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Kolumne der Redaktion

09.08.2020

Marktfahrer und Schausteller haben heuer noch keinen roten Rappen verdient

Die Marktfahrer und Schausteller haben es kommen sehen. Jetzt aber sitzt der Schock trotzdem tief. Seit dem 31. Juli wissen sie, dass die «Määs» auf dem Inseli 2020 definitiv nicht stattfindet. Michael Haegeli (48), dessen Familienunternehmen in dritter Generation sündhaft süsse Leckerbissen verkauft, ist einer der Betroffenen.


Michael Haegeli führt in dritter Generation die Haegeli AG, die schweizweit Magenbrot, gebrannte Mandeln, Caramel und türkischen Honig verkauft.

Bilder: Herbert Fischer

Seit die LUGA 2020 wegen «Corona» abgesagt werden musste und auch mehrere Sommerfeste dem heimtückischen Virus zum Opfer gefallen sind, rechneten sie mit dem Schlimmsten. Sie, die mit ihren Riesenrädern, «Putschi-Autos», Geisterbahnen, Gemüseraffeln, Fusscrèmen und allerlei Nützlichem – allerdings auch Überflüssigem und Unnützem – heuer noch keinen roten Rappen verdient haben. Auch mit Magenbrot, Caramels und gebrannten Mandeln nicht, den Evergreens, welche Michael Haegeli feilbietet.

«Das tut tief im Herzen weh», klagt Michael Haegeli, wenn er auf die katastrophale Kunde vom heurigen Totalausfall angesprochen wird. Denn seit Kindsbeinen ist er an der Herbstmesse auf dem Inseli dabei. Anfänglich als jugendlicher Helfer nach dem Schulunterricht und in den Herbstferien, in welche das überaus populäre Ereignis jeweils terminlich fällt. Michaels Freude an dieser Aufgabe muss besonders intensiv gewesen sein. Denn nach der Malerlehre entschied er sich – «ohne irgendwelchen Druck seitens der Eltern» – den bereits damals gut positionieren Namen Haegeli, der längst zur Marke geworden war, in die Zukunft zu führen. Dafür hatten seine Eltern Erwin und Eva Haegeli gesorgt, denen Grossvater Willi Haegeli und Grossmutter Teresina eine florierende Firma hinterlassen hatten.

Inzwischen ist seit fast 25 Jahren er Inhaber der Haegeli AG. Seine Augen leuchten und auch seine Stimme verrät Stolz, wenn er seine Geschichte erzählt. Er ist auf dem Inseli also sozusagen aufgewachsen und wenn «z Lozärn Määs» ist, kehrt er «gewissermassen nach Hause zurück».

Mehr Verwurzelung geht wohl kaum.

Dies ist hier darum der Rede wert, weil Haegeli sein Business mit soviel Liebe und Leidenschaft ausübt, dass ihm bei aller Last, die ihm «Corona» aufbürdet, die Lust am Weitermachen nicht abhanden gekommen ist. Zwar hat das Schicksal auch seine Firma mit voller Wucht getroffen. Aber: Obschon er das nicht so sagt, scheint er finanziell genug gepolstert zu sein, um überleben zu können. Und er muss zum Beispiel keine Miete für die grosse Garage für seine Fahrzeuge und weitere Einrichtungen bezahlen, weil sie ihm gehört, hat diesbezüglich also vergleichsweise geringe Auslagen. Die Kontrollschilder für die fahrbaren Verkaufsstände und ihre Anhänger hat er beim Strassenverkehrsamt deponiert, womit er die Kosten für Steuern und Versicherungen spart. Und «zum Glück ist die Schweiz ein Sozialstaat und hilft uns bei den Löhnen. Darüber sind wir sehr froh.»

Denn immerhin beschäftigt Michael Haegeli – bei Vollbetrieb wie eben im Herbst auf dem Inseli – insgesamt zehn Personen, neben sich selber und seiner Gattin Lucia, welche den Betrieb administriert.

«Ich selber will also nicht klagen, auch wenn ich im Moment überhaupt nicht weiss, wie es nächstes Jahr weitergeht. 2020 ist eh gelaufen. Auch die Basler Messe ist abgesagt. Die diversen "Chilbis", die ab August bis in den Oktober jeweils hunderttausende anlocken, ohnehin.» Die Bilanz für 2020 auf der Einnahmenseite ist ebenso einfach wie erschütternd: null Franken.

Vielmehr beschäftigen Michael Haegeli die Schicksale anderer Marktfahrer und Schausteller. Über mehrere von ihnen weiss er, «dass sie finanziell auf dem letzten Zacken laufen und mit einem Konkurs rechnen müssen.» Er erinnert deswegen an einen dramatischen Leserbrief, den Rico De Bona am Wochenende den Medien zugestellt hat; er ist Präsident der Trägerschaft der Luzerner Herbstmesse. Darin heisst es unter anderem: «Mit den flächendeckenden Absagen von Märkten und Messen ist gleichzeitig ein Berufsverbot für die Schausteller und Markthändler verbunden.»

De Bona fordert deshalb: «Die Bundesbehörden sind aufgerufen, den diversen Hilfsbegehren der Branche endlich eine konkrete Antwort zu erteilen. Und diese kann nur heissen: finanzielle Notunterstützung.»

Nicht allein in Luzern, wo jährlich im Herbst im Durchschnitt bis zu 360 000 BesucherInnen während der 16 Tage das Inseli fluten – auch schon waren es übrigens sagenhafte 400 000 – würde der Kollaps dieser Branche eine schmerzliche Lücke ins öffentliche Leben reissen. Denn «die Määs» ist ein so fixer und sicherer Wert und Termin im Jahresablauf wie die Fasnacht, das Stadtfest oder andere Traditionsanlässe. Auch für Basel hat «d Määs» im gesellschaftlichen Leben einen hohen und festen Stellenwert. Von all den Vereinen ganz zu schweigen, welche landauf landab die Sommerfeste, «Chilbis» und anderen Grossanlässe durchführen und so lebenswichtige Einnahmen generieren; Haegeli und Konsorten garantieren dort für Spass und Stimmung.

Michael Haegeli glaubt zu wissen, warum die Luzerner Herbstmesse diese Popularität erreicht hat. «Das ist für mich ganz klar: Erstens der Ort, zweitens das Angebot, drittens der dafür bestens geeignete Termin im meist milden Oktober und viertens, weil man sich kennt und aufeinander freut». Die «Lozärner Määs» habe übrigens in den letzten rund 20 Jahren einen Besucherzuwachs von etwa 30 Prozent erreicht.

Hägelis klare Begründung für den Erfolg leuchtet zwar ein, verlangt dennoch eine Erklärung: «Warum aber ist das denn so? Es ist ja jedes Jahr genau das Gleiche, was auf dem Inseli geboten wird».

«Das stimmt absolut», reagiert er auf die Frage blitzschnell, als hätte er sie im voraus gekannt. «Genau das ist der Grund! Heute, wo überall Hektik herrscht und vieles immer in Bewegung ist, sind Bekanntes, Bewährtes und vor allem Qualität erst recht gefragt. Unsere Kunden wissen, was sie bei uns bekommen, wer seinen Stand wo hat und wen sie wann und wo treffen.»

Kein Wunder also, dass auch sein Angebot seit drei Generationen fast dasselbe ist: Magenbrot, gebrannte Mandeln und Caramels, die je nach Kanton auch «Niidlezältli» oder «Rahmtäfeli» heissen. Einzige Neuerung im Sortiment: Seit 20 Jahren verkauft er auch türkischen Honig: «Der läuft zwar nicht überall gleich gut, hat sich aber insgesamt etabliert»; das Magenbrot übrigens ist «ein typisches Herbstprodukt».

Wer Haegeli zuhört, spürt jene Begeisterung, mit der auch andere Schausteller und Marktfahrer aufgestellt und unterwegs sind. Und hofft mit ihm und ihnen allen, dass die schlimmen Prognosen und Befürchtungen nicht eintreffen; dass das Virus verschwindet, wie es gekommen ist; dass lieber morgen als erst übermorgen eine Impfung auf den Markt kommt; und dass diese Branche überlebt; hier in Luzern ebenso wie anderswo.

Denn solche Jahrmärkte, Messen, «Chilbis» oder wie und wo auch immer sie genau heissen, sind ein Stück Schweiz und damit Heimat.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch

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Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:

www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/