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Kolumne der Redaktion

04.07.2021

Die Fussballeuphorie ist ein Spiegelbild des Menschen

Als Fussballfan würde ich mich auf keinen Fall bezeichnen. Trotzdem konnte ich es am Freitagabend (2. Juli) nicht unterlassen, die Übertragung des beinahe unerträglich spannenden Matches Schweiz-Spanien anzuschauen. Nachträglich frage ich mich, warum mich dieses Ereignis derart in seinen Bann gezogen hat.


Schon nach dem Spiel vom Montagabend (28. Juni), in dem die Schweiz Frankreich besiegte und sich für den Viertelfinal qualifizierte, zeichnete sich ab, dass sich die Stimmung unter Schweizer Fans in der nächsten Begegnung noch um eine Stufe steigern könnte.

Was denn auch am folgenden Freitag prompt der Fall war, wie Hans Widmer im Text links ausführt.

Diese Aufnahmen entstanden in der und vor der «Zentralbar» an der Zentralstrasswe 10 in Luzern.

Bilder: Herbert Fischer

Waren es die farbenfrohen Bilder von den beiden Mannschaften auf dem Rasen? War es die Tribüne mit den wegen «Covid 19» bloss 25 000 Zuschauern? Waren es die Reporter, die – sei es für die Schweiz, oder sei es, wenn ich für einige Minuten auf den spanischen Sender swichte – mehr oder weniger wortreich und leidenschaftlich den Spielverlauf kommentierten?

Welche Gegebenheiten mich derart elektrisierten und meine Gefühlstemperatur in die Höhe trieben, kann ich nicht sagen. Aber eines ist sicher: Ab der zweiten Spielhälfte und dann erst recht während der Verlängerung und dem Penaltyschiessen stiegen bei mir Nervosität und Fussballfieber ganz bedenklich.

Allerdings weniger dramatisch als beim masslos fanenden Jurassier Luca Loutenbach, dessen leidendes und jubelndes Konterfei innert Stunden viral ging und damit der anonymen Fankultur ein Gesicht gab (siehe unter «Links»).

Offensichtlich gelingt es dem Fussball auf allen Stufen, besonders aber auf der Ebene des mediatisierten Spektakels bei internationalen Turnieren, alle Beteiligten aus der Reserve zu locken. Es wird jeweils für Stunden eine attraktive Blase in die reale und vor allem auch in die virtuelle Welt gesetzt.

In ihrem Innern können sich die verschiedensten Akteure inszenieren; insbesondere die hochprofessionalisierten Nationalmannschaften mit ihren Fans; die Organisationen, welche sich um die Infrastrukturen kümmern; die Sponsoren mit ihren wirtschaftlichen Interessen; und last but not least die anonymen Zuschauer:

Ein umfassender Performance-Raum – einem Riesenzelt gleich – wird physisch und virtuell herbeigezaubert, in dem alle Eintretenden auf je ihre Weise vor allem emotional wie von einem mächtigen Gebläse angezogen werden.

Selbstverständlich ist diese Blase kein «Halleluja-Zelt» oder eine Sonntagsschule, denn die Motive der Performer rangieren nicht immer ganz oben auf der Skala der höchsten Werte und Tugenden.

Oder sind etwa nationalistische Gefühlsausbrüche, Agressionen bei den Spielern, Gewinnsucht bei Mannschaftsmanagern und Sponsoren anzustreben?

Wohl kaum. Und dennoch ist das Ganze mehr als ein blosses Ventil, um Dampf abzulassen oder dem wenig spannenden Alltag zu entfliehen; es ist ein Spiegelbild des Menschen, der so vieles in einem ist. Ein Gemeinschaftswesen und gleichzeitig ein auf seinen Vorteil gehender Kämpfer. Wenn es – und sei es auch nur für einige Wochen – einem Event gelingt, eben diesen Menschen im Scheinwerferlicht des Spielerischen performen zu lassen, dann ist das doch schon allerhand.

Nur Todernst kann Kriegsstimmung heraufbeschwören. Spiel bringt zwar nicht von selbst Frieden, aber es schafft die dazu dringlich notwendigen Freiräume. Es lebe der spielerische Umgang mit dem Ernst.  

Hans Widmer, früherer Lehrer für Philosophie- und Spanischunterricht an der Kanti Alpenquai, alt SP-Nationalrat, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/