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Kolumne der Redaktion

24.09.2017

Wirklich erstaunlich ist nur das wuchtige JA zum Gegenvorschlag zur «Boden-Initiative»

Der Ausgang der städtischen Abstimmungen heute über gleich vier Vorlagen mag auf den ersten Blick als Schlappe für die Bürgerlichen erscheinen – er ist es aber nur bedingt wirklich, denn das hätte für sie weitaus schlimmer ausgehen können. Allerdings auch klar besser.


Vorweg dies: die Vorlage mit dem etwas sperrigen Titel «Zweckverband Grosse Kulturbetriebe Kanton Luzern» war völlig unbestritten. Die 86,12 Prozent JA-Stimmen sind eine überzeugende Hommage an das Verkehrshaus, einen Sympathieträger dieser Stadt.

Zu einem wirklichen Gesprächsthema ist in der Stadt Luzern im Vorfeld des heutigen Abstimmungssonntags nur die «Inseli-Initiative» der JungsozialistInnen geworden. Sie erreichte 51,61 Prozent Zustimmung. Es hätten allerdings genauso gut 51,61 Prozent Ablehnung werden können.

Noch vor einem Moment gab es kaum Stimmen, die eine Ablehnung vorausgesagt hätten. Den bürgerlichen Gegnern und einer offensichtlich üppig dotierten Kriegskasse aber ist es gelungen, diese Debatte zu beherrschen, indem sie vorab auf die «Karte Määs» setzten und deren Ende herbeiredeten, falls die Initiative angenommen werde. Das war zwar schlichtweg unwahr, wurde aber offensichtlich von einem Teil der Bevölkerung geglaubt. Immerhin brachte es diese Strategie zustande, dass sich in manchen Köpfen diese Debatte auf die Botschaft reduzierte: «Nein: die “Määs” muss bleiben, die Initiative ist abzulehnen».

Hätten die Gegner in erster Linie die «Karte Tourismus» gespielt, hätten sie gewiss weitaus weniger NEIN-Stimmen erreicht, die Vorlage also erst recht nicht zu Fall gebracht. Denn die enormen Massen von «Tagestouris», die tagtäglich diese Stadt fluten, sind einem immer grösseren Teil der Bevölkerung ein Ärgernis; ein Ärgernis, das der Initiative nützte.

Immerhin also ist es den Gegnern um Haaresbreite fast gelungen, die lange überwiegend positive Stimmung zum JUSO-Anliegen zu kehren.

Und zwar auch darum, weil die Initianten in den letzten, sagen wir mal drei Wochen praktisch nicht mehr präsent waren. Sei es, weil sie sich ihrer Sache zu sicher waren; sei es, weil ihnen die eh sehr bescheidenen finanziellen Mittel ausgegangen waren; sei es, weil sie schlichtweg nicht die erforderliche Erfahrung und – weniger noch – die entsprechenden Köpfe, Kräfte und Kompetenzen in ihren jugendlichen Reihen hatten, um den Gegnern rasch und angemessen zu entgegnen und ihre Auftritte wirkungsvoll zu parieren. So gesehen, haben sie eine formidable Ausgangslage leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Dafür hätten sie heute fast die Quittung erhalten, weshalb sie sich auf die 51,16 Prozent JA-Stimmen nicht allzu viel einbilden sollten. Aber ein JA ist ein JA und es gab schon knappere Abstimmungserfolge (die übrigens erst noch mit Pauken und Trompeten gefeiert worden sind!).

Genau umgekehrt verhält es sich bei der Vorlage Cheerstrasse. Hier waren die Roten und die Grünen die Gegner des Projekts, allerdings waren sie so gut wie überhaupt nicht präsent und man darf angesichts der sehr knappen Annahme (50,56 Prozent JA) davon ausgehen, dass es ihnen – falls sie denn wirklich gewollt hätten – gelungen wäre, diese Vorlage tüchtig zu versenken; zumal das Projekt den Stadtteil Littau betrifft. Der alte Stadtteil – also Luzern – ist jedoch bekanntlich sehr kritisch gegenüber Strassenbauprojekten eingestellt, vor allem, wenn sie so viel Geld kosten.

Die unglaublich knappe Zustimmung von 50,56 Prozent zur Cheerstrasse ist somit ein Vorgeschmack auf die Vorstellung, wie das Resultat lauten würde, wenn dieser Vorlage – eben – echte und publikumswirksame Gegnerschaft erwachsen wäre. Dieses JA hat übrigens einen wichtigen positiven Effekt, denn es dürfte all jenen den Wind aus den Segeln nehmen, die sich noch immer nicht mit der Fusion Luzerns mit Littau abgefunden haben und unaufhörlich heulen, Littau werde hierwärts stiefmütterlich behandelt.

Womit wir beim einzigen tatsächlich aufsehenerregenden Resultat dieses Sonntags wären: bei den 67,08 Prozent JA-Stimmen zum Gegenvorschlag zur «Boden-Initiative» der Grünen.

Auch da – die Gegner waren hier allerdings «die Rechten» – fehlte eine erkennbare Gegenkampagne. Die Bürgerlichen wurden zwar nicht müde, dieses Anliegen als ordnungspolitischen Sündenfall, gar als «Planwirtschaft pur» (oder ähnlich) zu geisseln. Aber sie brachten es nicht fertig, die Vorlage in ihrem Sinn zu einem Bevölkerungsthema zu machen und die aus ihrer Sicht negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort Stadt Luzern wirkungsvoll zu thematisieren.

Die Bürgerlichen haben heute zweimal verloren («Inseli-Initiative» und «Boden-Initiative») und einmal äusserst knapp gewonnen (Cheerstrasse). Das sollte ihnen zu denken geben. Vor allem, wenn sie sich daran erinnern, wie oft Anliegen aus dem rot-grünen Lager in den letzten Jahren erfolgreich waren (siehe dazu unter «In Verbindung stehende Artikel»: Den Bürgerlichen droht ein «Waterloo»).

Sollten sie daraus nicht rasch die richtigen Konsequenzen ziehen und es schaffen, fortan Abstimmungen klar zu gewinnen, so könnten die nächsten städtischen Wahlen (2020) zu einer Wende in der Stadtluzerner Politik werden.

Einer Wende, welche der SP nicht mehr wie bisher 14 und den Grünen 7 (zusammen also 21 der insgesamt 48 Sitze im Grossen Stadtrat) bringt, sondern sogar eine absolute Mehrheit. Und, wer weiss, eine Mehrheit auch im fünfköpfigen Stadtrat.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/