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Kolumne der Redaktion

05.07.2019

Die Nationalratswahlen 2019 im Kanton Luzern: Zahlen, Fakten und Prognosen

Die Resultate der Luzerner Parteien unterscheiden sich bei kantonalen und nationalen Wahlen teilweise frappant und bei allen relativ konstant. Während die CVP deutlich schlechter abschneidet bei nationalen Wahlen, sind die Resultate von SP und SVP meistens über dem Resultat bei kantonalen Wahlen. Da sich über mehrere Wahlen hinweg ein gleiches Bild zeigt, bedarf dies eines Erklärungsversuchs.


Diese Tabelle zeigt, wie die einzelnen Parteien seit 2007 bei den Kantonsratswahlen (KR) und den Nationalratswahlen (NR) bei den Wähleranteilen abgeschnitten haben. Die gelben Felder sind eine Ergebnisprognose für den 20. Oktober, sofern sich die Differenz zwischen den KR- und NR-Wahlen gleich entwickelt wie in den vergangenen drei Wahljahren.

Zum Vergrössern anklicken.

Siehe auch unter «Dateien».

Quelle: Luzern Statistik (Lustat).

Die folgenden Thesen könnten diese Abweichung erklären.

CVP: Bei den kantonalen Wahlen profitiert die CVP von ihrer breiten politischen Basis. Durch eine gute Vertretung in den Gemeinderäten verfügt sie über zahlreiche Kandidierende, die lokal prominent sind. Bei 120 zu vergebenden Listenplätzen für den Kantonsrat ist dies ein entscheidender Vorteil. Er nützt der CVP bei den nationalen Wahlen allerdings deutlich weniger, da am 20. Oktober für den Nationalrat nur neun Plätze zu vergeben sind und entsprechend weniger von der Prominenz und Ausstrahlung ganz vieler Kandidierender auf vergleichsweise kleinen geografischen Räumen, nämlich sechs Wahlkreisen, profitiert werden kann. Zudem spielt die CVP in der nationalen Politik eine weniger relevante Rolle als in der kantonalen. Wenn sie ihr Amt weiterhin so ausübt und sie auch fortan so auftritt wie seit ihrer Wahl, nützt der CVP aber bestimmt die neue Bundesrätin Viola Amherd, von der deswegen mehrere Wahlkampfauftritte zu erwarten sind.

SVP: Im Gegensatz zur kantonalen SVP verstand es die SVP Schweiz vor den letzten nationalen Wahlen jeweils, dem Wahlkampf mittels ihrer Themen ihren Stempel aufzudrücken. Bei ihr spielt der genau gegenteilige Effekt wie bei der CVP: Während die SVP jeweils Mühe hat, in den sechs Wahlkreisen genügend Leute für den Kantonsrat zu nominieren, verfügt sie jetzt über neun bekannte Köpfe für die nationalen Wahlen. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass dies die sich abzeichnenden Verluste wettmachen kann.

FDP: Hier spielen wohl die gleichen Effekte wie bei der CVP. Allerdings werden sie dadurch etwas gemildert, dass die FDP auf nationaler Ebene und damit auch im Wahlkampf eine grössere Rolle spielt und damit auch stärker wahrgenommen wird. Die FDP aber hat momentan mehrere Probleme am Hals: So ist schwierig vorauszusagen, ob ihr ihre Kehrtwende in der Klimapolitik nützt oder schadet. Noch anfangs des Jahres hatte sie in mehreren Umfragen gute Resultate, bei den kantonalen Wahlen in Zürich und Luzern aber gehörte sie entgegen den einhelligen Prognosen zu den Verlierern. Mit Karin Keller-Sutter hat jedoch auch die FDP eine wertvolle Sympathieträgerin, die sie im Wahlkampf bestimmt medienwirksam einsetzen wird. Ganz im Gegensatz zum umstrittenen und unbeliebten Ignazio Cassis, dem anderen FDP-Vertreter in der Landesregierung.

SP: Die SP schnitt in den letzten drei Wahljahren (2007, 2011, 2015) in nationalen Wahlen konstant besser ab als jeweils zuvor in den kantonalen. Sie ist in allen Wahlkreisen präsent und kann überall bekannte Personen portieren. Bei nationalen Wahlen spielt die SP in praktisch allen Themen eine profilierte Rolle in der öffentlichen Debatte.

Grüne/GLP: Diese beiden Parteien sind nach wie vor sehr stark auf die urbanen Gebiete konzentriert. Sie und ihre Kernthemen sind ebenfalls deutlicher wahrnehmbar auf der nationalen Ebene als auf der kantonalen. Das vermag möglicherweise ihre personell schwache Abstützung auf der Landschaft zu kompensieren.  
 
Daraus folgt:
. Falls die von ihren Parteiführungen beantragte Listenverbindung zwischen CVP und FDP bei den Nationalratswahlen tatsächlich zustande kommt, gehen diese beiden Parteien ein eigentliches Verliererbündnis ein.
Beide müssten die Tendenz aus den kantonalen und nationalen Wahlen umkehren, um innerhalb der Listenverbindung die jetzt bestehenden fünf Sitze zu halten.

. Die SVP dürfte bei den nationalen Wahlen am 20. Oktober 2019 zwar besser abschneiden, als bei den kantonalen Wahlen am 29. März 2019. Aber ob es reicht, um ihre bisher drei Sitze zu verteidigen ist sehr fraglich. Dafür müsste die SVP-Liste vor der Listenverbindung von SP-Grünen-GLP landen. Das ist eher unwahrscheinlich, weil sie seit Monaten in einem regelrechten Formtief steckt, immer wieder parteiinterne Peinlichkeiten bekannt werden und sie seit den Eidgenössischen Wahlen 2015 in den kantonalen Parlamenten massive Sitzverluste erlitten hat. Allein im Kanton Luzern verlor sie am 31. März von ihren 29 Kantonsratssitzen deren 7. Allerdings: Mit Franz Grüter tritt sie mit einem zugkräftigen Ständeratskandidaten an, wovon sie bestimmt auch bezüglich ihrer Nationalratsliste profitieren wird.

. SP, Grüne und GLP sind die Sieger der kantonalen Wahlen 2019. Sollten sie es schaffen, ihre Resultate zu wiederholen, dürften ihre bereits beschlossene Listenverbindung auf Kosten der SVP einen Sitz erobern. Das ist sogar wahrscheinlich. Immerhin haben diese drei Parteien in der Vergangenheit (mit Ausnahme der Grünen im Jahr 2011) im Herbst jeweils besser abgeschnitten als im Frühling.

. Offen ist, an wen ein allfälliger dritter Sitz für die Listenverbindung von SP, Grünen und GLP letztlich gehen würde. Bislang belegt die SP mit Prisca Birrer-Heimo einen Sitz und die Grünen sind mit Michael Töngi vertreten. Von 2011 bis 2015 hatte die Luzerner GLP ebenfalls einen Sitz (Roland Fischer).

Die SP würde zwei Sitze erobern, wenn sie bei den Nationalratswahlen am 20. Oktober doppelt so stark bleibt wie die GLP. Die GLP ihrerseits würde einen Sitz holen, wenn sie mehr als halb so viele Stimmen erreicht wie die SP. Das könnte Wählerinnen und Wähler, die bei den kantonalen Wahlen am 31. März den Grünen ihre Stimme gaben dazu bewegen, am 20. Oktober SP zu wählen. Dies, weil sie damit einen dritten linken Sitz ermöglichen.

Der Hintergrund: Die bisherigen Sitze der Grünen und der SP sind in trockenen Tüchern. Nun geht es um die Frage, wer innerhalb der Listenverbindung SP-Grüne-GLP den dritten Sitz erobert. Die entscheidende Rolle spielen diesbezüglich die Wählerinnen und Wähler der Grünen. Um dafür zu sorgen, dass dieser dritte Sitz nicht an die – ausser in ökologischen Fragen – klar bürgerliche GLP geht, müssen sie nun aus taktischen Gründen die SP wählen.

Es stellt sich aber die Frage, ob eine solche taktische Überlegung bis zu den Stimmbürgerinnen und Stimmbürger durchdringt und von ihnen übernommen wird.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/