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Kolumne der Redaktion

15.07.2019

Andreas Iten hat ein neues Buch geschrieben, das in die Tiefe der Gesellschaft hineinleuchtet

Er war Psychologie- und Pädagogikglehrer, Gemeindepräsident, Regierungsrat, Ständerat. Und Schriftsteller, der er allerdings nicht nur war, sondern geblieben ist. Andreas Iten (Jahrgang 1936). liberales Urgestein aus Unterägeri im Kanton Zug, hat sein Werkverzeichnis um «Prestobello» erweitert, einen Roman, der in die Tiefe und Breite der Gesellschaft hineinleuchtet.


Der frühere Zuger FDP-Bildungs- und Kulturpolitiker Andreas Iten (1936) hat wieder ein Buch geschrieben.

«Prestobello» heisst das neue Buch von Andreas Iten. Es ist nicht die Erzählung einer Geschichte. Sondern die Geschichte einer Erzählung. Der Grossvater erzählt seinem Enkel aus der Vergangenheit. Das ganze Leben von «Prestobello» wird vor uns aufgerollt. Aber auch Jonas, den aufmerksamen Zuhörer, begleiten wir beim Lesen in seiner Entwicklung zum jungen Mann. Was der Name Prestobello bedeutet, erfahren wir irgendwo im ersten Drittel des Buches!

Soviel vom Lebenslauf sei ganz kurz verraten: «Prestobello» übernahm in jungen Jahren das Bauunternehmen seiner Familie, das er jahrelang erfolgreich führte. Sozusagen mitten im Leben verkaufte er seine Firma an seine Bereichsleiter, die je den von ihnen geführten Betriebszweig übernehmen konnten: die Baufirma, das Immobiliengeschäft, die Verwaltung der Wohnungen. Der Handel, die Übergabe kam zustande.

«Prestobello» erfand sich neu, engagierte sich neu. Er gründete das «Zeitmuseum» in einer gut gelegenen alten Villa, die er aufwändig renovierte. Hier waren nicht nur kostbare Uhren zu besichtigen. Das prächtige Haus wurde auch Mittelpunkt gesellschaftlicher Anlässe und hitziger gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen.

Autobiographische Züge

Ob das Buch autobiographische Züge aufweist? Dem Autor war, wie aus dem Klappentext des Buches ersichtlich, eine ganz andere berufliche Laufbahn beschieden als dem Protagonisten in seinem Buch. Sicher aber ist, dass die philosophischen, politischen, gesellschaftlichen Fragen, die «Prestobello» umtreiben, auch den Autor des Buches während seines ganzen Lebens beschäftigt haben und noch beschäftigen. Das Ringen um Antworten schlägt sich auch  immer wieder in den Kolumnen von Andreas Iten auf seniorweb.ch nieder.

Besonders angesprochen haben mich im Buch die vielen Rückgriffe auf die zeitgenössische Geschichte. Denn die Ereignisse, die hier beschrieben werden, sind auch mir vertraut. Wer erinnert sich zum Beispiel nicht an die ausufernden, lange nachwirkenden Diskussionen über den Satz, der von Ben Vautier für den Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Sevilla geprägt worden war: «La Suisse n’existe pas». Diese Debatte wurde auch im imaginären Zeitmuseum von «Prestobello» geführt und füllt einige Seiten des Romans. Ich habe mich schon lange mit diesem Satz versöhnt, denn ich dachte immer den zweiten witzigen Teil mit: «Je pense, donc je suisse». Auch dieser prägte den Schweizer Auftritt an der Expo 92. Warum er damals in den Medien und auch im Buch von Iten aus Abschied und Traktanden fiel, ist mir bis heute unerklärlich.

Klärung von Standpunkten

Das Buch regte mich auch an, immer etwa wieder eigene Meinungen und Standpunkte zu überdenken. Bis zu meiner Pensionierung hatte ich behauptet, Jassen sei ein doofes Spiel. Ich konnte nicht begreifen, warum meine Kolleginnen und Kollegen in der Politik so gerne und häufig darin Zuflucht suchten. Und was lese ich bei Iten: «Diese Art Vorstellungsgespräch führte ich früher auch mit Kaderleuten durch. Sagte zum Beispiel einer im lockeren Gespräch, Jassen sei Zeitverlust, zögerte ich ihn anzustellen. Wer nicht spielt, hat bald ausgespielt, das gehörte zu meinem Überzeugungen.» Tja, das sass. Trifft mich aber nicht mehr, kann ich doch heute dem Jassen in geselliger Runde einiges abgewinnen!

Horizonterweiterung

Lebensgeschichte, Zeitgeschichte, philosophische Exkurse etwa über den Unterschied zwischen Lieben und Begehren oder die verschiedenen Bedeutungen von Ereignis und Erlebnis sind in «Prestobello» unterhaltsam und informativ aneinander gereiht.
Aber Achtung, ganz leicht macht es uns der Autor nicht. Billig sind seine aus privaten und beruflichen Erfahrungen, umfassender Lektüre und tiefem Nachdenken gewonnen Erkenntnisse und Einsichten nicht zu haben. Aber wer den Aufwand scheut, verpasst Einblicke, die seinen Horizont erweitern werden.

Wem empfehle ich dieses Buch? Allen, die im Augenblick einen interessanten Gesprächspartner vermissen. Nehmen Sie das Buch von Andreas Iten zur Hand! Sie werden schmunzeln, sich empören, und immer wieder durch unerwartete Geschichten und Wendungen im Geschehen überrascht werden! Und das Buch nicht mehr aus der Hand geben, bis Sie die letzte Seite erreicht haben!

Judith Stamm, Luzern

Diese Buchbesprechung ist für seniorweb.ch verfasst worden, wo sie ebenfalls online ist (siehe unter «Links»).

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Andreas Iten: «Prestobello», Bucher-Verlag 2019, Hohenems, ISBN 978-3-99018-495-0.


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/