Luzerner Komitee will das «C» behalten und wehrt sich gegen neuen Namen «Die Mitte»
In der Luzerner CVP bündelt und formiert sich der Widerstand gegen die Streichung des «C» aus dem Parteinamen. Und erst recht dagegen, dass die Partei sich zwecks Fusion mit der BDP fortan «die Mitte» nennen soll. Heute Freitag (25. September) hat sich im «De la Paix» eine Gruppe den Medien präsentiert, die am «C» festhalten will.

Sie wehren sich dagegen, dass auch die Luzerner CVP ihren Markenkern aus ihrem Namen streicht und sich fortan «die Mitte» nennt. Heute Freitagvormittag (25. September) traten sie deswegen vor den Medien auf.
Bäuerin und Grossstadträtin Agnes Keller (Luzern / Littauerberg).

Kommunikationsfachmann Albert Schwarzenbach, während 13 Jahren MItglied des Grossen Stadtrates, 2019 / 2020 dessen Präsident und damit protokallarisch «höchster Luzerner» (Luzern).

Psychologe Dr. Marcel Sonderegger, Altgrossrat und während mehrerer Jahre Präsident der CVP-Wahlkreispartei Sursee (Oberkirch).

lic. iur. Stephan Buhofer, Rechtsanwalt (Luzern).
Bilder: Herbert Fischer
Albert Schwarzenbach sagt, das neu gegründete Komitee wolle Leuten, die für das «C» im Namen ihrer Partei einstehen, eine Heimat geben. Weil die CVP Schweiz die Urabstimmung so kurzfristig angesetzt habe, «kommen wir mit unseren Argumenten relativ spät. Aber wir kommen noch rechtzeitig, um den Parteimitgliedern und Sympathisanten mitzuteilen, dass wir am „C“ festhalten wollen und den neuen Namen „die Mitte“ ablehnen», sagte Albert Schwarzenbach soeben vor den Luzerner Medien.
Im Komitee seien im Moment rund 30 Mitglieder. Und es würden täglich mehr. Die Palette reiche von alt Regierungsrat Klaus Fehlmann bis zu Daniela Merkel, Präsidentin des Kantonalverbands des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds, von alt Nationalrat Pius Segmüller bis zu Gemeinderat Hans-Ruedi Jung aus Horw.
Wenn die Mehrheit in der Ur-Abstimmung in der nationalen CVP das «C» streichen und den neuen Namen «die Mitte» einführen will, hält das heute vorgestellte Luzerner Komitee einen Plan B bereit. Albert Schwarzenbach: «Unsere Partei soll in diesem Fall „CVP Luzern – die Mitte“ heissen. Genau mit diesem Namen ist die Aargauer Kantonalpartei jetzt in die Wahlen gestiegen.»
Hier folgen die Voten, welche die Komitee-Vertreter an der heutigen Medienkonferenz abgegeben haben.
Albert Schwarzenbach, alt Grossstadtrats-Präsident, Luzern:
Ich bin im Jahr 1984 aus Bern nach Luzern gezogen und gehöre der evangelisch-refomierten Kirche an. Als ich mich in der Politik engagieren wollte, sprach ich mit drei Parteien, bevor ich mich für eine entschied. Es war die CVP.
Ausschlag gab ein unerwarteter Todesfall in unserer Familie. Die CVP-Parteileitung der Stadt Luzern erfuhr es, kondolierte prompt, handschriftlich und sehr einfühlend. Da wusste ich: In diese Partei will ich. Mein erster Auftritt war im Rahmen des Erneuerungsprozesses der CVP. An der Startsitzung hörte ich zu, bis ich das Gefühl hatte, jetzt auch etwas sagen zu wollen. Ich fasste Mut und äusserte mich in meinem schönsten Berndeutsch.
Wir hören uns zu, wir suchen Lösungen. Ich stehe zu den Werten, die diese Partei vertritt. Es geht nicht nur um Sachpolitik, sondern auch um Haltungen, die hinter den Entscheiden stehen, um Werte
wie Solidarität und Menschenwürde.
Ich habe die Partei 13 Jahre im Luzerner Stadtparlament vertreten. Im letzten Jahr war ich Ratspräsident. Ich war stolz, als Mitglied der CVP für eine weltoffene Stadt einzustehen, in der auch Minderheiten einen Platz haben. Das «C» in CVP ist unser Alleinstellungsmerkmal. Es unterscheidet uns von allen anderen Parteien. Es gibt uns die Identität, den Kompass. Wir sind nicht die Partei einer Kirche oder einer Religion, sondern sind offen für alle Menschen, die unsere Werte teilen. Der Name soll unser Programm sein – wir dürfen dazu stehen.
«Die Mitte», der neue Name, den die CVP Schweiz möchte, sagt nichts aus, macht alles möglich und doch nichts, ist kaum ein Marketingargument. Was wir dagegen brauchen, ist ein klares Profil und eine Politik, die nahe bei den Menschen ist. Dafür treten wir an.
Agnes Keller, Grossstadträtin, Luzern:
Albert Schwarzenbach hat es gut getroffen, das «C» gibt uns eine Identität: Das «C» hat auch für mich nichts mit einer Konfession zu tun. Das «C» beinhaltet für mich christliche Werte wie Toleranz, Vertrauen, Achtung vor den Mitmenschen und der ganzen Umwelt. Diese Grundwerte sollen für mich weiterhin die Basis für unsere Partei sein.
Das «C» stellt schon hohe Ansprüche an seine Träger. Man wird oft darauf angesprochen, ob die eigene Meinung sich mit dem «C» verträgt. Man muss sich selbst an der Nase nehmen und sich den Spiegel vorhalten. Das ist aber auch unsere Partei, die CVP, die das auch zulässt. So sind und bleiben wir unverkennbar. Wir müssen uns absolut nicht für das «C» schämen und rechtfertigen.
Ich habe mich dem Komitee angeschlossen, weil es mir wichtig ist, darüber zu diskutieren und zu zeigen, dass es auch Parteiträger gibt, die sich für die CVP und diesen Namen einsetzen.
Marcel Sonderegger, alt Grossrat, Oberkirch:
Der vorgeschlagene Parteiname kann die Identität der Partei nicht ausdrücken: «Die Mitte» ist kein Label, keine Marke, kein Alleinstellungsmerkmal. Ist eher ein Sachbegriff. «Mitte» wird von den Polen her bestimmt und kann niemals Programm sein.
Für einen Leserbriefschreiber in der «LZ» ist «Die Mitte» sogar «wie ein abgelaufener Sommerpneu». Mitte ist nichtssagend und austauschbar. Der Name vermittelt weder Inhalte noch Werte noch Emotionen. Die Mitte gemahnt an eine Partei mit Wasser in den Adern.
Warum wurden nicht zusammen mit der Namensänderung Inhalte, Programme, Grundhaltungen diskutiert, überarbeitet und Vorschläge vorgelegt?
Parteipräsident Gerhard Pfister erwartet für 2027 möglicherweise gar einen zweiten Bundesratssitz. Ist diese Prognose realistisch oder eher abenteuerlich! Das CVP-Präsidium erwartet, dass eine Fusion mit der BDP in den Kantonen Bern, Zürich, Aargau und Waadt Gewinne einbringen könnte. Andererseits erachten verschiedene Kommentatoren die BDP als «abserbelnde» Partei, die kaum eine Zukunft hat. Für diese «Heirat» das C zu streichen – das nicht ein hoher Preis!
Klar ist: Gerhard Pfister und das CVP-Präsidium gehen ein hohes Risiko ein. Ist es der Mut der Verzweiflung?
Im «CVP aktuell» der CVP Kanton Luzern (Nr. 3/2020) wird die kontinuierliche Abwärtsbewegung der CVP vor allem «dem C» zugeschrieben. Einzelne CVP-Exponenten aus dem Kanton Luzern, die sich noch vor wenigen Wochen klar für die Beibehaltung des «C» ausgesprochen hatten, sind nun offenbar vor dem Druck aus Bern eingeknickt.
Ich sehe in den folgenden «Thesen zu Grundhaltungen / Strategien» bei der CVP Schweiz Defizite, die für den Wählerschwund mitverantwortlich sein können:
. Mehr Themenführerschaft in wenigen Dossiers und diese von Beginn an
mit Wertediskussion führen. Und:
. Klare Botschaften, klare Positionen, entschiedener, schlagkräftiger, mit Ecken und Kanten auftreten und Themen früh besetzen. Die Balance zwischen «Brückenbauerin» und Partei, die klare Positionen hält, aushalten.
Alt Bundesrat Arnold Koller sagte: «Wenn wir uns stets erst am Ende eines politischen Prozesses auf die eine oder andere Seite schlagen, bekommen wir den Stempel einer „Wischi-waschi-Partei“. Deshalb müssen wir am Anfang politischer Prozesse eigenständige Positionen einnehmen.»
. Kongruenz zwischen Werten, Grundsätzen und Alltagspolitik.
Seit längerer Zeit politisiert die CVP zu wenig nah an den «C-Inhalten».
Positionen der CVP-Fraktion in Bern in sensiblen Bereichen werden aber von der Öffentlichkeit am «hohen C» gemessen: Atomenergie, Waffenausfuhr, Fortpflanzungsmedizin, Asylpolitik, Konzernverantwortungs-Initiative, Palliative care, Biodiversität, Umwelt / Klima, und anderes mehr. Auch andere Parteien werden an ihren Massstäben gemessen: etwa sozial, grün, liberal.
Stephan Buhofer, CVP Mitglied, Luzern:
Den Namen Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz (CVP) trägt die Partei seit 1970. Zuvor hiess sie seit 1957 Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei und bis zu diesem Zeitpunkt seit der nationalen Gründung 1912 Konservative Volkspartei. Jeder wusste jedoch 1912, dass damit die Katholisch-Konservativen gemeint waren. Der Begriff christlich war also nicht immer Teil der Bezeichnung, aber des Wesens der Partei, und dies seit ihren Anfängen 1840 vor dem Sonderbundskrieg. Die Bewegung reiht sich zudem in eine Gruppe europäischer christlichdemokratischer Parteien ein, wie die CDU in Deutschland.
Wir blicken also auf eine lange Tradition zurück. Den Namen in der heutigen Zeit zu ändern, ohne den Charakter der Partei zu verlieren, ist schwierig. Mit der Bezeichnung «die Mitte» jedenfalls wird in keiner Weise an ihre 180-jährige Tradition angeknüpft: Dieser Name verweist zwar auf eine von der Partei öfters eingenommene Position im Parteienspektrum, gibt aber jegliche Inhalte auf. Folgende Argumente werden dafür ins Feld geführt:
«Der Name „die Mitte“ wird neue Wähler anziehen, die mit dem „C“ Mühe haben. Er bewahrt die Partei vor dem Niedergang.»
Entgegnung: Ein Argument, welches nicht mit dem jetzigen Wesen der Partei vereinbar ist. Diese bestand seit jeher aus Menschen, welche sich für christliche Werte eingesetzt haben. Es ist an den Wählern, das zu unterstützen oder nicht, aber nicht an der Partei, sich hier den Wählern anzupassen. Denn in letzterem Falle löst sie sich faktisch selbst auf. Wenn christliche Werte heute nicht mehr wählbar sind, dann wäre das gerade für diese Partei ein Grund mehr, sich dafür einzusetzen. Gewählt zu werden um seiner selbst willen sollte nicht das Ziel einer Partei sein, sondern gewählt zu werden, um eine Idee, ein Programm zu verwirklichen. Das fehlt beim Namen «die Mitte».
«Die Werte bleiben, es ändert nur der Name.»
Entgegnung: Die Partei würde unter dem Namen «die Mitte» ganz andere Menschen anziehen als heute. Ihr Charakter wäre damit zwangsläufig einer Änderung unterworfen und sie würde bald nichts mehr mit der jetzigen Partei gemeinsam haben. Sie würde sich allein über ihre Funktion als Vermittlerin im politischen Spektrum definieren. Dies kommt einer inhaltlichen Positionslosigkeit gleich, welche weit entfernt ist von der Bedeutung des jetzigen Namens. Von einer Wertepartei mit gewissen Überzeugungen, als was sie bis anhin galt, bleibt dann nichts mehr übrig. Zudem besteht die Gefahr, nur von unentschiedenen Wechselwählern unterstützt zu werden.
«Religion ist eine private Angelegenheit und es sollte damit nicht Politik gemacht werden».
Entgegnung: Ja, aber. Es stimmt, Religion und Politik sind zwei unterschiedliche Dinge, und gute Christen gibt es in jeder Partei. Aber die CVP ist nun einmal historisch mit der Religion als Erkennungsmerkmal verbunden. Sie setzt damit bis heute ein Zeichen in der Parteienlandschaft und behält gerade in der zunehmend säkularisierten Gesellschaft ihre Existenzberechtigung. Die CVP macht auch nicht mit der Religion Politik, sondern sie spricht sich auf diese Weise für eine gewisse Orientierung aus, für gewisse Wertvorstellungen.
Fazit: Die CVP ist eine bürgerliche Partei, die aber mit dem christlichen Gedankengut auch einen sozialen und revolutionären Einschlag hat. Eine manchmal schwierige, aber sehr interessante Kombination. Nimmt man ihr den Namen, nimmt man ihr die Identität. Die CVP hat einmal Traditionen verteidigt, aus Überzeugung und unabhängig davon, ob das anderen gepasst hat. Eine bewahrende, wertkonservative Kraft christlicher Ausprägung braucht es gerade in der heutigen Zeit des raschen Wandels und des Werterelativismus. Die Partei könnte in dieser Hinsicht eine wichtige ausgleichende Rolle in der modernen Gesellschaft spielen, wenn sie das entsprechende Rückgrat hat und nicht nur die Wählergunst im Auge.
Mit dem vorgeschlagenen Namen passt sich die CVP dem Zeitgeist an und verliert damit den Anspruch auf eine solche Funktion. Der Namenswechsel läuft gemäss der hier vertretenen Sichtweise auf die Abschaffung der CVP und Gründung einer neuen Partei hinaus.
(red)