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Kolumne der Redaktion

29.04.2012

Zwischenruf (16): Dieser Maulkorb ist eine Zeitbombe

Grossstadtrat und Stadtratskandidat Philipp Federer (seit Herbst 2011 parteilos/früher Grüne) hat in einer Kolumne auf lu-wahlen.ch gestern Samstag (28. April 2012) ein Thema lanciert, das in der letzten Woche vor dem ersten städtischen Wahltermin, also dem nächsten Sonntag (6. Mai), zu reden geben wird; nein, zu reden geben muss.


Der parteilose Grossstadtrat Philipp Federer hat als GPK-Mitglied in einer offenbar höchst brisanten Sache Sprechverbot.<br><br>Bild: Herbert Fischer

Der parteilose Grossstadtrat Philipp Federer hat als GPK-Mitglied in einer offenbar höchst brisanten Sache Sprechverbot.

Bild: Herbert Fischer

Federer schrieb gestern, die Mitglieder der grossstadträtlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK) dürften die nächsten vier Monate, «nicht ausplaudern, was diese Sparpakete beinhalten». Dabei geht es um die stadträtlichen Vorschläge, wie eine Motion von Martin Merki (FDP und MitunterzeichnerInnen) umgesetzt werden könne. Der Vorstoss verlangt sehr radikale Sparmassnahmen im Haushalt der Stadt, damit eine Steuererhöhung vermieden werden kann. 

Konkret geht es um Einsparungen von mindestens 15 Millionen Franken. Martin Merki (FDP) und die grünliberale Mitunterzeichnerin seiner Motion (überwiesen übrigens als Postulat), Manuela Jost, kandidieren als Mitglieder der Exekutive und es liegt auf der Hand, dass sie sich mit diesem Vorstoss als Verhinderer von Steuererhöhungen positionieren. 

Das ist populär, aber es polarisiert auch, denn wo so radikal gespart werden soll, entstehen auch radikale Verluste und wo Verluste entstehen, gibts auch Verlierer. Kein Wunder, dass dies SP und Grüne provoziert, denn ihnen schwant der blanke Horror angesichts des Umfangs der verlangten Einsparungen; diese befürchten sie vor allem im Sozialen, der Bildung, der Kultur; die potentiellen Verlierer allerdings sollen nicht wissen dürfen, was ihnen bevorsteht, kritisiert rot-grün weiter. 

In den Kommissionen jedwelcher Parlamente gilt das sogenannte Kommissiongeheimnis. Das muss so sein, denn wenn deren Mitglieder befürchten müssen, dass sie für ihre Voten nachher öffentlich zitiert und somit allenfalls auch kritisiert werden, reden sie in diesen Gremien nicht gleich, wie wenn sie sich eben auf Vertraulichkeit verlassen können. Das Kommissionsgeheimnis ist somit eine unverzichtbare Voraussetzung für die Arbeit in den Kommissionen. Dringt aus ihnen irgendwas nach draussen, entstehen Verdächtigungen, wer «nicht dicht» war, und in einem Klima des gegenseitigen Misstrauens wird es schwierig, offen und frei reden und argumentieren zu können. 

Bis die stadträtlichen Vorschläge zuhanden des gesamten Parlaments – also über die GPK hinaus – öffentlich gemacht werden, dauert es im vorliegenden Fall allerdings vier Monate und somit bis nach den Wahlen. So lange gilt somit auch der GPK-Maulkorb in dieser Sache.

Angesichts des erklärten Ziels, 15 Millionen Franken einzusparen, um so Steuererhöhungen – sprich: Mehreinnahmen in diesem Umfang beim Volk – zu vermeiden, muss vermutet werden, dass Nichts tabu bleibt, dass der Zweihänder ohne Rücksicht auf Verluste geschwungen werden wird, dass brutal Leistungen abgebaut oder gar gestrichen werden.

Zurecht fordert Federer, das Volk müsse allerdings wissen, wen es am 6. Mai wähle, wer im neuen Parlament über die Sparanträge des Stadtrats im Parlament entscheidet.

Könnte rot-grün vor den Wahlen konkret benennen, wo nach dem Willen der bürgerlichen Mehrheit in Stadtrat und GPK der Rotstift wüten wird, liessen sich FDP, CVP, SVP und GLP, je nach Zielpublikum, medienwirksam als «Spar-Rambos», «Sozial-Abbauer», eiskalte Handlanger des volksfeindlichen Rechtsbürgertums und kleinkarierte, spiessige Kultur-«Bünzli» vorführen. Eine willkommene Voraussetzung, um doch noch so etwas wie Dynamik in die letzte Woche vor dem Wahlsonntag zu bringen; dies, nachdem der «Wahlkampf» bisher eher eine langweilige Grundlektion in Staatskunde war. 

Offensichtlich tickt hier eine Zeitbombe. Von ihr weiss die Öffentlichkeit im Moment nicht einmal, dass sie nichts darüber wissen darf. 

Federer beurteilt die der GPK vorgestellten Sparmassnahmen als «haarsträubend». Mehrere von ihnen würden auch «einen klaren Wortbruch zu den Fusionsversprechen» beinhalten. «Aber eben: Ich darf diese Sparmassnahmen in den nächsten vier Monaten nicht ausserhalb der Kommission benennen», so der verschmitzt grinsende Federer, zugleich achselzuckend und schmunzelnd.   

Die Lunte also lodert, nur weiss die Öffentlichkeit auch nicht, wie stark sie bereits brennt und erst recht nicht, wie lange sie ist, diese Lunte zur Zeitbombe. 

Wetten, dass in den nächsten Tagen der eine oder andere Brandbeschleuniger eingesetzt werden wird?

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/