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Kolumne der Redaktion

19.01.2018

Wie junge GrafikerInnen das Thema Entschleunigung visualisieren

Vor dem Hauptsitz der Kantonalbank an der Pilatusstrasse wird seit heute Freitag (19. Januar) und bis 30. Januar die traditionelle Plakatausstellung mit Werken von StudentInnen der Fachklasse Grafik gezeigt. Sie drehen sich heuer um das spannende Thema «Entschleunigung». Zehn Beispiele und die Erklärungen ihrer SchöpferInnen sind rechts zu sehen.


Damian Samsoodeen: Autoimmobil

«Dieses Plakat zeigt ein Auto, das, wie kein anderes Objekt, ein Symbol für Geschwindigkeit darstellt, welches nun in einem Bett weilt und somit ausser Betrieb ist. Der Verkehr, ein hektischer Teil unseres Lebens, kann mit der “Ruhigstellung” wesentlich zu einem entspannten Leben beitragen. Dieses Plakat dient als Anregung an alle Autofahrer, ihr Fahrzeug aus dem “Verkehr zu ziehen" und sich damit selbst eine Verschnaufpause zu gönnen. Auf der Bettdecke sieht man das Symbol für "angezogene Handbremse", was darauf hinweist, dass eine Entschleunigung durchaus angebracht wäre. Das Auto liegt wie ein wehrloser Käfer auf dem Rücken und ist in diesem Zustand endgültig bewegungsunfähig.»

Camille Ammann: Strauss und Schnecke

«Die gezielte Verlangsamung wird oft ausschliesslich mit dem Ernst des Lebens in Verbindung gebracht. Auf dem Plakat ist eine Schnecke zu sehen, das gemütlichste Tier, welches sich alle Zeit der Welt nimmt, dann der Strauss, welcher mit seinen langen Beinen mühelos alles und jeden überholt. Die Schnecke hat dem Vogel die Zügel angelegt und zwingt ihn zum Verlangsamen seines angeborenen Tempos. Das ergibt eine seltsame Komik, die uns ein Lächeln abringt und uns damit den Ernst des Lebens ein wenig vergessen lässt. Grundsätzlich widerspiegelt mein Plakat die Widersprüchlichkeit in unserer Gesellschaft, die darin besteht, dass ein Teil der Menschen dieses Lebenstempo gar nicht mithalten kann oder will. Auf der anderen Seite bewegen uns die Erfordernisse der Wirtschaft, die uns ein immer schnelleres Arbeiten abverlangen. Mein Grundgedanke bei der Gestaltung bestand darin, den Ausspruch «Durch Lachen lernt man Moral» zu illustrieren.»

Eleonora Bonorva: Silence

«Bei diesem Plakat kann man zwei schwimmende Köpfe sehen, welche mit der Natur verschmelzen und somit eine vollkommene und sinnbildliche Entschleunigung des Menschen darstellen. Die Augen sind geschlossen, und die Köpfe sind ganz bei sich selbst. Der Körper und die Seele entspannen sich erst, wenn die Gedanken ruhig sind, man über nichts mehr nachdenken muss und einfach geniessen kann. Auf Grund ihrer beruhigenden Ausstrahlung hilft die Natur uns abzuschalten. Wir beruhigen uns mental, physisch und meditativ. Selten nehmen wir uns auch mal Zeit und lassen das, was wir fühlen, hören und sehen auf uns wirken. So gibt uns die Natur wirklich etwas zurück, wenn wir den Umgang mit ihr sinnvoller pflegen.»

Till Hess: Yoga

«Heute gibt es verschiedenste Aktivitäten und Möglichkeiten herunterzufahren, zu entspannen und sich mental zu endschleunigen. Manche mögen es dabei gesünder und andere effizienter, doch häufig will man beides und kompensiert das eine mit dem anderen. Das dabei entstehende Wechselspiel führt zu einem Lebensstil, der viel Ironie in sich birgt. Diese paradoxe Konstellation erscheint auf dem Plakat und widerspiegelt unsere Lebensweise. Das Wort “Yoga” zeigt uns im Kontrast zu den dargestellten ungesunden “Genussmittel” die Widersprüchlichkeit unseres Lebens.»

Tim Frey: Fussgänger

«Selbst der schnellste Läufer ist gezwungen vor einem Fussgängerstreifen anzuhalten. Wenn nun eine Person am Fussgängerstreifen stehen würde, müsste der Läufer, aus dessen Perspektive wir das Geschehen betrachten, oder der Betrachter, anhalten. Die Ironie besteht darin, dass beide Figuren zwar nicht sichtbar, aber im übertragenen Sinne «Fussgänger» sind. Oder besser gesagt zu Fuss unterwegs sind, aber mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Der Fussgängerstreifen ist aus dem gewohnten Kontext genommen und wirkt auf den Betrachter entfremdend. Oft begegnen wir der Entschleunigung dort, wo wir sie am wenigsten erwarten, dort wo die Geschwindigkeit am grössten ist, schmerzt es am meisten, wenn man ausgebremst wird.»

Alexandra Wardle: Time Flies

«"Entschleunigen" ist ein Begriff, der bei jeder Person etwas anderes auslöst. Die Zeit spielt in unserem Alltag eine wichtige Rolle. Wie wir unsere Zeit nutzen oder verschwenden, ist jedem selbst überlassen. Dieses Plakat thematisiert das Gegenteil von Entschleunigen. Die Zeit kann einem davonrennen, oder auch wie im Flug vergehen, wie beispielsweise das Leben einer Eintagsfliege. Dieses Plakat führt uns auch die unentrinnbare Schicksalshaftigkeit unseres eigenen Lebens vor Augen.»

Tabea Marchal: Sintflut

«In der heutigen Gesellschaft muss alles funktionieren, und zwar schnell. Manchmal beschleunigt sich unser Leben so stark, dass uns alles über den Kopf wächst. Das führt dazu, dass man nicht einmal mehr die schönen Dinge im Leben geniessen kann. Das Glacé steht für Genussmittel im allgemeinen Sinne des Wortes und wir "ertrinken" in der "Sintflut" des Konsums, weil uns schlicht die Zeit fehlt, diese Güter auch zu geniessen. Dieses Bild soll auch signalisieren, dass unsere Lebensweise bereits dekadente Züge angenommen hat. Was bringt uns all dieser Überfluss, wenn wir gar nicht in der Lage sind, uns all diesen schönen Dingen des Lebens zu widmen? Dieses Plakat soll anregen, unsere Lebensweise und vor allem unseren Konsum im Sinne der Entschleunigung zu überdenken. Das Wort "Sintflut" stammt zwar aus der Bibel, aber die Menschheit ist heute im Begriff, sich selbst eine Sintflut zu bereiten.»

Louise Schibli: Welle der Menschen

«Innerlich wissen es wir alle ganz genau. So wie unsere Wohlstandsgesellschaft zurzeit sinnlos konsumiert, so kann es nicht weitergehen. Unser Konsum-Hunger scheint unstillbar zu sein. Doch wer liefert unsere scheinbar lebensnotwendigen Produkte? Genau, unsere Wirtschaft. Doch diese braucht Ressourcen. Haben wir diese? Ja, im Moment vielleicht noch, doch Rohstoffe sind limitiert. Wenn wir in diesem Tempo unsere lebensnotwendigen Vorräte aufbrauchen, werden wir in naher Zukunft einen weiteren Planeten brauchen. Mit unserem enormen Konsum überfordern wir unsere Welt, sie kann "die Welle der Menschen" nicht mehr verkraften, was im Plakat mit "surfen" umrissen wurde.»

Silja Fleischli: Usghänkt

«Die Episode einer Person, die in ihrem Netz gefangen ist. Einerseits kann uns durch Zeitdruck und/oder monotone Arbeit der Faden entgleiten und es entsteht ein Fadengewirr, das vermeidbar gewesen wäre, hätte man sich genug Zeit genommen. Vielleicht ist aber die betreffende Person ihrer Rolle gar nicht gewachsen und ist in ihrem Muster gefangen und entscheidet sich bewusst, aus diesem Raster auszubrechen. Mit diesem Akt beginnt die Chance der Veränderung und kann zu einer entscheidenden Entschleunigung führen. Das persönliche Tempo wirkt sich direkt auf die Lebensqualität aus. “Usghänkt” bezieht sich also auf diese Möglichkeiten der Lebensgestaltung. Das weisse, eng gewebte Garn symbolisiert die Erwartungshaltungen der Gesellschaft.»

Lily Nager: Schlaflos

«Was ist die grösste Entschleunigung, die der Mensch erreichen kann? Es ist der Schlaf, und wir bekommen alle ein wenig zu wenig davon. Es ist morgen früh, wir starren in unsere Tasse, die an den elenden Teufelskreis von Kaffee und Bett erinnert und man wünscht sich zurück in seine Träume. Wenn man endlich den Kopf aufrichtet, bekommt man zu hören, wie müde man aussieht, von einer Person, die genau so müde aussieht wie du. Das Bild symbolisiert den äussersten menschlichen Widerspruch, zwischen Schlafbedürfnis und Wachsein.»

Die Fachklasse Grafik (FG) bildet Lernende in einer vierjährigen Ausbildung zur Grafikerin/zum Grafiker EFZ mit Berufsmaturität aus. Die Ausbildung besteht aus drei Jahren Vollzeitschule und einem Jahr Praktikum. Die Schule hat ihren Sitz an der Rössligasse 12 in der Luzerner Altstadt – im altehrwürdigen Haus der «Kunsti», der Schule für Gestaltung. Gegenwärtig besuchen rund 100 Lernende die FG. 

Bruno Niederberger von der Allgemeinen Plakatgesellschaft (APG), welche sich einmal mehr als Auftraggeberin dieser Plakate engagierte und so aktive Nachwuchsförderung betreibt, sagt:  

Plakate sind einfach da, während einer oder zweier Wochen, elegant die einen, etwas unbeholfener die anderen – zuweilen witzig, gelegentlich plump, bisweilen charmant und manchmal provokativ. 

Plakate sind ehrlich. Sie sagen, was sie wollen, und sie sagen uns dies – wenn sie gute Plakate sind – deutlich und unmissverständlich: sie wollen informieren, einladen und damit letztlich verkaufen helfen – eine Dienstleistung, ein Konsumgut, eine Veranstaltung, eine Spendensammlung, eine politische Meinung. 

In einem freien Land dürfen Institutionen, Unternehmen, Verbände und Parteien für ihre Anliegen, Produkte und Dienstleistungen freie Werbung betreiben. Diese Überlegung hat die APG|SGA Luzern im Jahre 1997 bewogen mit jungen Menschen, Absolventen der zweiten Fachklasse Grafik einzuladen, ihre Gedanken, Ideen, Wünsche, Erwartungen zum Jahreswechsel zu formulieren und plakativ umzusetzen:

Wie sehen junge Menschen das neue Jahr? Was bewegt sie? Das sind die Fragen, die uns interessierten, und wir sind bei den Verantwortlichen der Schule mit unserem Projektvorschlag auf offene Ohren und spontanes Engagement gestossen. 

Die Fachklasse Grafik des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums und die APG|SGA haben ein gemeinsames Anliegen: Wir beide setzen uns für qualitativ gute Plakate ein. Die Zukunft des Schweizer Plakates liegt bei unserer Jugend. Das ist der Grund, weshalb die APG|SGA Luzern sich mit dem vorliegenden Projekt «Denkzettel 2018» wiederum an die Fachklasse Grafik des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums gerichtet hat. Der Nachwuchs an dieser Schule hat es in der Hand, die gute Qualität unserer «Galerie der Strasse» aufrechtzuerhalten und zu entwickeln. Wir wünschen den jungen Menschen, dass diese Hand jederzeit glücklich geführt wird und zum verdienten Erfolg findet. 

Ich möchte mich bei Martin Woodtli und Tobias Klauser, der Fachklasse Grafik, die das Projekt mit Begeisterung geleitet haben, bedanken. 

Ebenso bedanke ich mich bei Sérigraphie Uldry für den Druck der Plakate, sowie der Luzerner Kantonalbank für die Benützung der Piazza. 

Last but not least gilt mein Dank allen Absolventen der Fachklasse Grafik, welche die Herausforderung angenommen und uns phantastische Arbeiten abgeliefert haben. Das Ergebnis ihrer Bemühungen wird nun in den Strassen Luzerns zu bewundern sein. Den Aushang übernimmt die APG|SGA kostenlos. Im Rahmen ihres Kultursponsorings und ihrer Bemühungen zur Förderung guter Plakatqualität will sie damit einen weiteren Meilenstein setzen. 

Zudem sind die Plakate auf der Piazza vor der Luzerner Kantonalbank in Luzern vom 19.–30. Januar 2018 ausgestellt. 

Bruno Niederberger, Regionenleiter Allgemeine Plakatgesellschaft, Bern/Luzern

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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/