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Was der Regierungspräsident an der Première von Edwin Beelers Film «Hexenkinder» sagte
Gestern Sonntag (13. September) erlebte im «Bourbaki» Edwin Beelers beklemmender Film «Hexenkinder» seine Première. Vorher überbrachte Reto Wyss in seiner Funktion als Regierungspräsident ein Grusswort. Dessen Wortlaut ist hier zu lesen.
Das Schauen von Filmen im Kino – oder zuhause – verbindet Menschen, … die sich mögen, … … sich näher kennenlernen wollen, … … oder die in ihrer freien Zeit Freude am Film als Kulturerlebnis haben.
Das Medium Film kann auch Menschen verbinden, die sich bisher nicht so genau gekannt haben.
Das trifft auf Edwin Beeler und mich zu.
2017 durfte ich als Präsident der Innerschweizer Kulturstiftung Edwin Beeler den Innerschweizer Kulturpreis für sein filmisches Schaffen überreichen.
Das war für uns beide nicht nur ein «offizieller Akt» – «und tschüss». Nein, an dieser Verleihung haben wir uns persönlich besser und näher kennengelernt und – ich darf sicher von meiner Seite sagen – schätzen gelernt.
Deshalb nehme ich sehr gerne meine Rolle als Vertreter des Kantons Luzern für einige Worte der Würdigung wahr. Diese Anfrage hat mich gefreut.
«Filme verbinden» – was sie als Medium betrifft.
Geht es um den Inhalt. So gibt es bei Filmen – ganz rudimentär gesagt – zwei Arten. . Filme, die unterhalten … und . Filme, die dokumentieren, anregen, provozieren.
Das filmische Schaffen von Edwin Beeler gehört eindeutig in diese zweite Kategorie.
Dies von allem Anfang an. Mit seinem Erstling, dem Film «Rothenthurm – bei uns regiert noch das Volk», setzte er einen starken Markstein für sein ganzes Schaffen.
«Rothenturm» war ein sogenannt «anwaltschaftlicher Film». Der Film hat sorgfältig die Hintergründe und Entwicklungen des Widerstandes gegen den Bau des Waffenplatzes im Hochmoor aufgearbeitet. Als Dokumentation, aber nicht nur: Edwin Beeler hat Stellung bezogen. Eben, «typisch Beeler».
Noch etwas Anderes ist «typisch Beeler». Er arbeitet stark mit Landschaften. Im doppelten Sinn. Mit Natur-Landschaften und mit Seelen-Landschaften.
So gesehen schliesst sich eigentlich der Kreis: «Hexenkinder» arbeitet mit Landschaften,
Seelenlandschaften und der Film ist ein klares Statement.
Damit komme ich zum neuen Werk «Hexenkinder». Die Geschichte von zwangsversorgten Heimkindern, die gequält, mundtot gemacht und stigmatisiert wurden – eben Hexenkinder – berührt unangenehm, macht einem sprachlos.
Der Film nimmt die Perspektive der damaligen Kinder ein – der Opfer, was sie durchlitten und mit welcher Kraft sie ihr Schicksal gemeistert haben. Viele von ihnen wurden im Namen der Religion misshandelt, teils missbraucht – von Angehörigen beider Konfessionen, überall in der Schweiz.
Das grosse Verdienst von Edwin Beeler ist auch in diesem Film nicht nur die Dokumentation eines traurigen Kapitels unserer eigenen Geschichte.
Ganz im Beeler-Stil nicht dozierend, nicht belehrend, nicht verurteilend – sondern glaubwürdig, authentisch, berührend.
Dies gelingt ihm vor allem mit der Arbeit mit Zeitzeugen, Betroffenen, die diesem gewalttätigen System ausgeliefert waren und die heute noch unter uns leben und bereit waren, darüber im Film zu berichten.
Diese Frauen und Männer begrüsse ich ganz herzlich hier unter uns Marie-Lise Birchler, Sergio Devecchi, Anne-Marie Iten-Kälin, Pedro Raas sowie die Brüder Willy und Michel Mischler – wobei sich MIchel Mischler entschuldigen musste. Ihnen gebühren hoher Respekt und Wertschätzung für Ihre Bereitschaft, diese Geschichte zu verarbeiten und damit einen Beitrag zu leisten, ein dunkles Kapitel unserer Zivilisationsgesellschaft zu dokumentieren und dafür zu sorgen, dass es nicht in Vergessenheit gerät.
«Typisch Beeler» ist auch hier seine anwaltschaftliche Position. Beelers Anliegen ist: keinesfalls dürfen ihre leidvollen Erlebnisse relativiert werden. Was geschehen ist, darf nicht unter den
Teppich gekehrt werden. Deshalb ist es wichtig, Erinnerungskultur zu pflegen, ein historisches Bewusstsein zu entwickeln und auf die Geschichtsvergessenheit unserer Zeit hinzuweisen.
Bevor wir den Filmemacher und die Crew 1:1 hören, möchte ich auf den eingangs geäusserten Gedanken «Filme verbinden» zurückkommen.
Von Mitte 2020 bis Mitte 2021 darf ich der Regierung turnusmässig als Präsident vorstehen.
Mein Motto als Regierungspräsident, das ich gemeinsam mit der Kantonsratspräsidentin festgelegt habe, heisst «Luzern verbinden». Damit möchte ich einen Kontrapunkt zur heutigen gesellschaftlichen Tendenz des Abschottens und Abgrenzens setzen. Filme sind ganz gewiss ein Mittel, das verbindet. Eben, wie erwähnt Menschen, aber auch Themen, Generationen, Entwicklungen.
Lieber Edwin, ich wünsche Dir viel Kraft für weitere Filme, die wir hoffentlich von Dir erwarten dürfen.
Besten Dank.
Regierungspräsident Reto Wyss, Luzern
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Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.
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Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer: www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/ |