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Kolumne der Redaktion

17.05.2017

Wer den sozialen Zusammenhalt noch mehr gefährdet, spielt mit dem Feuer

Es gilt als so sicher wie das «Amen» in der Kirche: Am nächsten Sonntag (21. Mai) wird das Luzerner Volk ablehnen, dass der Kanton seine Beiträge an die Gemeinden für deren Musikschulen halbiert. Die Frage ist bloss, mit welcher Deutlichkeit dieses Nein ausgehen wird. Der Entscheid ist ein grundsätzliches Signal.


Sagen wir es so: 60 Prozent Nein-Stimmen wären eine sehr deutliche Botschaft. Was «darüber ist», wäre eine Ohrfeige für all jene KantonsrätInnen, die dieses unverständliche Ansinnen der Regierung seinerzeit unterstützt und damit das Referendum provoziert haben; KantonsrätInnen, welche den Stellenwert und die Popularität der Musik überhaupt und damit auch der Nachwuchsförderung schlichtweg unterschätzt haben.

Im Kanton Luzern gibt es in praktisch jeder Gemeinde eine Musikgesellschaft, in manchen gar deren zwei, die entweder liberale oder konservative Wurzeln haben, so benannt nach den politischen Parteien, die sie gegründet hatten und denen sie nahe standen und meist noch immer stehen. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, diese Formationen böten zumeist Musik in jedwelchen Ausprägungen vom Feinsten. Nicht diese beeindruckende Qualität aber ist das Entscheidende: auch Musikgesellschaften, die nicht «top» sind – warum auch immer – tragen Wesentliches zum «Kitt» in einer Gemeinde und damit einer Gemeinschaft bei, vereinen unterschiedlichste Charaktere, Generationen und soziale Schichten im schlichten Willen, gemeinsam Grosses zu erreichen; umrahmen Dorffeste ebenso wie sie renovierte oder neue Schulhäuser einweihen oder Verstorbene zur letzten Ruhe betten. Das ist Solidarität.

«Das grosse Tor von Kiew», «Also sprach Zarathustra» oder «Deep Harmony» und noch weitaus mehr: So anspruchvolle blasmusikalische Highlights gibts im Kanton Luzern landauf und landab an Jahreskonzerten von Musikgesellschaften in erstaunlicher Qualität zuhauf zu hören. Das muss so bleiben.

Um diese Rolle auch fortan spielen zu können, sind die Musikgesellschaften also auf tüchtigen Nachwuchs angewiesen. Wie die Kirchen- und Jodelchöre, um nur zwei weitere Beispiele zu nennen. Hier war «vom Land» die Rede. Nun zur Stadt.

Auch wenn in Luzern die Zeiten längst vorbei sind, dass die Stadtmusik in ihren historischen Uniformen durch die Stadt stolzierte, flott geführt vom ebenso unvergessenen wie unvergesslichen Albert Benz, einem Grossmeister der blasmusikalischen Pädagogik und Komposition und zudem ein faszinierender Mensch von unglaublicher Strahlkraft. Oder dass die einstige Verkehrspersonalmusik («Die rote Musik»), den 1.-Mai-Umzug taktfest und schneidig anführte und anfeuerte: erst recht ist die Förderung des musikalischen Nachwuchses hierwärts zutiefst verankert.

Albert Benz übrigens - im März 1988 mit erst 61 Jahren aus seinem reichen und breiten Wirken und vor allem seinen Liebsten und Nächsten allzufrüh jäh entrissen - würde sich im Grab umdrehen, wenn er davon erführe, dass seine Partei, die FDP, mitgeholfen hat, den unsäglichen Kantonsratsentscheid betreffs Musikschulen zustande zu bringen. Benz war - auch das ist nicht übertrieben - eine Kapazität mit erstklassigem internationalen Ruf! Es läge längst an der Stadt Luzern, ihn endlich gebührend zu ehren.

Dem Vernehmen nach gibt es in der Stadt 2000 MusikschülerInnen, was alles aussagt. Dass die Musikstadt Luzern weltweit ein Name von Rang und Klang ist, wirkt auch «nach innen» und motiviert junge Menschen, Instrumente zu erlernen. Einerseits gewiss, um sich selbst zu beweisen. Erst recht aber auch, um dereinst beizutragen, dass die überaus lebendige und vielfältige Musikszene erhalten bleibt; auch hier: um gemeinsam Grosses zu erreichen. 

Bis und mit hier, an dieser Stelle in diesem Text, würde vermutlich nicht einmal ein Befürworter der Halbierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen widersprechen. Er würde – abermals bloss vermutet – fragen: «Wo liegt denn das Problem?» Und ergänzen: «Wenn der Kanton seine Beiträge für die Musikschulen an die Gemeinden halbiert, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder übernehmen die Gemeinden diese Summen, oder die Beiträge der Eltern an die Musikschulen werden erhöht.»

Fraglos gibt es Gemeinden, die es sich problemlos leisten können, sich grosszügig zu zeigen. Nicht wenige der Kommunen aber werden Variante zwei anwenden, nämlich die Eltern vermehrt zur Kasse bitten; Gemeinden also, die keinerlei finanziellen Spielraum mehr haben. 

Mit anderen Worten: wir stimmen am Sonntag nicht über «Für oder gegen die Musikschulen» ab. Sondern über die Frage, ob es von den finanziellen Verhältnissen der Eltern abhängen dürfe, ob Kinder den Musikunterricht besuchen können oder nicht. Und da kann die Antwort nur ein klares Nein sein.

Kinder und ihre persönliche Entwicklung, wie sie der Musikunterricht fördert, und ihre künftige Rolle in der Gesellschaft – zum Beispiel als MusikantInnen und damit als Glieder von Gemeinschaften, die das kulturelle Leben bereichern – sind ein sehr hoher gesellschaftspolitischer Wert, der nicht von den pekuniären Verhältnissen des Elternhauses abhängig sein darf. 

Wenn die Halbierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen am Sonntag erwartungsgemäss abgelehnt wird, ist dies auch eine Warnung an die Regierung und den Kantonsrat, diesen Kanton weiter auseinander zu dividieren. 

Künftige Sparpakete werden es schwer haben, wenn sie – wie in dieser Frage – letztlich dazu führen, «das finanzielle Schlamassel», in dem dieser Kanton steckt (O-Ton des abtretenden CVP-Kantonalpräsidenten Pirmin Jung am 27. April in Hildisrieden), noch mehr zulasten «kleiner Leute» zu korrigieren. 

Wer den sozialen Zusammenhalt dieser Gesellschaft – noch mehr! – gefährdet, spielt mit dem Feuer.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern  


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/