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Kolumne der Redaktion

28.06.2020

Die SP-Kandidatin scheitert deutlich, doch für ihre Partei hat diese Niederlage auch einen willkommenen Effekt

Das Resultat des zweiten Wahlgangs zum Stadtrat überrascht in mehrfacher Hinsicht. Und es ist noch zu früh für eine gut abgestützte Interpretation. Dennoch sei hier ein erster Versuch gewagt.


Erstens: Die beiden bisherigen Stadträtinnen Franziska Bitzi (CVP) und Manuela Jost (GLP) sind sehr deutlich wiedergewählt worden (siehe unter «Dateien»).

Zweitens: Der Abstand der SP-Kandidatin Judith Dörflinger (Rang 3) auf Manuela Jost (Rang 2) ist sehr deutlich.

Drittens: Diese Resultate wiederspiegeln keineswegs die Stimmenpotentiale (und damit auch die Mobilisierungspotentiale) der Parteien, wie sie sich seit dem ersten Wahlgang vom 29. März anhand städtischer Wahlen zeigen; schon gar nicht deren Entwicklung seit 1995. Das allein ist allerdings nicht erstaunlich, weil zweite Wahlgänge allermeistens, sogar fast immer, vor anderen Ausgangslagen stattfinden als erste Wahlgänge und dementsprechend ganz andere Resultate ergeben.

Viertens: Der neue Stadtrat (für 2020 bis 2024) ist in der parteipolitischen Zusammensetzung genau der gleiche wie seit 2012 und in der personellen Zusammensetzung wie seit 2016 (als Franziska Bitzi für die CVP Stefan Roth ersetzte); sprich: alle Bisherigen sind wiedergewählt worden.

Diese Konstellation hat keine Partei unterstützt, einzig ein überparteiliches Komitee (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»: Überparteiliches Komitee unterstützt Bitzi und Jost auch im zweiten Wahlgang. Und: Komitee setzt sich für die Wiederwahl aller fünf StadträtInnen ein und will Züsli wieder als Stapi).

Soweit die Fakten.

Noch ist es sehr schwierig, dieses Resultat zu interpretieren. Denn dieser Wahlkampf lief weitgehend ohne inhaltliche, also thematische Auseinandersetzungen ab («Wer steht wofür?»). Darum lässt sich auch kaum sagen, wer warum woher wieviele Stimmen holte.

Es handelte sich einzig um eine in sehr bescheidenem Umfang stattfindende Personaldebatte; eine Personaldebatte allerdings, die weitgehend ausblendete, was für, was gegen die drei Favoritinnen sprach.

Wir wissen somit auch nicht, wie es herausgekommen wäre, wenn die SP die beiden bisherigen Frauen ernsthaft angegriffen hätte. Wenn sie beispielsweise die «Umgangsformen» von Franziska Bitzi und die Fachkompetenz von Baudirektorin Manuela Jost (nach acht Amtsjahren) ernsthaft thematisiert hätte.

Die Unterstützung der FDP für Manuela Jost war eine pure Heuchelei! Sie diente einzig dazu, die Wahl von Judith Dörflinger (SP) zu verhindern.

Wir wissen ebenfalls nicht, wie stark sich die Grünen für die SP-Kandidatin wirklich ins Zeug gelegt haben; anzunehmen ist: nicht sonderlich.

Kommentare (wie etwa von FDP-Parteipräsident Fabian Reinhard), in Zeiten wie «Corona» seien Konstanz und Kontinuität gefragt, was zur deutlichen Wiederwahl von Bitzi und Jost geführt habe, sind absoluter Pustekuchen (siehe unter «Dateien»). Die Stadt war und ist in dieser Sache rein ausführend aktiv und sagt und macht gehorsamst, was ihr der Bund und der Kanton vorschreiben, was so auch richtig ist.

Es ist richtig und wichtig, dass die CVP mit Franziska Bitzi im Stadtrat vertreten bleibt. Ihr Rauswurf hätte auch ihre Fraktion geschwächt, die sich vor allem kommunikativ neu hätte aufstellen müssen, um fortan überhaupt noch medial wahrgenommen zu werden, was in der jetztigen Mediengesellschaft das A und O ist. Man kann das gut finden oder nicht, es ist eine Tatsache.

Vergessen wir nicht: Bis zur Wahl 2012 hatte die CVP im Grossen Stadtrat 10 Sitze; dann bis 2016 9 Sitze; dann bis 2020 7 Sitze; und seit der letzten Wahl des Luzerner Stadtparlaments (29. März 2020) hat sie noch 6 Sitze. Zudem musste 2016 ihr bisheriger Finanzdirektor Stefan Roth in einen zweiten Wahlgang. Er schaffte zwar die Wiederwahl, warf aber nur drei Monate später das Handtuch und verabschiedete sich. Das Stadtpräsidium hat die CVP, das sie mit Stefan Roth von 2012 bis 2016 innehatte, an die SP und Beat Züsli verloren. Alles also schlechte Vorzeichen, die noch nicht berücksichtigen, dass Franziska Bitzi – sagen wir es so – nicht in allen Kreisen eine Sympathieträgerin ist.

Für die SP hat dieses Resultat, also das schlechte Abschneiden von Judith Dörflinger, das sie sehr genau und somit auch selbstkritisch analysieren müssen wird, einen ganz entscheidenden Vorteil.

Sie kann bezüglich des Einsatzes direktdemokratischer Mittel (Referenden, Initiativen) in den nächsten vier Jahren schalten und walten, wie sie will. Sie ist dem Stadtrat zu keinerlei Loyalität verpflichtet. Das kann der Schärfung ihres Profils nützen und schliesst nicht aus, dass sie 2024 im Grossen Stadtrat zulegen wird. Themen, die haargenau zu ihrem Beuteschema passen, gibt’s zuhauf.

Kleine Randbemerkung: Die SP hat bis zur Stunde (17:03h) keine Medienmitteilung veröffentlicht; ausgerechnet sie, die ansonsten jede Petitesse der städtischen Politik genau damit beehrt. Vermutlich sitzt der Schock tief... Peinlich.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern (Mitunterzeichner der Wahlaufrufe für Franziska Bitzi und Judith Dörflinger)

Siehe auch unter «Dateien».


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/