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Kolumne der Redaktion

25.08.2012

Fröhliche und zugleich ergreifende Feier zu Ehren von «Radio Müüsli»: Mit Bildern (1)

In der Luzerner Lukaskirche haben gestern Freitag (24. August 2012) etwa 150 Personen von Marcel Schöngarth Abschied genommen. Neben anderen sprach der Journalist Herbert Fischer (Text unten). Die Bilder entstanden nach der Trauerfeier vor der Lukaskirche und im Friedental.


Willy Ammann (links), viele Jahre Quartier-polizist und eine der gewichtigsten und po-pulärsten Persönlichkeiten Luzerns über-haupt, würdigte den Verstorbenen in bewe-genden und bewegten Worten. Er umrahmte die Feier mit seinen Künsten auf Mundhar-monika und Gitarre mit Melodien ganz nach Geschmack von «Radio Müüsli».

Bilder: Herbert Fischer

Irma Stadelmann ist eines jener (immer rarer werdenden) Originale, die von der «Güüggali Zunft» mit viel Mitmenschlichkeit gepflegt werden.

Kapuziner-Pater Friedrich Frey vom Kloster Wesemlin begründet gegenüber «Radio Pilatus» den Entschluss des Allmächtigen, seinen treuen Diener Marcel Schöngarth von dieser Welt abzuberufen.

Persönlichkeiten aus allen sozialen Schichten, Junge...

... und Mittelalterliche...

... aber auch ganz Junge prägten das Bild der Trauergemeinde vor und in der Lukaskirche, das einen repräsentativen Querschnitt durch die ganze Gesellschaft bot.

Liebe Trauerfamilie, liebe Luzerner Originale, liebe Güüggali Zunft, liebe Trauergemeinde

Es ist erstaunlich, was der Tod von Marcel Schöngarth alles ausgelöst hat. Er ist zum Stadtgespräch geworden. Er hat die Medien beschäftigt. Und er hat bewirkt, dass heute so viele Leute hier in die Lukaskirche gekommen sind.

Sicher bin ich nicht allein, wenn ich mich jetzt gut daran erinnere, dass wir vor fast genau acht Jahren in der Franziskanerkirche, nämlich am 21. August 2004, von Emil Manser haben Abschied nehmen müssen. Auch der Tod von Emil hat Luzern bewegt, auch der Tod von Emil hat Luzern berührt. 600 Leute sind damals gekommen. Heute sind es deutlich weniger. Das hat bestimmt damit zu tun, dass wir Emil und Marcel nicht miteinander vergleichen können. 

Aber sie haben das gemeinsam, was vielen von uns an den Luzerner Originalen so sehr gefällt: Sie waren sich selber, sie liessen sich nicht biegen. Und sie liessen sich schon gar nicht beugen. Ich vermute, dass so viele von uns an den Originalen genau darum ihre helle Freude haben. Dass wir unsere helle Freude an ihnen haben, weil die Originale aus den Normen und Formen der Gesellschaft ausbrechen; aus einer Gesellschaft ausbrechen, die mehr denn je Anpassung verlangt; die mehr denn je Uniformität erfordert. 

Um «tageslichttauglich» zu sein, wie dies heute so vielsagend heisst, wie dies heute aber auch so verräterisch heisst, darf bestenfalls auffallen, wer schön, attraktiv, erfolgreich ist; wer genug Geld hat, sich elegant zu kleiden oder sich ein teures Auto zu kaufen und so seine finanzielle Potenz - die wirkliche oder die scheinbare - zu demonstrieren.  

Die Originale hingegen gehören nicht zur Kategorie der Erfolgreichen, der Schönen und der Reichen. Die Originale reduzieren sich in der öffentlichen Wahrnehmung auf die Botschaft, sich selbst zu sein.

Ihre Botschaft lautet schlicht und ergreifend: «Ich bin mich».

«Na und?», liesse sich nun postwendend antworten: «Ich bin auch mich».

Genau dies aber sollten wir uns öfters fragen: «Bin ich wirklich mich?»

Denn die Originale machen uns nichts anderes vor, als dass sie es - eben! - wagen, aus den Normen und Formen der Gesellschaft auszubrechen. Dass sie den Mut haben, aufzufallen und zugleich abzufallen, belächelt zu werden; dass sie den Mut haben, auf- aber auch ab-zufallen.

Wer nämlich so auf-fällt wie sie, der riskiert, bei vielen Leuten ab-zufallen.

Dass wir sie aber mögen, dass wir sie schätzen und dass wir sie sogar schützen, nämlich verteidigen, gründet in unserer Bewunderung. In einer Bewunderung für ihren Mut, sich selbst zu sein. Vielleicht - wer weiss – wären wir alle gerne mehr uns selber. 

Vielleicht nicht ganz immer, zumindest jedoch ab und zu.

Das allerdings ist möglich: Wir müssen nämlich dafür nicht mit einem Radio auf einem Kinderwagen die Stadt belustigen oder mit gescheiten Plakaten und einem Aventskranz auf dem Kopf andere zum Nachdenken, zum Innehalten animieren. Wir brauchen überhaupt nicht so mutig zu sein wie Emil, Marcel und all die anderen Originale.

Wir sind bereits dann mehr uns selber, wenn wir mehr eigenes Profil wagen. Wenn wir uns im ganz persönlichen Miteinander und Nebeneinander weniger anpassen.

Wagen wir also mehr eigenes Profil! Schauen wir nicht immer zuerst nach links und rechts, ob unsere Meinungen anecken könnten. Getrauen wir uns, auch Positionen zu vertreten, die nicht mehrheitsfähig sind; die provozieren können; provozieren, um spannende Gespräche auszulösen und zu führen.

Getrauen wir uns, Partei für jene zu ergreifen, die sich nicht wehren können; werden wir zur Stimme der Stummen! Zur Stimme derer also, die sich nicht selber Gehör verschaffen können; die der Sprache nicht mächtig sind. 

Andere Meinungen als andere Menschen zu haben heisst ja weiss Gott nicht, seine Mitmenschen nicht zu mögen, sie nicht zu schätzen, sie nicht zu lieben. 

Darum, lieber Portmannadolf, liebe Güüggali Zunft, ist hier der genau richtige Ort, Euch für Euer vorbildliches mitmenschliche Engagement zu danken; dafür, dass Ihr Euch - seit 34 Jahren übrigens - so liebevoll um diese Leute sorgt; dass Ihr mithelft, dass diese Leute auch künftig einfach so sein können, wie sie sein wollen. 

Damit dies möglich bleibt, ist eine der Voraussetzungen, dass wir das liberale Klima in unserer Stadt hegen und pflegen; das Klima, welches den Originalen ihre Freiräume bewahrt. 

Stellvertretend für so viele Persönlichkeiten, die sich ihrerseits auch genau dafür engagiert haben und noch immer engagieren, und die kraft ihrer öffentlichen Bedeutung immer wieder beherzt Partei für Originale - für sogenannte Randständige überhaupt - ergreifen, nenne ich hier und heute den früheren, den grossartigen Stadtpräsidenten Franz Kurzmeyer, den abtretenden Stadtpräsidenten Urs W. Studer und viele, viele weitere Persönlichkeiten im Vorder- und im Hintergrund, vor allem aus der katholischen und der reformierten Kirche. 

Wir alle aber, wir alle, liebe Trauergemeinde, können unsererseits mithelfen, dass Originale unser Stadtbild auch in Zukunft beleben; dass sie uns erbauen und erfreuen, ärgern und provozieren; vor allem aber: dass sie uns nicht gleichgültig lassen. Verteidigen wir sie, wenn sie als Spinner oder Idioten, als Versager oder Verlierer verleumdet werden!

Marcel Schöngarth hat uns mit seinem Radio erheitert; Ludwig Läubli mit seinen drei Uhren, von denen nur eine lief und auch die tickte nicht richtig; Agnes Reinhard mit ihrer unbeschreiblichen Oberweite und ihrer hemmungslosen Bewunderung für schöne Männer ... – ich weiss rückblickend heute noch nicht, ob es für mich Glück oder Pech war, nie dazu gehört zu haben... 

Emil Manser hat uns zum Nachdenken angeregt. Wenn wir seine Plakate schnallten, reagierten wir oft, indem wir uns sagten: «Wow: der hat aber ganz schön was in der Birne!»

Lieber Marcel, liebe Agnes, lieber Ludwig, lieber Emil, und liebe alle anderen Originale, die ihr uns bereits für immer leider verlassen habt; leider für immer verlassen habt: Wir danken Euch von Herzen!

Sagt dem Herrgott, wir kämen auch ... – falls er auch uns aufnimmt im Himmel. Sagt ihm aber auch, er möge die ihm eigene Gnade und Güte walten lassen und uns hier unten noch etwas Zeit geben.

Noch etwas Zeit geben hier unten, weil es uns hier unten so wohl ist, hier unten mit den Originalen.

Darum haben wir auch ganz besonders all jenen Originalen zu danken, die noch da sind. Und denen wir – ebenso aus tiefem Herzen – wünschen, dass sie noch lange, lange bleiben, wie sie sind.

Herbert Fischer

 


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Kommentare:
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Vreni Fallegger aus Boston (USA)

Sonntag, 26.08.2012, 12:42 · Mail

Als Heimwehluzernerin bin ich absolut beeindruckt, wie mein einstiger und hochgeschätzter Pfadikamerad Herbert Fischer eine solche Plattform im Alleineingang und unter grössten persönlichen Opfern aufgebaut hat und wie er sie immer wieder mit solcher Empathie und vor allem mit immer wieder hochkarätigen AutoRinnen bespielt: Das ist, ich gebe Kasi Krauer recht, «Journalismus vom Feinsten». Gruss und Kuss nach Luzern, lieber Bobby!

Vreni Fallegger («Wespi»), Boston (USA)

 

Kasi Krauer aus Luzern

Sonntag, 26.08.2012, 12:01 · Mail

Ich kann Ihnen, lieber Herr Beat Murer nur beipflichten: Fischers Worte sind vom Feinsten. Wie überhaupt auch seine Berichterstattung über die Radio Müsli-Feier.

Es ist absolut unbegreiflich, warum der sogenannte Journalismus andernorts so vor die Hunde geht, während er hier - praktisch ohne finanzielle Mittel - so fröhlich Urständ feiert. Respekt gegenüber lu-wahlen.ch!

Kasi Krauer

 

Beat Murer aus Luzern

Samstag, 25.08.2012, 08:36 · Mail

Ich gratuliere Herbert Fischer zu seinen tiefgründigen Worten zum Hinschied von Marcel Schöngarth herzlichst. Diese liberale und soziale Grundhaltung ist Ausdruck eines christlichen Geistes, welcher vielen Zeitgenossen aus Politik, Wirtschaft und insbesondere auch den Medien gut anstehen würde.

Beat Murer

 
 
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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/