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Kolumne der Redaktion

11.06.2020

Rein rechnerisch liegt für Judith Dörflinger und die SP ein Sitz im Luzerner Stadtrat durchaus drin

Fakten, Fragen und Vermutungen zum zweiten Wahlgang der Luzerner Stadtratswahen am 28. Juni 2020 (Folge 1).


ZUM VERGRÖSSERN ANKLICKEN.

Die Entwicklung der Parteistärken über sämtliche kommunalen, kantonalen und eidgenössischen Wahlen in der Stadt Luzern zwischen 1995 und 2020.

Diese Wahlen sind jeweils: KR: Kantonsratswahlen (früher: Grossratswahlen); NR: Nationalratswahlen; GrBR: Grosser Bürgerrat (nur 1996); GrStr: Grosser Stadtrat.

Mit dieser Darstellung wird die Entwicklung über mehrere Wahlen seit 1995 geglättet.

Die Trendentwicklung der städtischen Parteien und ihrer Wähleranteile bei Wahlen im Wahlkreis Stadt Luzern seit 1995. Da die GLP zum ersten Mal 2007 antrat, aber der gesamte Zeitraum seit 1995 betrachtet wird, ist die Aussagekraft begrenzt. So beginnt die GPL im (unmöglichen) negativen Bereich und die Trendentwicklung der Gegenwart wird zu positiv dargestellt.

Vor 25 Jahren vereinigten SP und Grüne gemeinsam etwa ein Drittel der Stimmen. Inzwischen sind sie gleich stark wie sämtliche bürgerlichen Parteien (FDP, CVP, SVP und GLP) zusammen.

Wird die Enwicklung entlang der klassischen Einteilung von Links-Mitte-Rechts betrachtet, zeigt sich deutlich, dass eine Doppelvertretung der politischen Mitte (seit 2012 je ein Sitz für CVP und GLP im fünfköpfigen Stadtrat) über keine rechnerische Grundlage verfügt.

Grafiken: lu-wahlen.ch / Salomon Weiss

Am 28. Juni werden im zweiten Wahlgang zwei noch nicht besetzte Sitze im fünfköpfigen Luzerner Stadtrat besetzt. Dies, nachdem am 29. März die Bisherigen Beat Züsli (SP / 11 975 Stimmen), Adrian Borgula (Grüne / 11 249) und Martin Merki (FDP.Die Liberalen / 10 590) bereits im ersten Wahlgang als Stadträte wiedergewählt worden sind.

Die klar besten Chancen, am 28. Juni gewählt zu werden, haben die bisherige CVP-Finanzdirektorin Franziska Bitzi-Staub (im ersten Wahlgang 9544 Stimmen, im Amt seit 2016), Baudirektorin Manuela Jost von den Grünliberalen (9007, im Amt seit 2002) und die neu kandidierende SP-Frau Judith Dörflinger (8817), welche ihrer Partei zu einem zweiten Sitz (neben Beat Züsli) verhelfen soll.

Die Ausgangslage ist komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn die Wiederwahl von CVP-Bitzi und GLP-Jost ist keineswegs eine sichere Sache (mehr darüber später in einem eigenen Beitrag). lu-wahlen.ch versucht hier fürs erste, diese Ausgangslage vor dem Hintergrund realer Fakten und Daten möglichst breit und tief abzubilden.

Rechts zeigen wir fünf Grafiken. Sie verdeutlichen die Ausgangslage, wenn wir sie aufgrund der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse beurteilen. Hier werden Wähleranteile seit 1995 abgebildet und zwar zu unterschiedlichen Parlamentswahlen, aber immer allein aus dem Wahlkreis Stadt Luzern.
Klar: Gewählt wird nicht mehr das Parlament.

Besetzt werden am 28. Juni zwei noch offene Sitze im Stadtrat. Das ist eine Majorwzahl, im Gegensatz zum Parlament, das im Proporz gewählt wird; im zweiten Wahlgang ist nicht mehr das absolute, sondern das einfache Mehr nötig. Gewählt sind also die beiden Bestplazierten.

Dennoch ist es interessant, die Grafiken jetzt anzuschauen, weil sie etwas aussagen über die Wählerpotentiale, die mit Blick auf den 28. Juni mobilisiert werden können. Was allein allerdings bei weitem noch nicht alles aussagt.

Um nur ein Beispiel aufzuzeigen: Es ist davon auszugehen, dass ältere SP-Wählerinnen und -Wähler neben Judith Dörflinger auch Franziska Bitzi unterstützen werden, weil sie die CVP auch in Zukunft unbedingt im Stadtrat haben wollen; zwischen CVP und SP gibt es so etwas wie eine «Vernunftehe»; auch dazu in einem weiteren Beitrag später mehr. Mit anderen Worten: Haarscharf entlang der Parteilinien wird am 28. Juni wohl kaum gewählt werden.

Dennoch: Die SP, die Partei also von Judith Dörflinger, ist klar stärkste Partei und erreicht zusammen mit den Wähleranteilen der JungsozialistInnen, der Grünen und der Jungen Grünen mittlerweise fast 50 Prozent (wie gesagt: wenn es um Parlamentswahlen geht).

Gelingt es ihr, die Reihen mit diesen Verbündeten zu schliessen und ihre Potenziale geschlossen zu mobilisieren, hat Judith Dörflinger reale Chancen, für die SP einen zweiten Sitz zu holen und die Zahl der rot-grünen Sitze im Stadtrat von zwei auf insgesamt drei zu erhöhen, also auf eine absolute Mehrheit. Dieses Trio hiesse Dörflinger (SP / neu), Züsli (SP / bisher) und Borgula (Grüne / bisher).
Dasselbe lässt sich folgerichtig grundsätzlich auch von FDP, SVP, CVP und GLP sagen – wenn wir ihre Wählerpotentiale zusammenrechnen; auch sie erreichen ganz knapp die Hälfte.

Geht es nun aber um die einzelnen Wahlchancen – naheliegenderweise um jene von Franziska Bitzi-Staub (CVP) und Manuela Jost (GLP / beide bisher) und von Judith Dörfliger (SP / neu) – sind Faktoren zu berücksichtigen und zu gewichten, die sich nicht aus diesen Zahlen herauslesen lassen. Vor allem ist im ersten Wahlgang geschehen, womit – in diesem Ausmass – niemand gerechnet hatte. Eine überparteiliche Liste, die alle fünf Bisherigen zur Wiederwahl empfohlen hatte, ist von insgesamt 10,9 Prozent aller Wählenden eingelegt worden, wie die «Luzerner Zeitung» herausfinden konnte. Es ist zwar unklar, ob sie unverändert abgegeben worden sind. Mit Sicherheit darf aber angenommen werden, dass diese Liste allen fünf Bisherigen genützt hat.

Nun aber beginnen die Spekulationen.


Wir wissen nicht, wie die letzten zwei Wochen vor dem ersten Wahlgang  vom 28. abgelaufen wären, wenn am 16. März nicht der Lockdown verkündet worden wäre und der Wahlkampf deswegen nicht stillgestanden hätte.

Zum Beispiel wissen wir auch nicht, welche Auswirkungen das Thema der umstrittenen VBL-Subventionen auf die Wahlresultate der Stadträte Bitzi, Jost und Merki gehabt hätten, wenn dem nicht so gewesen wäre; also eben: wenn der Wahlkampf so stattgefunden hätte, wie er – möglicherweise – seitens jeweiliger Interessengruppen angedacht gewesen war. Sicher hätte zum Beispiel die SP ihre helle Freude daran gehabt, dieses Thema «am köcheln» zu halten.

Wir wissen auch nicht, ob Silvio Bonzanigo, damals Stadtratskandidat der SVP, seine Attacken auf Baudirektorin Manuela Jost in der Schlussphase des Wahlkampfes womöglich verstärkt und ihr so – stärker als in den Wochen zuvor – geschadet hätte. Semper aliquid haeret – etwas bleibt immer hängen. 

Apropos Bonzanigo. Er tritt zwar wieder an, nicht aber mehr unter dem Label SVP. Es ist darum davon auszugehen, dass er am 28. Juni ein schlechteres Resultat als im ersten Wahlgang erreichen und so den bürgerlichen Kandidatinnen Bitzi und Jost weniger Stimmen wegnehmen werden wird.

Fortsetzung folgt.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/