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Kolumne der Redaktion

16.09.2013

Plädoyer für einen gesellschaftspolitischen Brückenschlag zwischen Sozialisten und Christen

Ferdi Troxler, langjähriger Redaktor des Pressedienstes des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, fragt in seinem jetzt erschienenen Buch, was Christen und Sozialisten verbindet. Und er meint, es könnte gelingen, die Wirtschaft demokratisch, sozial und ökologisch zu gestalten. Voraussetzung sei indessen ein Brückenschlag zwischen den beiden Gesellschaftsgruppen.


Dr. Ferdinand Troxler (1929) ist in Schlier-bach LU als Bauernbub aufgewachsen. Er absolvierte zuerst in der seinerzeitigen Sparbank Triengen eine Banklehre, eher er die Maturität erreichte und eine akademi-sche Ausbildung startete. Troxler war während Jahrzehnten einer der Vordenker der Gewerkschaftsbewegung in der Schweiz und gilt als hochgeachteter und respektierter Publizist.

Peter Graf (1945) war Bundeshausredaktor der Depeschenagentur, Informationschef der SP Schweiz und später der Gewerkschaft SMUV. Er wirkte nachher als persönlicher Mitarbeiter von Bundesrat Otto Stich und als Informationschef des Finanzdepartements.

Die Frage zu klären, wer von diesen beiden Gruppen nun im Besitz der letzten Wahrheit sei, könne jedem einzelnen Menschen überlassen bleiben und sei für einen solchen Brückenschlag nicht notwendig. Das Buch wird an der Frankfurter Buchmesse vorgestellt.

Es ist bemerkenswert, wenn jemand nach einem langen, erfolgreichen Arbeitsleben – statt behaglich und abgeklärt den Ruhestand zu geniessen – sich noch einmal vor sein Schreibgerät setzt. Und sich dort erneut den Fragen zuwendet, die ihn schon seit frühen Jahren umgetrieben haben. Der Luzerner Bauernsohn Ferdinand Troxler gehört zu diesen eher seltenen Menschen. Mit 84 Jahren publiziert er ein Buch mit dem Titel «Christentum und Sozialismus – ein gesellschaftspolitischer Brückenschlag». Schon vor 40 Jahren legte er im Imba Verlag Freiburg  seine Berner Dissertation zum Thema  «Die Lehre vom Eigentum bei Thomas von Aquin und Karl Marx» in Buchform vor. 

Während im Zentrum seiner Doktorarbeit 1973 die Frage stand, ob die thomasische Eigentumslehre mit der marxschen Sozialisierung vereinbar sei, hat Troxler 2013 die Thematik ausgeweitet und ist zum Schluss gelangt: Sozialismus, der auf den Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität aufbaue, die Wirtschaft demokratisiere, die ökologische Wende einleite und dem Frieden unter den Völkern einen wichtigen Platz einräume – ein solcher Sozialismus sei hoch aktuell. Die Botschaft des Christentums einer «neuen Erde, wo die Gerechtigkeit wohnt», sei in der Pflicht «zu einem solchen Neuaufbruch beizutragen. Damit das gelingen könne, so Troxler, sei ein gesellschaftspolitischer Brückenschlag zwischen Sozialisten und Christen «von zentraler Bedeutung». Die unterschiedlichen Antworten auf die Frage nach den letzten Wahrheiten im philosophischen und religiösen Bereich sind, davon zeigt sich Troxler überzeugt, dem Zustandekommen eines solchen Brückenschlags keineswegs hinderlich.

Die katholische Kirche hat sich noch 1931 in einer päpstlichen Enzyklika (Quadragesiumo anno)  klar positioniert: «Der Gegensatz zwischen sozialistischer und christlicher Gesellschaftsauffassung ist unüberbrückbar». Das veranlasste den Sozialwissenschafter und Theologen Oswald von Nell-Breuning, der an dieser Enzyklika mitgearbeitet hatte, später kritisch festzuhalten, dass dieses Verständnis des Sozialismus «äusserst unglücklich» sei. 

Befreiungstheologie und religiöser Sozialismus taten das Ihre, diese päpstliche Sicht der Dinge zu korrigieren. Troxler urteilt: «Ein authentischer Sozialismus stellt das Allgemeinwohl, das Wohlergehen aller Menschen ins Zentrum, respektiert aber ebenso das Individuum in seiner Einmaligkeit und gibt seinen schöpferischen Fähigkeiten Raum. Diese Sicht, so meine ich, entspricht auch dem christlichen Menschenbild», schreibt Troxler weiter.

Der Autor geht erneut diesen Fragen nach, die angesichts der Botschaften des neuen Papstes möglicherweise wieder an Aktualität gewinnen werden. Auslöser der wirtschaftlichen und sozialen Krisen fast überall auf der Welt sind unter anderem die negativen Auswirkungen einer von neuen Technologien temporeich getriebenen Globalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen, Produktionsstätten, von Angebot und Nachfrage, Geldflüssen und Kommunikation. 

Das führt zu sozialen Zerklüftungen. Staatliche Regelwerke werden ausgehebelt. Gesellschaftliche Prozesse werden der demokratischen Willensbildung entzogen. Ressourcensteuerung für das Allgemeinwohl und Mittelzuteilung für Soziales, Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und anderes immer häufiger und in immer mehr Staaten über Notrecht und unter Umgehung des Rechtsstaates geregelt. 

Das Buch ist in vier Teile gegliedert. In einem Gespräch erzählt Troxler im 1. Teil sein wechselvolles Leben vom Bauernbub zum engagierten Gewerkschafter. Danach werden im 2. Teil publizistische Marksteine, darunter auch seine Dissertation ausschnittweise aufgeführt und Echos dazu dokumentiert. In einem 3. Teil ist eine Auswahl themenbezogener Arbeiten aus seiner langjährigen publizistischen Arbeit nachzulesen. Den Schluss bildet im 4. Teil eine Würdigung des Autors als religiöser Sozialist durch den langjährigen Chefredaktor der Zeitschrift «Neue Wege», der Monatsschrift der religiösen Sozialisten in der Schweiz

Der Autor kennt seine Materie aus eigener Anschauung und Erfahrung: Ausgebildet und nach Volksschulen und Matura tätig im Banken- und Börsenwesen der Schweiz, als Hilfsarbeiter kurze Zeit arbeitend in der Maschinenindustrie, Student bei der Arbeiterpriesterbewegung in Frankreich und während eines begonnenen Theologiestudiums sowie einem mit Doktorat abgeschlossenen Ökonomiestudium in Bern, unterrichtend als Handelslehrer und schliesslich schreibend und vortragend als langjähriger politischer Journalist für die Gewerkschaftspresse während zweier Jahrzehnte. 

Troxlers Buch stellt einen interessanten Beitrag dar für all jene, die Lösungen für die Folgen der jüngsten Globalisierungsetappe und ihrer teilweise verheerenden Folgen des Materialismus neoliberalistischer Prägung suchen. Der Autor bedient sich trotz fortgeschrittenem Alter indessen der allermodernsten Form von Buchproduktion und -vertrieb: des elektronisch hergestellten Book on demand, das je nach Bedarf gedruckt oder elektronisch bezogen werden kann.

Peter Graf, Wabern

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Das Buch kann in allen Buchhandlungen zum Preis von CHF 19.50 bestellt werden unter Angabe des Verlags BoD (Books on Demand), ISBN: 9783732201181. Es umfasst 140 Seiten.


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Kommentare:
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Andreas Kyriacou aus Zürich

Montag, 16.09.2013, 09:35 · Mail  Website

Ein Blick auf die parteipolitische Ausrichtung der vier Parteien, die sich als politischer Arm des Christentums verstehen - CSP, CVP, EVP, EDU - zeigt, dass sich jeder unter «Christentum» das raussucht, was ihm grad behagt: die einen politisieren eher sozial- und vergleichsweise gesellschaftsliberal, die anderen stramm rechts.

Auch die aktuell anstehende Initiative «Abtreibung ist Privatsache» veranschaulicht die christliche Beliebigkeit. Der Vorstand der Bundesratspartei CVP lehnt die Initiative ab, im Initiativkomitee ist aber ein halbes Dutzend CVP-ler vertreten.

Es ist deshalb eigentlich offensichtlich, dass es ein solcher Brückenschlag Wunschdenken bleiben muss.

Dass man sich bei konkreten Themen inhaltlich finden kann, steht ausser Frage. Das gilt aber für alle möglichen parteipolitischen Konstellationen.

Andreas Kyriacou, Zürich

 
 
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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/