Täter wie Opfer in üblen Machtspielen waren. Gemein wäre ihnen allen der bittere Befund: «Wer spurt, hats gut. Wer dennoch aufmucken will, muss aufpassen, wie sehr er sich aus dem Fenster lehnt, damit er nicht um seinen Job bangen muss».

Der Verzicht auf die Schilderung konkreter Repressionsfälle macht auch darum Sinn, weil ausführliche Darlegungen Rückschlüsse auf InformantInnen zuliessen. Der Quellenschutz aber gehört zu den eisernen Grundregeln des journalistischen Handwerks.

Feststellen lässt sich aber immerhin Folgendes:

. Auch wenn ihnen der CEO ihres Medienunternehmens nicht befiehlt, welchen Kurs ihr Haus in dieser oder jener Thematik fährt: «Journis» wissen stets sehr wohl, in wessen Sold sie stehen, und damit auch, wie abhängig sie sind; welche konkreten kommerziellen Interessen also ihre Arbeitgeber haben. Ihre Chefs geben ihnen auch ohne konkrete Vorgaben, wie sie Marc Walder formuliert hat, klar zu erkennen, was sie zu tun und zu lassen haben. Dazu ein paar Beispiele.

. In irgendeinem Konflikt ein Unternehmen angreifen, das immer wieder für viel Geld inseriert? «Das kommt so auf gar keinen Fall ins Blatt!»

. Einen Politiker kritisieren, der ein Jagdkollege oder ein Zunftbruder des Hauptschriftleiters ist? «Geht’s Dir eigentlich noch?»

. Schreiben, dass Promi X regelmässig im Rotlichtmilieu verkehrt, vor seinem Elektorat aber immer wieder den Moralapostel gibt und vor Medien und ihren FotografInnen gerne als vorbildlicher Familienvater posiert? «Bist Du wahnsinnig»?

. Als Mitarbeitender und Untergebener als «nicht pflegeleicht» zu gelten, wirkt sich in den allermeisten Fällen belastend auf das Verhältnis zu Vorgesetzen aus. Wer aufsteigen will, ist besser «pflegeleicht».

. Erst recht empfiehlt es sich, gegenüber egomanischen PolitikerInnen immer wieder seine Schleimspur zu legen: Do ut des, ich gebe Dir, damit Du mir gibst. Das meint hier: Obschon ich ausreichend «Munition» gegen Dich parat hätte, verzichte ich auf laute Kritik, erhalte dafür aber bald wieder wertvolle «Geheimtipps» (besser bekannt als «Indiskretionen»). Und selbstverständlich zeigen wir Dich ausschliesslich mit Fotos, die Du auswählst.

. Sehr viele RedaktorInnen haben nicht im Sinn, ein Leben lang bei klassischen Medien zu arbeiten (Print, Internet, Radio, Fernsehen). Sie liebäugeln mit Jobs in der «Unternehmenskommunikation». 

Dort sind ihre handwerklichen Erfahrungen gefragt, weil sie wissen, wie Redaktionen ticken, was sie wollen und was nicht. Und sie verstehen es, mittels wolkiger Formulierungen auch heikle Themen zu verwedeln. Zudem verdienen Journalisten deutlich mehr, wenn sie personell unterbesetzte Redaktionen mit langen und unregelmässigen Arbeitszeiten verlassen und in PR-Stellen von Firmen oder Organisationen anheuern. Wer sich aber den Ruf erschreibt, mitunter widerborstig zu sein, sogar als «links» zu gelten – was immer im Einzelfall das genau sein soll –, ist dort als Mitarbeitende(r) kaum gefragt.

Es liessen sich problemlos weitere solche Mechanismen aufzeigen. Allen gemein ist die Schlussfolgerung, dass es besser ist zu spuren statt anzuecken. «Ja keine “Lämpen” riskieren». Es braucht also gar keine formellen «Weisungen von oben» wie jene von Ringiers CEO Marc Walder betreffs Pandemie.

Zurück zur Causa Marc Walder: Gerade der «Blick» hat seit Beginn der Pandemie mehrere bemerkenswerte handwerkliche Leistungen erbracht, aus denen keineswegs erkennbar ist, dass seine MacherInnen vor der Landesregierung, insbesondere vor SP-Bundesrat Alain Berset, in Ehrfurcht erstarrt wären. Man kann nun daraus ableiten, Marc Walders Stallorder habe nicht das erreicht, was er gewollt habe. Doch wer sein Votum genau liest, sieht ohnehin keine Hinweise, dass er ein unkritisches, ja gar devotes Handling des Themas Pandemie «befohlen» hätte.

Das Geschrei über Marc Walders zwar dümmliche, aber keineswegs erstaunliche Aussage ist allerdings auch aus ganz anderen Gründen Lug und Trug. Und vor allem eine bewusste Irreführung durch Gegner der Vorlage über die Medienförderung, über die am 13. Februar abgestimmt wird.

Markus Somm, der von Christoph Blocher als Chefredaktor der «Basler Zeitung» installiert worden war und es dort fertigbrachte, deren Auflage innert kurzer Zeit zu halbieren, hat das Video mit Marc Walders Aussage mittels seines «Nebelspalters» öffentlich gemacht. Zwar ist dieses Video bereits fast ein Jahr alt. Aber ausgerechnet jetzt taucht es auf, rechtzeitig also zum Auftakt der Abstimmungskampagnen zu besagtem Paket, mit dem der Bund die Medien finanziell unterstützen will.

Am 2. Januar 2022 veröffentlichte der «Sonntagsblick» einen Kommentar von Chefredaktor Gieri Cavelty. Darin enthüllt er, dass die «Weltwoche» allein vom Oktober 2020 bis September 2021 vom Bund «indirekte Presseförderung» von 355 000 Franken erhalten hat!

Herausgegeben wird dieses Magazin von SVP-Nationalrat Roger Köppel. Er behauptet, das Medienförderungspaket führe zu «Staatsmedien». Sollte seine Logik tatsächlich zutreffen, wäre also ausgerechnet seine «Weltwoche» genau dies längst. Er erwähnt das allerdings nirgends! Warum wohl?

Doch es kommt noch dicker!

Absolut entlarvend für die Verlogenheit, mit der Köppel (und Markus Somm) gegen die Medienförderung wettern, ist, was Constanin Seibt im «Tagesanzeiger» vom 27. April 2016 berichtet hat, nämlich wie unterwürfig sich diese beiden Herren bei Inserenten andienen.

Siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel» (Eintrag vom 26. April 2016).

Fazit: Es stört Köppel und Somm also mitnichten, von Inserenten abhängig zu sein. Sie schämen sich auch nicht, sich ihnen gegenüber offen zu prostituieren.

Verstärkt aber der böse Staat die Subventionierung der Medien (wovon bislang auch die «Weltwoche» profitiert hat), und finanziert er fortan die wichtige Journalistenausbildung mit, auch den Presserat sowie den Betrieb von Onlineportalen (wie all dies die Vorlage vom 13. Februar vorsieht), dann schreien sie: «Staatsmedien».

Es ist offensichtlich, dass dieser Angriff auf Marc Walder nichts anderes ist eine ziemlich billige Anti-Ringier-Attacke. 

Man sollte im Vorfeld der Abstimmung vom 13. Februar immer wieder auf diesen entlarvenden Widerspruch hinweisen.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Mitunterzeichner des Abstimmungsaufrufs des Komitees medienvielfalt-luzern.ch, Luzern

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Falls das Medienpaket am 13. Februar 2022 angenommen werden sollte, erhält lu-wahlen.ch keine Bundessubventionen, weil dieses Portal kostenlos zugänglich ist.


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/