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Kolumne der Redaktion

10.03.2017

Eine Ringparabel in der Backstube

Peter Beck hat mit «Korrosion» einen Thriller geschrieben, der streckenweise auch in Luzern und auf dem Titlis spielt. Peter Graf hat ihn gelesen und schreibt hier über dieses Buch. Siehe auch unter «In Verbindung stehende Artikel»: frühere Kolumnen von Peter Graf.


Wer auch diesen Frühling oder Sommer mit Winter zu tun haben möchte,der greife zum neuen Roman von Peter Beck: «Korrosion». Tom Winter, sein Held, ist fulminant zurückgekehrt in die Buchläden. Beck hat sich vor drei Jahren mit «Söldner des Geldes» in die Gilde der – nicht sehr zahlreichen – Schweizer Thriller-Autoren eingereiht. Sein global tätiger Ermittler ist diesmal nicht nur in Luzern, der Innerschweiz, der Bundesstadt und den umliegenden Touristenorten an der Arbeit; er sucht die Wahrheit auch auf den Azoren, in Manchester, in Nürnberg und anderswo.

Auf der Seepromenade in Luzern trifft Winter einen Hauptverdächtigen der Polizei, der eine Rolle in einem Drogendeal spielt und ihn auf die Spur eines zwischen der Schweiz und Marokko tätigen Schmugglerrings bringen soll.     

Tom Winter ist der durchtrainierte, wortkarge, aber effiziente und auch gegen sich selber schonungslose  Sicherheitschef einer kleinen, feinen Schweizer Privatbank. Die kümmert sich um die Anlagewünsche von Leuten, die in der globalen Finanzwirtschaft reich geworden oder aus Tradition und Herkunft vermögend sind. 

Im neuen Roman geht es zunächst um eine seltsame Forderung im Testament einer gewaltsam zu Tode gekommenen, sehr vermögenden Kundin dieser Bank, die allerdings in einer armseligen Hochhauswohnung in Berns Westen hauste. Damit Winters Bank das Testament eröffnen kann, muss zuerst diese Forderung erfüllt werden. Es muss geklärt werden, welches ihrer längst erwachsenen drei Kinder vor Jahrzehnten ihren zweiten Ehemann aus dem Leben in den Tod befördert hat.

Wie soll das millionenschwere Erbe unter den Kindern verteilt werden, wenn niemand wissen will, ob eine der beiden Töchter oder der Sohn für den grauenhaften Mord am Vater verantwortlich ist? Die Tat hatte sich in der Backstube des Vaters abgespielt. Beck liess sich dazu eine besondere Art von Ringparabel einfallen. 

Winter ist gefordert. Soll er sich auf den Vatermord konzentrieren und den Tod der Witwe einfach der Polizei überlassen? Er vermutet enge Zusammenhänge. Der verdächtigte Flüchtling – eine Begegnung in Luzern: Was hat ein in Berns Westen für ein Reinigungsinstitut arbeitender Sudanese damit zu tun, dessen Spuren sich in der Wohnung der ermordeten Witwe im Hochhaus in Bethlehem und damit in der Stadt Bern fanden? Die Suche nach Antworten führt den Leser unter anderem in den kriegsverwüsteten Sudan, den Bürgerkrieg in Libyen und ans nordafrikanische Mittelmeerufer, wo die meist kaum seetüchtigen Flüchtlingsschiffe nach Europa ablegen. 

Winter will sich, zum Missvergnügen seines Chefs von Tobler, nicht einfach auf diese Familientragödie konzentrieren, als er im Verlauf seiner Ermittlungen erfährt, dass die Polizei den Sudanesen zum Hauptverdächtigen erkürt.  

Bei einem Treffen mit dem Afrikaner auf der Seepromenade in Luzern entlang der Nobelhotels gegenüber KKL und Bahnhof wird ihm von diesem berichtet, wie er einer marokkanischen Drogenschmugglerbande auf die Spur kommen kann.

Winter merkt, dass es sich um Leute handelt, die ihm schon früher begegnet waren, weil sie bei ihm – zu Recht – ein verschwundenes Paket Kokain suchten, das Winter jedoch in seinem Safe in der Bank versteckt hatte. Der Sudanese weiss, wie man zum Gegenwert des Kokains kommt.

Zurück zur Erbschaft: Zwei der drei von der Mutter verdächtigten Kinder findet Winter im weihnächtlichen Manchester und im verregneten Nürnberg. Eine auf den Azoren wohnhafte Tochter bleibt unauffindbar. Ein Kleidungsstück von ihr wird in einem Vulkankrater gesichtet. Ist sie dort zu Tode gekommen? 

Becks Hauptakteur im Roman gelingt es, all diese Fragen im Verlauf einer verzwickten Geschichte zu klären. Allerdings geht es nicht ohne weitere Morde und Blessuren, denn der Ermittler der Bank sucht die Wahrheit mit vollem Körpereinsatz. Zum Glück hat der Held der Geschichte eine ausgezeichnete Judo-Ausbildung und weiss sich zu wehren, wenn ihn marokkanische Drogenhändler bei der Arbeit stören. Auch der Autor ist Träger des schwarzen Gürtels im Judo. Und selbst dann, wenn die Suche nach Möglichkeiten, das Testament endlich eröffnen zu können, unvermittelt mit dem Ausbruch eines Rachefeldzugs des Sudanesen zusammenfällt, weiss sich Winter zu helfen. Das passiert im verschneiten Titlisgebiet, mitten unter chinesischen und indischen Touristen und endet tragisch für mehrere Beteiligte in einer Lawine. 

Doch bevor Tom Winter seine Ermittlungsarbeit für die Bank aufnehmen kann, muss er sich zu Beginn des Buches aus einer Lawine retten, in die er als Tiefschnee-Skifahrer geraten war, als zwei Snowborder mangels Erfahrung und Können ein Schneebrett lösten. Winter wäre beinahe selber der erste Todesfall geworden. Dann wäre wohl aus der spannenden Geschichte nichts geworden. Als ehemaliger Einsatzleiter der Polizeisondereinheit Enzian gelingt es ihm dank grosser Widerstandskraft und rechtzeitig eintreffender Lawinenrettungsleute, das Unglück zu überleben.  Peter Beck kennt sich als brevetierter Skilehrer aus.

Becks Roman, den der deutsche emons-Verlag als Thriller bezeichnet, schockt den Leser mit brutalsten Mordmethoden, wie man sie vorab aus der skandinavischen Kriminalliteratur kennt. Der griechische Autor Petros Markaris hat in einem Vergleich zwischen süd- und nordeuropäischer Krimiliteratur darauf hingewiesen, dass sich die Methoden in Europas Norden und Süden deshalb grundlegend unterscheiden, weil die Länder Südeuropas seit Jahrhunderten und bis in die neuste Zeit mit Folter, Krieg und Mafiagewalt gequält wurden. Da mag man als Autor nicht auch noch die Mussezeit seiner Leser mit derartigem Stoff belasten. Viel lieber verwöhnen italienische, griechische und spanische Krimi- und Thrillerautoren ihre Leser mit den kulinarischen Schwelgereien ihrer Detektive und deren familiärem Umfeld. In nordeuropäischen Kriminalgeschichten und Thrillern dagegen ist Schmalhans Küchenmeister, nicht infolge Armut, sondern mangels Interesse an gutem Essen. Auch Schweizer Autoren wie Peter Beck leiten die Aufmerksamkeit in der Regel nicht auf sinnliche Genüsse aus dem Küchenfach. Sie unterhalten ihre Leser lieber mit dem Schrecken schauerlicher Mordmethoden. 

Beck ist jedoch etwas ganz anderes auf beispielhafte Art gelungen: Er verschränkt die Lebens- und Leidensgeschichte des Sudanesen auf seinem Weg aus der kriegsverwüsteten Heimat in den Nuba-Bergen an die Südküste des Mittelmeers, durch die Sklavenarbeit auf spanischen Erdbeerplantagen, über die Flüchtlingslager in Europa bis in die reiche Schweiz. So gibt er Theodor Adornos sprichwörtlich gewordener Erkenntnis „es gibt kein richtiges Leben im falschen“ Gesicht und Handlungen. 

Der eine Sohn ist – trotz der millionenschweren Mutter – ein Kleinkrimineller in Manchester; die eine Tochter flüchtet vor ihrem Grobian von portugiesischem Ehemann; die dritte ist kettenrauchende, von Krebs befallene, den nahen Tod erwartende Zynikerin. Sie leitet mit ihrer Tochter, der Enkelin der Erblasserin, eine vom Bankrott bedrohte Pharmafirma, die in Entwicklungsländern in Flüchtlingslagern ihre unausgereiften Produkte testet. 

In dieser gefährlichen Gemengelage versucht Winter krampfhaft, bei seinem Leisten als Sicherheitschef der Bank zu bleiben. Das gelingt ihm nicht immer, denn er ist sensibel und kann die Welt des schönen Scheins der Bankkundin und das entbehrungsreiche Leben des Sudanesen nicht einfach trennen.

Es ist eine bedauerliche Unachtsamkeit , die auch auf das Konto des Lektorats geht, dass auf Seite 61 eine «fette Afrikanerin» aus einer Wohnung tritt, während auf Seite 141 ein kleiner Junge «mit gut genährter Mutter« (zweifelsfrei Einheimische) die Spielecke im Wartzimmer eines Spitals erobert. Warum ist die Farbige «fett» und die Weisse «gut genährt»? 

So werden wir, wie schon bei Peter Becks «Söldner des Geldes», in «Korrosion» Zeugen dessen, was sich in der globalen Finanz- und Staatenwelt abspielen kann. Mitunter staunt man über die physischen Fähigkeiten des Helden, die wohl einem strengen medizinischen Urteil nicht immer standhielten. Indessen hofft man, dass auch weiterhin gilt: «Der nächste Winter kommt bestimmt.»

Vom Verlag angekündigt ist er bereits.

Peter Graf, Bern

Emons Verlag, bestellbar unter www.emons-verlag.de oder im Buchhandel: ISBN 978-3-7408-0040-6


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/