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Kolumne der Redaktion17.11.2016 Würdiger Abschied von Hans Peter Jaeger: Kollegen erinnern sich an ihren LehrmeisterIn der Matthäuskirche in Luzern hat gestern Mittwoch (16. November) die Trauerfeier für Redaktor Hans Peter Jaeger stattgefunden, der am 5. November im 97. Altersjahr für immer friedlich eingeschlafen ist. Er hat die Redaktion des Luzerner Tagblatts während Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt. Und er war ein Freund und Förderer der Jugend, wie Erinnerungen von Kollegen zeigen, die ihm gestern die letzte Ehre erwiesen haben.Es waren keine 50 Leute, die sich zur Feier begeben hatten. Was einmal mehr zeigt: So vergeht der Ruhm der Welt. Gewiss ist aber auch: Viele, sehr viele seiner Weggefährten sind dem inzwischen über 96-jährigen Hans Peter Jaeger in den Tod voraus gegangen, sonst wären es weitaus mehr BesucherInnen dieser würdigen Feier gewesen, die wohl ganz im Sinne dieses sehr bescheidenen, greisen, weisen, leisen Menschen gewesen ist. Allerdings ebenfalls unter den Trauergästen: Altstapi Franz Kurzmeyer, Altregierungs- und Altständerat Robert Bühler und Altoberrichter Mike Kreienbühl. Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern Hier folgt der Lebenslauf, der an der Trauerfeier in der Matthäuskirche vorgelesen worden ist, verfasst von Hans Peter Jaegers Sohn Christian Jaeger (Zürich): Geboren wurde mein Vater 1920 in Luzern, als Sohn von Elsbeth (geborene Zehnder) und Jacob Heinrich Jaeger, eines aus dem Engadin ins Unterland ausgewanderten Ehepaars. Die Mutter Elsbeth zog später wieder ins Engadin, dem mein Vater stets innig verbunden blieb. Unser Familienname ist nur unser Familienname, wenn er mit «a-e» geschrieben wird, weil das Rätoromanische keine Umlaute kennt und ein Jäger mit «ä» kein Engadiner ist. Darüber klärte er mich während eines langen Spaziergangs im schönen Engadin auf und erklärte bei derselben Gelegenheit auch die Abstammung der Familie Jaeger als aus dem Wallis Eingewanderte, Valser eben. Es wurmte ihn ein wenig, dass sein Sohn nie wirklich des Rätoromanischen mächtig wurde. Wir verbrachten immerhin alle unsere Ferien im Engadin bei meiner Grossmutter, winters zum Skifahren und sommers zum Wandern, und auch unsere Kinder fahren noch auf den selben Pisten und planschen in denselben Bergseen. Über seine Kindheit ist mir wenig bekannt, nur die Anekdote dass sein Bruder einmal ins Spital musste, weil die Buben Bauernhof spielten und der Bruder die Kuh war und Blumen essen musste. Der Bruder hat die Sache aber dann gut überstanden und ist auch fast neunzig geworden. Im Zweiten Weltkrieg war mein Vater – er war kein kriegerischer Mensch – Sanitätssoldat. Von den Kenntnissen, die er im Dienst erwarb, konnte ich dann als Kind profitieren, beispielsweise, wenn es darum ging, das richtige Hausmittelchen zu applizieren – immer verbunden mit einer Erklärung, was das denn nun in meinem Körper bewirke; oder schmerzfrei einen Holzsplitter aus einem Fingerchen zu entfernen. Überhaupt ist eine meiner frühesten Erinnerungen an meinen Vater, dass er einmal eine Nacht an meinem Bett sitzend verbracht hat, als ich mit einer Kinderkrankheit darniederlag. Das geschriebene Wort spielte eine zentrale Rolle in seinem ganzen Leben. Kaum ein Raum in seiner Wohnung ist ohne Bücher und ich erinnere mich gut, dass er mir über lange Zeit abends zum Einschlafen aus Büchern vorlas. Zuerst die Schweizer Geschichte von der Ur- bis zur Neuzeit, dann die gesammelten Werke von Karl May (Old Shatterhand und Winnetou) und andere Bücher, deren Namen mir entfallen sind. Später versuchte er dann, mir die Klassiker der Literatur nahe zu bringen. Sein Berufsleben war gleichfalls von Lettern geprägt: er arbeitete zuerst als Journalist bei der «Freien Innerschweiz», später als Redaktor beim «Luzerner Tagblatt», also bei zweien der damals vier Luzerner Tageszeitungen. Diese üppige Zeitungslandschaft war streng parteipolitisch geprägt und der Wechsel zwischen zwei Zeitungen brachte auch einen Wechsel des Parteibüchleins (von den Sozialdemokraten zu den Liberalen) mit sich. Als Redaktor war er zuständig für den Lokalteil der Zeitung, ein profunder Kenner und Kommentator der Luzerner Politik. Ich durfte ihn oft in der Zeitung besuchen und erinnere mich noch bestens an den Geruch, der aus der Druckerei drang und der mir «heimelig» war, obschon ich ihn jetzt nicht mehr beschreiben könnte. Das war vor der Einführung der Computer und das Layout der Zeitungsseiten geschah noch mit Massstab, Schere und Leim. Die Artikel wurden mit der Schreibmaschine auf Papier gehämmert. Auch das Knattern, Klingeln und Klimpern der Schreibmaschine gehörte zu meiner Kindheit und mein Vater zeigte mir, wie man kleine Zeichnungen aus den Buchstaben zusammensetzen konnte, ein antiker Vorläufer der «ASCII-art». Zeitlebens hat mein Vater gern gearbeitet, seine Pensionierung – die er so lange als möglich hinauszögerte – war zuerst kein freudiges Ereignis, sondern stimmte ihn eher traurig, ging doch dieser Übergang in seinem Leben mit dem Niedergang «seines Luzerner Tagblatts» einher. Die Fotografie war eine weitere grosse Leidenschaft, teilweise etwas zu meinem Leidwesen als Kind, denn das dauernde Posieren langweilte mich. Ich erinnere mich jedenfalls an keinen Spaziergang, wo mein Vater nicht mit zwei grossen Taschen mit Fotoapparaten, Objektiven und Filmrollen unterwegs gewesen wäre. Es ist auch eine liebe Kindheitserinnerung von mir, dass ich ihm in der Dunkelkammer (auch im Gebäude des «Tagblatts») beim Entwickeln der Fotografien zuschauen konnte. Das geheimnisvolle rote und gelbe Licht, der Geruch und das magische Erscheinen der Photos war ein ganz besonderes Erlebnis. Dazu erklärte er geduldig, wie das ganze funktioniert, und von wem es wann erfunden worden war. Nicht nur privat, sondern auch für die Zeitung photographierte er, und signierte seine Photos mit «Rimnov», was man von hinten nach vorne lesen muss, damit man es versteht: Vonmir! Typisch für sein feinsinniges Gespür für Humor. Verheiratet war mein Vater seit 1963 mit meiner Mutter, Anna Jaeger-Fischer. Er liess sich Zeit für alles Wichtige im Leben, und so wurde er recht spät, mit 50 Jahren mein Vater. Dann nahm er diese Rolle aber ernst. Er war ein geduldiger und liebevoller Vater, der mich als Kind zu fördern suchte, wo er konnte, sei es durch das Vorlesen, indem er mich immer wieder ins Verkehrshaus Luzern brachte, mit dessen Direktor Alfred Waldis er befreundet war. Oder sei es, indem er mir, als ich schon etwas grösser war, einen der ersten Heimcomputer kaufte, auf dem ich (Anfang der Achtzigerjahre) meine ersten Schritte in die digitale Welt tun konnte. Er genoss seine Familie, die 70-er-Jahre waren eine Zeit, wo er jeden Mittag zum Essen nach Hause kommen, sein Gläschen Wein trinken und sein Mittagsschläfchen halten konnte, bevor er nachmittags wieder zur Arbeit ging. Er war überzeugt, dass er wegen dieser gesunden Gewohnheiten so lange leben und gesund sein durfte. Auch das Schachspiel war eine Leidenschaft von ihm, die er aber, stiller Mensch, der er war, nicht in einem Schachclub, sondern oft bei sich zuhause ausübte – er war ein Sammler von Schachcomputern, als diese erst gerade erschwinglich wurden. Auch mir hat er das Schachspiel beigebracht. In seinen späten Jahren hatte er stets ein Lächeln für seine Enkelkinder und diese haben sich auch jedesmal gefreut, ihren Grossvater zu sehen. Auch mit über 90 Jahren liess er es sich nicht nehmen, jedes Jahr Weihnachtsgeschenke für die beiden Mädchen zu besorgen. Der überraschende Tod meiner Mutter muss ihn als Schock getroffen haben, aber er trug sein Schicksal als Witwer in seinen letzten sieben Lebensjahren tapfer ohne zu klagen. Nur in seinen Tagebucheinträgen ist sichtbar, wie sehr er seine Frau vermisste. Überhaupt war er kein «Jammeri», sondern einer, der das Leben mit stillem Optimismus anging, und sich an Kleinem zu freuen wusste. Ruhig wie sein Leben war auch sein Tod. In seinem 97. Lebensjahr durfte er bei sich zuhause friedlich und ohne Krankheit einschlafen, und ist am Morgen des 5. November nicht mehr erwacht. Wo auch immer er jetzt ist, wir hoffen, dass er seine Anna wiedergefunden hat. Unser ganz grosser Dank gebührt an dieser Stelle den Menschen der Spitex Luzern, die es möglich gemacht haben, dass mein Vater bis zuletzt in seiner Wohnung bleiben und wohlversorgt zuhause seine letzten Jahre verbringen konnte. Christian Jaeger, Sohn von Anna Jaeger-Fischer und Hans Peter Jaeger, Zürich Teilen & empfehlen:Kommentare:Keine EinträgeKommentar verfassen:Letzte Beiträge von Herbert Fischer:Über Herbert Fischer:Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.
1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer: Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer: |