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Kolumne der Redaktion

23.04.2016

Die offizielle Schweiz verschliesst die Augen vor der realen Situation in Sri Lanka und kooperiert mit der «neuen Regierung»

Ein friedenspolitisches Engagement der Schweiz macht keinen Sinn, solange die srilankische Regierung selbst alle Bestrebungen zur Versöhnung zwischen den Ethnien und Religionen in Sri Lanka verhindert.


Kuruparan Kurusamy (Zug) ist Präsident des Schweizerischen Volksrates der Eelam Tamilen (SCET). Er steht kurz dem Abschluss seiner dreijährigen Ausbildung zum Fachmann Gesundheit in Luzern.

Bild: Herbert Fischer

Die Schweizerische Depeschenagentur SDA veröffentlichte anlässlich eines Besuchs des srilankischen Aussenministers Mangala Samaraweera am 3. März 2016 in Bern eine Meldung, die bei der tamilischen Diaspora in der Schweiz grosses Erstaunen und Kopfschütteln auslöste. Anlässlich eines gemeinsamen Gesprächs mit seinem schweizerischen Amtskollegen Didier Burkhalter wurde eine gemeinsame Absichtserklärung verabschiedet, gemäss welcher die beiden Länder eine Migrationspartnerschaft anstreben. 

Samaraweera gab bekannt, dass seine Regierung in Sri Lanka «die Schweiz Südasiens» aufbauen wolle, basierend auf den drei Säulen Demokratie, Versöhnung und Entwicklung. Die 50'000 Sri Lanker in der Schweiz – 24'000 davon inzwischen eingebürgert – seien zur Rückkehr eingeladen, damit sie beim Aufbau des Landes helfen könnten. 

In den Augen der meisten Sri Lanka Tamilen erscheinen diese Worte Samaraweeras als blanker Hohn angesichts der Tatsache, dass bald sieben Jahre nach Kriegsende die Regierung keine ernsthaften Bemühungen zur Versöhnung unternommen hat. Nach wie vor werden die tamilischen Siedlungsgebiete vom Militär besetzt gehalten.

Es finden laufend Enteignungen von tamilischen Grundbesitzern statt. Die beschlagnahmten Grundstücke werden für militärische Zwecke verwendet oder an touristische Unternehmen aus dem In- und Ausland verpachtet (unter anderem aus der Schweiz) für die Realisierung von neuen Hotelresorts. Und es werden in grossem Rahmen singhalesische Siedler aus dem Süden (Händler, Bauern, Fischer, pensionierte Soldaten, buddhistische Mönche, etcetera) angesiedelt. Dies bedeutet gleichzeitig, dass tausende von kriegsvertriebenen tamilischen Familien nicht mehr an ihren ursprünglichen Wohnort zurückkehren dürfen, wo sie ihren Lebensunterhalt verdienen können, sondern weiterhin in elenden Provisorien für IDPs (Umerziehungslager) bleiben müssen.

Viele Tamilen und etliche internationale renommierte Völkerrechtler vertreten die Meinung, dass in Sri Lanka ein fortdauernder Genozid an den Tamilen stattfindet. Dabei geht es nicht allein um die über 40'000 Zivilisten, welche 2009 vom srilankischen Militär umgebracht wurden, sondern auch um die systematische Zerstörung der tamilischen Kultur, der Gebetsstätten und Friedhöfe. Tamilische Ortsbezeichnungen werden durch singhalesische ersetzt. 

Bestandteil eines Genozids ist stets auch die sexuelle Gewalt gegen Frauen. Einerseits gibt es zahlreiche Berichte über erzwungene Sterilisierungen von Frauen, andererseits auch unzählige Berichte von Vergewaltigungen tamilischer Frauen durch Militärpersonen. Dazu kommt eine massive Repression gegen jegliche tamilische Dissidenz.

Polizei und Armee gehen immer wieder gegen tamilische Demonstranten mit massiver Gewalt vor. Frauen, die mit Fotos ihrer verschwundenen Ehemänner oder Kinder demonstrieren, werden verprügelt oder verhaftet. Selbst Erinnerungsfeiern zu Ehren der gefallenen tamilischen Freiheitskämpfer sind absolut verboten, denn die Idee von Tamil Eelam, einem unabhängigen Tamilenstaat, soll ausgerottet werden.  

Der UN-Menschenrechtsrat hat die srilankische Regierung wiederholt und eindringlich dazu aufgefordert, eine internationale Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen endlich zuzulassen. Es kann keine Versöhnung stattfinden, bevor nicht alle Kriegsverbrecher ihrer Strafe zugeführt worden sind. Die srilankische Regierung hat in diesen sieben Jahren alles unternommen, um eine internationale Untersuchung zu verhindern. Auch die Regierung Sirisena, welche anfangs 2015 gewählt worden ist und der Aussenminister Samaraweera angehört, hat bisher absolut nichts unternommen, was als Versöhnungsbemühung bezeichnet werden könnte.

Der erwähnte Regierungswechsel von Rajapakse zu Sirisena wurde anfänglich als Überraschung gewertet. Es zeigte sich jedoch in den folgenden Monaten, dass die USA hinter den Kulissen intensiv auf die Ablösung von Rajapakse hingearbeitet haben, weil er für ihr wichtigstes globales Strategieziel ein Hindernis darstellte. Das wichtigste Ziel im asiatischen Raum stellt für die Administration Obama die Eindämmung der chinesischen Machtausdehnung dar. Sri Lanka liegt strategisch am Schnittpunkt wichtiger Handelsrouten und durch die zunehmend engere Verbindung zwischen Präsident Rajapakse und der chinesischen Regierung entstand für die USA und Indien eine erhebliche Gefahr, dass Sri Lanka zu einem wichtigen Stützpunkt des chinesischen Machtstrebens in Südasien werden könnte.

Die amerikanische Regierung hat die srilankische Elite vor die Wahl gestellt, entweder in Zukunft eng mit ihr zu kooperieren und grosse finanzielle und militärische Hilfeleistungen zu erhalten, oder weiter in die diplomatische und wirtschaftliche Sackgasse hineingetrieben zu werden. Als wichtigstes Instrument entpuppte sich 2015 die gegen Sri Lanka angenommene neue Resolution des UN-Menschenrechtsrates, welche eine internationale Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka fordert. Diese Resolution war von den USA eingebracht und durchgesetzt worden. Sie wurde als Pfand eingesetzt, um einen Regierungswechsel in Sri Lanka zu erzwingen. Die Regierung Sirisena zeigte sich anfänglich bereit, auf die amerikanischen Vorschläge einzugehen. 

Der amerikanische Aussenminister hatte bei seinem Besuch anfangs Mai 2015 in Sri Lanka klargestellt, dass die USA keine Absicht  hat, den ermordeten Zivilisten nachzutrauern oder etwas für die Gleichberechtigung der Tamilen zu unternehmen. Sie will vielmehr eine enge Kooperation gegen China und sie will einen amerikanischen Militärstützpunkt für Flugzeuge und Kriegsschiffe in Sri Lanka erhalten. 

Als Gegenleistung hilft sie der srilankischen Regierung eine Brücke zu bauen, damit die von der UNO geforderte Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen umgangen werden kann. Zu diesem Zweck hat die amerikanische Administration willige Staaten wie Südafrika und die Schweiz dazu überredet, eine Appeasement-Offensive – welche die reale Situation im Land schönreden und schönzeigen soll – gegenüber der srilankischen Regierung zu entwickeln. Das EDA, also das Schweizer Aussenministerium von Bundesrat Didier Burkhalter, ist offenbar bereitwillig auf dieses amerikanische Strategie eingeschwenkt und möchte nun mithelfen, die blutigen Spuren der srilankischen Regierung zu verwedeln. Die Vorteile liegen dabei nicht nur auf Seite Sri Lankas, sondern die Schweiz darf sich neue Handelsverträge und eine Migrationspartnerschaft erhoffen. Im Windschatten der Appeasement-Initiative des EDA ist das Staatssekretariat für Migration (SEM) bereits dazu übergegangen, in seinen aktuellen Asylentscheiden die Menschenrechtssituation in Sri Lanka wie in früheren Jahren herunterzuspielen. 

Der kürzlich erschienene Report «A Still Unfinished War: Sri Lanka’s Survivors of Torture and Sexual Violence 2009-2015», herausgegeben vom «International Truth and Justice Project»  (veröffentlicht im Juli 2015) zeigt anhand unzähliger Recherchen und Zeugenaussagen das gigantische Ausmass des staatlichen srilankischen Genozids in brutaler Deutlichkeit auf. Er zeigt auch auf, dass der Regierungswechsel von Rajapakse zu Sirisena nichts geändert hat an der prekären Lage der tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka. Die notorisch verwendete Floskel des SEM  in den negativen Asylentscheiden («Die allgemeine Sicherheitslage hat sich seither deutlich verbessert») ist ein Hohn sondergleichen. 

Die Sicherheitslage einer Bevölkerungsgruppe wird nicht nur durch den Stopp von Bombardierungen und Granatbeschuss bestimmt, sondern auch durch den Schutz vor willkürlichen Verhaftungen, Folter und sexueller Gewalt. Dieser Schutz ist überhaupt nicht vorhanden, wie der zitierte Report belegt.

Anfangs 2016 gab Präsident Sirisena zu erkennen, dass die srilankische Regierung niemals eine internationale Kommission zur Untersuchung der Kriegsverbrechen akzeptieren werde. Diese Aussage bestätigte, dass die Regierung nur scheinbar auf die Resolution des UN-Menschenrechtsrats eingetreten war. Einmal mehr wollte sie Zeit gewinnen und die internationale Gemeinschaft am Narrenseil herumführen. In dieser Situation ist die Verlautbarung des EDA bezüglich Migrationspartnerschaft eine Ohrfeige für die tamilische Gemeinschaft in der Schweiz. Sie hilft der srilankischen Regierung, sich ihrer Verantwortung für die Kriegsverbrechen zu entziehen. Die Haltung der Schweizer Regierung desavouiert auch den UN-Menschenrechtsrat, welcher seit Jahren eine internationale Untersuchung der Kriegsverbrechen in Sri Lanka fordert. 

Wir  fordern, dass vor dem Eingehen einer Partnerschaft der Schweiz mit Sri Lanka folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

• Die internationale Kommission muss zuerst ihre Untersuchung der Kriegsverbrechen und des Völkermordes abschliessen können und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden.

• Politische und Kriegs-Gefangene müssen umgehend freigelassen werden.

• Die srilankische Armee muss sich aus dem tamilischen Siedlungsgebiet zurückziehen und die geraubten Ländereien zurückerstatten. 

Unter Aufsicht der Vereinten Nationen soll ein Referendum zur nationalen Unabhängigkeit und zum Selbstbestimmungsrecht des tamilischen Volkes durchgeführt werden. 

Wir möchten betonen, dass ein friedenspolitisches Engagement der Schweiz keinen Sinn macht, solange die srilankische Regierung selbst alle Bestrebungen zur Versöhnung zwischen den Ethnien und Religionen in Sri Lanka verhindert.  

Eine Versöhnung ohne vorherige Lösung der Konfliktursache kann nicht funktionieren! Auch rufen wir die Schweizer Regierung und das Parlament auf, nicht nur Gespräche mit der Regierung in Colombo zu führen, sondern auch mit dem Regierungschef der Nordprovinz, C. V. Vigneswaran, sowie den gewählten tamilischen Parlamentariern, welche vom EDA bisher auf stossende Weise ignoriert wurden. 

Kuruparan Kurusamy, Präsident SCET (Schweizerischer Volksrat der Eelam Tamilen - Swiss Council of Eelam Tamils), Zug


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/