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Kolumne der Redaktion

18.06.2021

SP-Präsident Yannick Gauch gesteht Fehler ein

Unerwartet hat die Stadt Luzern am Sonntag (13. Juni) das neue Parkplatzregime abgelehnt. Es trug die Handschrift der SP und der Grünen und ist vors Volk gekommen, weil FDP, CVP, SVP und Grünliberale sowie weitere Organisationen dagegen das Referendum ergriffen hatten. SP-Co-Präsident Yannick gesteht Fehler und Schwächen der Vorlagen und der Kampagne dafür ein.


Yannick Gauch (*1994) ist - zusammen mit Kantonsrätin Simone Brunner - seit 2020 Co-Präsident der SP Stadt Luzern. Er vertrat von 2016 bis 2020 die JungsozialistInnen im Grossen Stadtrat, seither ist er Grossstadtrat der SP. Gauch ist selbständiger Grafiker.

Bild: Herbert Fischer

Herbert Fischer: Yannick Gauch, die SP hat letzten Sonntag eine unerwartete Niederlage erlitten. Haben sie die Opposition gegen das Parkplatzregime, wie es ihre SP und die Grünen am 4. März im Grossen Stadtrat verschärft haben und wie es nun an der Urne gescheitert ist, unterschätzt? Haben sie diese Abstimmung als Sonntagsspaziergang verstanden und auf die leichte Schulter genommen?

Yannick Gauch: Die Verbesserungen, wie wir sie wollten, sind offensichtlich nicht so in der breiten Bevölkerung angekommen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Es kann also durchaus sein, dass wir unterschätzt haben, welche Dynamik die Kampagne der bürgerlichen Opposition annehmen würde.

Vielleicht hätten unsere Verbesserungen flankierende Massnahmen beinhalten sollen, wie beim «CO2-Gesetz». Dass der Preis für die Parkierungskarte pro Jahr von 600 auf 800 Franken hätte erhöht werden sollen, ohne eine Komponente des sozialen Ausgleichs zu umfassen … – das hat was. Daraus müssen wir tatsächlich Lehren ziehen.

Genau aber ein Sonntagsspaziergang hätte dieser Abstimmungstag werden können, wenn wir die Resultate betrachten, welche die drei umweltpolitischen Bundes-Vorlagen in der Stadt Luzern erreicht haben. Konkret: In der Stadt Luzern erreichte das «CO2-Gesetz» 66,58 Prozent Ja-Stimmen, gesamtschweizerisch jedoch nur 48,4 Prozent. Die «Pestizid-Initiative» kam in Luzern auf 55,28 Prozent im Bund jedoch nur auf 39,4 Prozent Ja-Stimmen. Und der «Trinkwasser-Initiative» stimmten in Luzern 50,81 Prozent zu, im Bund hingegen 39,3 Prozent.

Das zeigt deutlich: Luzern hat am letzten Sonntag «ziemlich grün» abgestimmt, allerdings bei den eidgenössischen Vorlagen. So gesehen hätte ein enormes Sympathiepotential auch für die beiden Vorlagen des Grossen Stadtrates über die Parkplätze aktiviert werden können. Sie hätten – in dieser Logik – vom Souverän fadengerade durchgewinkt werden müssen.

Yannick Gauch: Das stimmt. Und wie ja auch lu-wahlen.ch kürzlich deutlich aufgezeigt hat, folgt die Stadtbevölkerung bei verkehrspolitischen Vorlagen fast immer Rot-grün. Wir haben bei Umwelt- und Verkehrsthemen also eine hohe Glaubwürdigkeit (Anmerkung der Redaktion: siehe unter «In Verbindung stehende Artikel», Eintrag vom 9. Juni 2021).

Ein zentrales Problem dieser beiden Parkplatz-Vorlagen lag eindeutig darin, dass sie relativ kompliziert sind; im Unterschied etwa seinerzeit zur «Inseli-Initiative» der JungsozialistInnen (2017) oder zur Initiative der SP für die autofreie Bahnhofstrasse (2013), die beide ganz klare Forderungen beinhalteten.

Ich glaube zudem, dass sich sehr unterschiedliche Nein-Argumente kumuliert haben. Es ging ja auch tatsächlich um ein ganzes Massnahmen-Paket und nicht allein um die Preiserhöhung bei der Jahreskarte von 600 auf 800 Franken.

25 Prozent Preiserhöhung ist ja tatsächlich viel.

Yannick Gauch: Wenn man den Betrag für sich allein betrachtet und nicht verortet, ist das so. Ich habe aber im Vorfeld der Abstimmung mehrmals darauf hingewiesen, dass bisher für eine Belegung von 10 Quadratmetern des öffentlichen Grundes während 24 Stunden CHF 1.65 zu bezahlen waren, neu wären es CHF 2.20 gewesen. Eine solche Erhöhung wäre durchaus gerechtfertigt.

Das ist ein sehr einleuchtendes Argument. Ich habe es allerdings so nirgends gelesen. Und zwar, weil die SP und die Grünen geglaubt hatten, sie müssten sich für die Parkplatz-Vorlagen nicht gross ins Zeug legen.

Yannick Gauch: Diese Berechnung auf den Tag wurde zu wenig gehört oder von uns zu wenig offensiv ins Feld geführt. CHF 2.20 pro Tag wären aber durchaus berechtigt.

Rückblickend müssen sich SP und Grüne selbstkritisch schlicht und ergreifend fragen, ob sie «das Fuder überladen» haben mit ihren Verschärfungen der Parkplatz-Vorlagen im Stadtparlament, die sie, Herr SP-Co-Präsident und Grossstadtrat Yannick Gauch, hier schlitzohrig als «Verbesserungen» bezeichnen.

Yannick Gauch: Vielleicht wollten wir zuviel, das mag sein. Aber für die SP ist klar, dass wir die klimapolitischen Ziele der Stadt Luzern erreichen wollen. Unsere Forderungen im Parkplatzreglement wäre ein Teil davon gewesen.

Sie hatten das Momentum auf Ihrer Seite. Aber sie haben nichts daraus gemacht. So ist es doch.

Yannick Gauch: Wir haben eine gute Kampagne gegen eine sehr finanzstarke Gegenkampagne auf die Beine gestellt. Bis zuletzt haben wir versucht unsere Argumente und Beweggründe an die Bevölkerung zu tragen. Leider ist uns dies nicht ausreichend geglückt.

Welche konkreten Lehren ziehen Sie aus dieser Niederlage vom 13. Juni 2021?

Yannick Gauch: Es ist immer schwierig eine Abstimmung zu gewinnen, wenn das Ziel ist, dass die Leute mehr zahlen müssen. Nochmals: Die Preiserhöhung hätte mit einem Sozialausgleich abgefedert sein müssen. Zudem war nicht klar, was mit den zusätzlich generierten Abgaben gemacht wird. Man hätte die Gelder für ökologische Projekte nutzen und das auch so kommunizieren sollen; sodass den Leuten klar ist, was mit den zusätzlichen Einnahmen gemacht wird.

Gegner der Parkplatzvorlagen spotteten, sie seien dank der «linken Arroganz» im Grossen Stadtrat verschärft worden. Das hat was.

Yannick Gauch: Das hat nichts mit Arroganz zu tun sondern schlicht mit neuen Mehrheitsverhältnissen. Die bürgerlichen Parteien haben über Jahrzehnte die Politik in der Stadt Luzern geprägt und ihrerseits ihre Projekte vorangetrieben. Die Bevölkerung hat sich aber bei den letzten Wahlen für einen Richtungswechsel hin zu einer ökologischeren Politik entschieden. Dem tragen wir Rechnung und politisieren für eine soziale und nachhaltige Stadt Luzern. Für diese Politik wurden wir gewählt und dafür übernehmen wir Verantwortung.

Interview: Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/