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Kolumne der Redaktion

10.05.2019

Der Finanzdirektor als Taschentrickspieler

Es hätte die Krönung einer aus bürgerlicher Warte ausserordentlichen politischen Karriere sein können: Marcel Schwerzmann tritt zurück und hinterlässt dem Parlament eine bestens austarierte Vorlage zur Aufgaben- und Finanzreform zur Beratung. Jetzt könnte es für ihn aber ein zweifaches Debakel absetzen: Dem schusseligen Flickwerk «AFR 18» droht der Absturz, dem Finanzdirektor droht die Abwahl.


Das gehört zu einer guten Gesetzesvorlage: 1. Der Zeitplan ist so angesetzt, dass zum Zeitpunkt der Parlamentsberatung die entscheidenden Parameter bekannt und zum Zeitpunkt der Volksabstimmung abschliessend definiert sind. 2. Bei der Erarbeitung der Vorlage ist die Partizipation aller Beteiligten bis zum Schluss sichergestellt. 3. Die einzelnen Massnahmen sind evident, plausibel und in ihrer Entstehung rückverfolgbar. 4. Die Begünstigung und Benachteiligung einzelner von der Gesetzesänderung Betroffener hält sich in engen Grenzen. 5. Die Auswirkungen der Gesetzesänderung müssen auf der Zeitachse konsistent sein. Aber so viel Theorie erträgt die Aufgaben- und Finanzreform (AFR 18) überhaupt nicht. Sämtliche Anforderungen sind nicht oder nur unvollständig erfüllt. Schlimmer noch: Die Volksabstimmung findet zusätzlich unter einer am Bundesgericht hängigen Klage statt.

Eine Vorlage voller Risiken

Als wär’s eine Adventure-Challenge sucht die Vorlage förmlich das Risiko. Gleichentags, wie über sie abgestimmt wird, klärt sich erst mit dem Ausgang der Bundesvorlage STAF, ob eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der AFR 18 überhaupt erfüllt ist. Und das halsbrecherische Timing geht weiter: Die Steuergesetzrevision, auf der die AFR 18 ebenfalls fusst, wird erst noch im Kantonsrat zu beraten sein. Der Finanzdirektor hantiert also mit Geld, das noch keineswegs in der Kasse ist! Ohne diese Mittel beträgt der Positivsaldo für den Kanton noch immer 20 Mio. Franken, für die Gemeinden würde aber ein Minus von 8 Mio. Franken resultieren! Genau das ist das entscheidende Indiz, dass die AFR 18 so oder so eine verkappte Sanierungsvorlage des Kantons zulasten bestimmter Gemeinden ist.

Veraltete Daten, überfordertes Steuergremium

Seit vielen Jahren wird an dieser Vorlage gewerkelt, und das ist ihr unschwer anzumerken. Die Globalbilanzen beruhen auf der Grundlage des Jahres 2016 (!) und die vom Bundesgericht neu angesetzten Prämienverbilligungen bei der Krankenversicherung sind nicht eingerechnet. Ein derartiges Mammutprojekt will gesteuert werden unter Einbezug aller Betroffenen. Anfangs erfolgreich, entfielen zum Schluss hin die Sitzungen der Steuergremien und zuletzt war nur noch eine Handvoll Mitarbeitende des Finanzdepartements mit der Ausarbeitung der Vorlage beschäftigt. Alternativen zum Entwurf, wie sie die Stadt Luzern einbrachte, wurden übergangen, so die moderate Erhöhung des Anteils der Gemeinden am Ressourcenausgleich oder der Verzicht auf den staatspolitisch delikaten Steuerfussabtausch, der die Gemeindeautonomie in Frage stellt.

Kantonshauptstadt soll ein «Härtefall» werden

Die Kantonshauptstadt, die rund ein Fünftel der Kantonsbevölkerung zählt und bei allen anderen relevanten Indizes Werte zwischen 20 und 30 Prozent der Kantonsvolumina aufweist, wird durch die Vorlage massiv in finanzielle Bedrängnis gebracht. Bei der Stadt und den grösseren Gemeinden will der Finanzdirektor Geld wie ein Taschentrickspieler zum Verschwinden bringen, um es bei den vielen kleinen Gemeinden wieder unversehens zum Vorschein kommen zu lassen. Dass diese Gemeinden der Vorlage folgerichtig sehr gewogen sind, überrascht wenig. Begründet wird dieser Transfer vor allem mit den auf der Landschaft schneller als in der Stadt steigenden Volksschulkosten durch überproportionales Wachstum der Schülerzahlen. Während der Kanton den höheren  Anteil an den Volksschulkosten somit als abschätzbaren Risiko an sich zieht, überwälzt er die unwägbaren Risiken zu hundert Prozent an die Gemeinden, so unter anderem die Individuelle Prämienverbilligung für die Bezüger von wirtschaftlicher Sozialhilfe und die Ergänzungsleistungen zu AHV und IV. Aufgrund des in der Stadt verstärkten demografischen Wandels, inklusive der Auswirkungen der erhöhten Aufwendungen durch die Migration, sind hier laufend höhere Aufwendungen unbekannten Umfangs zu erwarten.

Wirtschaftsmotor als Milchkuh

Generöserweise sieht die Vorlage deshalb einen sogenannten Härteausgleich vor für Gemeinden, die – wie die Stadt Luzern – übermässig negativ betroffen werden von der Vorlage. Nur: Dieser Härteausgleich ist auf sechs Jahre befristet, was einen Affront darstellt. Mit der Vorlage werden die Kantonshauptstadt und weitere der insgesamt 13 oppositionellen Gemeinden offiziell zu «Härtefällen», die durch andere Gemeinden querfinanziert werden müssen. Eine derart unausgewogene Vorlage ist beispiel- und respektlos! Den Wirtschaftsmotor Stadt Luzern zur Milchkuh für den Kanton zu erklären, hat keine andere Vorlage bisher derart ungeniert gewagt.

Zurück an den Absender

Die Vorlage AFR 18 ist ein Flickwerk, das Gemeinden gegeneinander aufbringt, und sie ist ein Hochrisikospiel zum falschen Zeitpunkt. Weisen wir sie klar zurück! Stehen das Ergebnis der Abstimmung STAF, die Ergebnisse der Steuergesetzrevision und der Bundesgerichtsentscheid zum Steuerfussdiktat fest, sind die entscheidenden Parameter definiert. Von da aus lässt sich neu, partizipativ, rechtmässig und solidarisch eine Aufgaben- und Finanzreform planen - unter einer neu besetzten kantonalen Finanzdirektion.

Silvio Bonzanigo, Luzern 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/