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Kolumne der Redaktion

29.06.2019

Guido Graf will der Putschist gewesen sein

Fünf lange Wochen hatten die beiden CVP-Regierungsräte eisern zu ihrem Coup geschwiegen, Finanzdirektor Marcel Schwerzmann zu entmachten. Jetzt äusserten sie sich vor ausgewähltem Publikum zu den Motiven. Guido Graf gibt vor, der Rädelsführer des Ganzen gewesen zu sein. Silvio Bonzanigo war dabei, als dies in Buttisholz an der GV der CVP-nahen AWG ein Thema war.


Das wichtigste Geschäft war an der Generalversammlung der Arbeitsgemeinschaft für Wirtschaft und Gesellschaft (AWG) vom Mittwoch (26. Juni) bei der Tschopp Holzindustrie AG in Buttisholz gar nicht traktandiert: Vor den knapp hundert anwesenden Mitgliedern äusserten sich AWG-Präsident Josef Wyss, Bildungs- und Kulturdirektor Reto Wyss, Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf sowie Parteipräsident Christian Ineichen zum erzwungenen Departementsabtausch zwischen Marcel Schwerzmann und Reto Wyss. Fünf Wochen lang hatten Wyss und Graf die Öffentlichkeit und die Medien im Ungewissen gelassen über ihre Motive und stets auf Regierungspräsident Paul Winiker als Auskunftsberechtigten verwiesen.  Das Äusserste, was dieser zum Sachverhalt beitragen wollte, war, dass bei der Departementsverteilung nicht alle Wünsche hätten berücksichtigt werden können.

Reto Wyss: Zielsetzung bleibt, Handwerk ändert

(Noch-)Bildungsdirektor Reto Wyss vermied Hinweise zu persönlichen Motiven, um allenfalls mehr Macht und Einfluss zu gewinnen. Als Finanzdirektor werde er an der Zielsetzung der bisherigen Finanz- und Steuerstrategie nichts ändern, wohl aber am Handwerk. Damit meine er eine weniger abrupte Gangart, einen anderen Umgang mit den Gemeinden in finanzpolitischen Belangen, weniger Massnahmen, die heftigste Kritiken und Demonstrationen auslösen, zusammen mit einer verbesserten Kommunikation. Daneben werde er sich für bessere Arbeitsbedingungen beim Personal einsetzen, da der Kanton Luzern als Arbeitgeber an Attraktivität verloren habe. Im Sachbereich des Departements werde er die Fremdmieten reduzieren, das neue Verwaltungszentrum am Seetalplatz und die Ablöse des Polizeistützpunkts Sprengi beschleunigen und Informatik- und Digitalisierungsstrategien zugunsten der Bürgerinnen und Bürger verbessern. Der Kanton Luzern habe einen Imageschaden erlitten, den er als künftiger Finanzdirektor wieder ausbügeln möchte.

Guido Graf: «Aus Verantwortung gegenüber unserem Kanton»

Eher staatsmännisch versuchte Gesundheitsdirektor Guido Graf zu argumentieren. Die bürgerlichen Parteien hätten die Kantonsratswahlen verloren, und zwar nicht nur wegen der Klimadebatte. Folglich müssten sie jetzt angesichts dieses Ergebnisses Verantwortung gegenüber unserem Kanton übernehmen, was die Führung der Finanzdirektion durch sie zwingend mache. Marcel Schwerzmann sei es nicht gelungen, bei der AFR 2018 (Aufgaben und Finanzreform) die Gemeinden zu einen. Zudem habe er den budgetlosen Zustand 2017 zu verantworten. Es gehe um den Wiedergewinn von Verlässlichkeit und Vertrauen seitens der Bevölkerung. Die bisherigen Finanz- und Steuerstrategie sei vom Wechsel nicht betroffen, sondern werde im bisherigen Sinn weitergeführt. Er habe bisher an drei Departementsverteilungssitzungen teilgenommen, die letzte, welche die Ausmarchung zwischen den Neulingen Reto Wyss und Robert Küng um das Bau-, Umwelt- Wirtschaftsdepartement betraf, hätte einen halbem Tag, die jüngste einen ganzen Tag gedauert. In den Medien sei deren Ergebnis vielfach missverständlich und verfälschend dargestellt worden.

Guido Graf reklamierte den Input zur Departementsrochade für sich selbst. Noch am Tag vor der Bekanntgabe des Verteilungsentscheids habe er ein entsprechenden Dokument – offenbar ohne Absprache mit Wyss – zur Sitzung eingereicht, das genau diesen Departementsabtausch thematisiert habe. Dieser Vorgang wurde aber von Reto Wyss am AWG-Anlass weder erwähnt noch bestätigt.

AWG-Präsident Josef Wyss versteckte seine Überraschung über den Coup der CVP-Regierungsräte weiterhin nicht. Nach einer Auslegeordnung der AWG mache aber der Departementswechsel Sinn. Allerdings hätte ihn die Härte der Kommentare in Presse und Öffentlichkeit erschreckt, denn unbestritten sei, dass der Regierungsrat als Gremium die jeweiligen Entscheide gesamthaft verantworte. Parteipräsident Christian Ineichen forderte die Anwesenden auf, diese echten Motive zum Departementsabtausch, der die staatstragende Rolle der CVP bestätige, «ins Volk hinauszutragen.» In einzelnen Voten wurde auch Kritik  am Verhalten des  Gewerbeverbandes unter Gaudenz Zemp und seiner Strategie im zweiten Wahlgang laut.

Fazit: Der Nebel wird nicht weniger

Wochenlang hatten die CVP-Regierungsräte eisern geschwiegen oder verstörende Interviews gegeben zur künftigen Finanzpolitik des künftigen Finanzdirektors. Was jetzt nach einer befreienden, allerdings heillos verspäteten Kommunikationsoffensive aussehen sollte, gebar bestenfalls eine Maus. Zu viele Ungereimtheiten blieben von den CVP-Regierungsräten unerwähnt: Warum merkte die CVP erst nach zwölf Jahren, dass Marcel Schwerzmann als Finanzdirektor eine Fehlbesetzung ist? Warum wurde der angesprochene Vertrauensverlust gegenüber der Bevölkerung ausgerechnet und ausschliesslich durch Massnahmen in den CVP-Departementen von Guido Graf (Rückerstattung von Prämienverbilligungen) und von Reto Wyss (Zwangsferien für Schüler und Lehrpersonen) verursacht? Warum wird der budgetlose Zustand weiterhin Schwerzmann angelastet, obwohl er einem demokratischen Referendum gegen einen Kantonsratsbeschluss und einem demokratischen negativen Volksentscheid zu einer Steuererhöhung entsprang? Warum haben es vier Bürgerliche (Graf, Wyss, Küng, Winiker) eine Legislatur lang nicht geschafft, Marcel Schwerzmann an die kurze Leine zu nehmen? Warum erwähnt Wyss das Verwaltungszentrum Seetalplatz, den Ersatz für den Polizeistützpunkt Sprengi, die digitale Offensive und die Reduktion von Fremdmieten als Kerngeschäfte seiner künftigen Finanzpolitik, obwohl diese längst von Marcel Schwerzmann aufgegleist sind?

CVP-Präsident Ineichen hatte laut eigenem Bekunden keinerlei Einfluss

Dass Guido Graf diesen Putsch gegen den Finanzdirektor neuerdings persönlich für sich reklamiert, lässt erahnen, dass unter den CVP-Regierungsräten nicht alles im Reinen ist. Parteipräsident Ineichen durfte zudem glaubhaft versichern, dass der Coup keineswegs unter seinem Einbezug lanciert worden sei. Auch in diesem Geschäft hielten es die CVP-Regierungsräte also für unnötig, ihren Parteipräsidenten über ihre Absichten zu informieren. Kohärentes Politisieren einer «staatstragenden Partei» geht allerdings anders.

Silvio Bonzanigo, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/