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Kolumne der Redaktion

04.09.2011

Wie Luzern zu seiner Uni kam (1)

Hanns Fuchs hat die Geschichte der Universität Luzern seit 1978 aufgearbeitet. Gestern Samstag (3. September 2011) ist sein Buch «Der Aufbruch» im Rahmen der Tage der offenen Türen vorgestellt worden.


Hanns Fuchs mit seinem Buch «Der Aufbruch», das Peter Schulz (unten, rechts) in seinem Verlag libro herausgegeben hat. Links: Uni-Rektor Paul Richli.<br><br>Bilder: Herbert Fischer

Hanns Fuchs mit seinem Buch «Der Aufbruch», das Peter Schulz (unten, rechts) in seinem Verlag libro herausgegeben hat. Links: Uni-Rektor Paul Richli.

Bilder: Herbert Fischer

Alt Nationalrat Hans Widmer (SP/Luzern), Mitglied des Universitätsrates, stellte das Buch vor: 

Meine Damen und Herren,

Sie sind heute zu einer Art Buchtaufe hergekommen, denn was ist eine Vernissage anderes als ein Ritual, mit dem man eine Publikation der Oeffentlichkeit vorstellt? In einer sehr locker zu verstehenden Analogie zu einer Taufe möchte ich namentlich jene beiden Persönlichkeiten ganz besonders begrüssen, ohne die es das druckfrische Buch «Der Aufbruch. Wie das Luzerner Volk zu seiner Universität kam» gar nicht geben würde. 

Am Anfang stand nämlich die Idee, die verschlungenen Wege nachzuzeichnen, welche nach dem Nein des Luzernervolkes im Jahre 1978 zur damaligen Univorlage schliesslich doch zu einer, wenn auch viel bescheideneren Universität geführt haben. Und diese Idee stammt von Peter Schulz. Eine Idee ist bekanntlich noch schnell einmal konzipiert, sie aber zu realisieren, das braucht Zeit und viel Arbeit. 

Der Buchautor, Hanns Fuchs, der diese Idee konkretisiert und ausgestaltet hat, wurde meines Erachtens vom Verleger sehr geschickt gewählt, kennt er doch einerseits den Kanton Luzern und die Feinstrukturen seiner politischen und kulturellen Landschaft bestens und verfügt er andererseits auch über eine reiche journalistische Erfahrung, was für die verständliche Vermittlung von komplexen Inhalten für eine breite Leserschicht von grösster Bedetung ist. Zudem gehört er nicht zu den Universitätsinsidern, weshalb ich seine Sichtweise als engagierten Aussenblick bezeichnen möchte. 

Das Buch, das wir heute aus der Taufe heben, ist weder eine historische Studie wie etwa das Werk von Aram Mattioli und Markus Ries über die Vorgeschichte der Universität vom Jesuitenkollegium bis zur Hochschule Luzern, noch ist es ein Roman, es ist ein seriös recherchiertes Sachbuch über die jüngste Geschichte der Universität Luzern, deren Verlauf beim besten Willen nicht als linear wahrgenommen und beschrieben werden kann. 

Das Nachzeichnen der verschlungenen Haupt- und Nebenwege weg vom wuchtigen Volksnein zu einer Universität Luzern im Jahre 1978 hin zu einem noch deutlicheren Ja im Jahre 2000 war alles andere als eine leichte Aufgabe. Der Autor konnte sich nicht für den ganzen Zeitraum gut erschlossener Staatsarchivschachteln bedienen. Vor allem bezüglich der ersten Jahre nach 1978 war dies sicher nicht der Fall, jener Jahre des offiziellen universitätspolitischen Schweigens nämlich, in denen sich die institutionalisierte Politik aus Respekt vor dem Volksnein grösste Zurückhaltung aufzuerlegen hatte. 

Im Zusammenhang mit dieser Phase konnte unser Autor auf das Wissen vieler Gesprächspartner zurückgreifen, wobei für ihn die Kontakte zu Alois Hartmann, dem gut Dokumentierten, eine Schlüsselrolle spielten. 

In einer didaktischen Meisterleisung ist es Hanns Fuchs gelungen, den Faktendschungel gekonnt zu gliedern und geordnet zur Darstellung zu bringen. Damit die Leser sich leicht orientieren können, setzt er vor jedes Kapitel eine Jahrzahl, der er einen griffigen Titel folgen lässt und fügt zum Schluss einen «Zeitraffer» an, dem er ebenfalls eine eingängige Ueberschrift gibt.

So setzt er vor das 1.Kapitel die Schicksalsjahreszahl 1978 sowie die Überschrift «Das Entsetzen». Gemeint ist die öffentliche Verarbeitung des unerwarteten Volksneins, welches die Befürworter geradezu in einen Schock versetzt hatte. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass der universitäre Kern der Luzerner Hochschule, nämlich die Theologische Fakultät, innerhalb ihrer rechtlichen Möglichkeiten durch die Gründung verschiedener Institute sehr diskret ihr Studienangebot erweiterte. 

Das 2. Kapitel umfasst unter der Ueberschrift «In Bewegung» das Jahrzehnt zwischen 1988-1998. Es sind die Jahre, in denen insbesondere durch die Aktivitäten der Akademie 91 «ein Tabu überwunden» wird. Man beginnt – zunächst in der Zivilgesellschaft - wieder über Hochschulpolitik zu diskutieren. Ganz langsam und vorsichtig setzt sich dann auch die offizielle Politik in Bewegung: vom damaligen Grossen Rat wird 1993 im Rahmen einer «kostenneutralen Strukturbereinigung» die Errichtung einer zweiten Fakultät beschlossen. Viele Namen gäbe es zu erwähnen, welche in diesem Jahrzehnt des Aufbruchs Bedeutendes geleistet haben, ich erwähne jedoch nur drei, in der Hoffnung, durch den Mut zur Lücke niemanden zu brüskieren, nämlich Brigitte Mürner, Peter Schulz und Frank Nager. 

In den acht Jahren von 1989 bis 1997 wird die Politik noch aktiver, die Parteien finden sich. Davon ist im 3. Kapitel die Rede, welches aber auch aufzeigt, dass noch nicht alle Turbulenzen für die universitäre Hochschule vorüber waren. So empfahl im Jahre 1997 die Kommission Leistungsauftrag (KOLA) aus Spargründen die Schliessung der Universitären Hochschule Luzern. Erneut war die zivilgesellschaftliche Initiative gefragt und so kam es zur Gründung des Universitätsvereins, welcher von Ständerätin Helen Leumann präsidiert wurde. 

Die Jahre 1997-2000 werden im 4. Kapitel des Buches als Zeit des Überlebenskampfes mit Happy End beschrieben. Wie der Zeitraffer eindrücklich zeigt, wurde auf der politischen Ebene unter enormem Zeitdruck eine Universitätsvorlage erarbeitet, welche das Luzerner Volk am 21. Mai 2000 mit 72% Ja-Stimmen angenommen hat. Den Abstimmungskampf prägte der damalige Erziehungsdirektor Ueli Fässler, dem es als Freisinnigem gelang, in der Bevölkerung die letzten auf den Kulturkampf zurückgehenden Aengste vor einer «KK-, respek-tive CVP-Uni» aus dem Wege zu räumen.

Im 5. Kapitel wird berichtet, wie sich die Uni im eigentlichen Sinne des Wortes breit gemacht hat: über 20 Standorte - verteilt auf die ganze Stadt Luzern - hat sie belegt. Sie hat sich aber auch in der Schweizerischen Universitätslandschaft etabliert, wurde sie doch im Jahre 2005 bundesrechtlich als kantonale Universität anerkannt. Die Namen folgender Persönlichkeiten sind aus diesem Jahrzehnt der jüngsten Universitätsgeschichte nicht wegzudenken: Kirchschläger, Richli, Ris, Stichweh und der vor kurzem zurückgetretene Bildungsdirektor Anton Schwingruber.

Die Standortwirren auf dem Weg zum Bahnhof werden im 6. Kapitel nacherzählt; diese Wirren sind ein Schulbeispiel einer Planung mit Hindernissen, einer Planung, die zwar sehr viel Energie gekostet hat, die aber das Bedürfnis der noch jungen Institution nach einem eigenen Gebäude in der Bevölkerung tief verankert hat.

Neues Haus und neue Perspektiven sowie «Zukunft denken» bilden das Motto des 7. und letzten Kapitels. Mit dem Hinweis auf die bereits eröffnete Diskussion zur Wachstumsstrategie der Universität mit einer allfälligen Wirtschaftsfakultät betritt Hanns Fuchs das Feld der Gegenwart an demjenigen Rand, wo es in die noch offene Zunkunft ausläuft. 

Meine Damen und Herren, es wäre schön, wenn jene, welche sich 1978 gegen das damalige Uniprojekt ausgesprochen haben, dieses Buch lesen könnten. Viele von ihnen sind nicht mehr unter uns wie etwa die liberale Mutter von Hanns Fuchs, welche als Grossrätin das damalige Projekt bekämpfte. Sie und viele ihrer Weggefährtinnen und Weggefährten könnten auf eindrückliche Art nacherleben, was «auf-brechen» heisst, nämlich das risikoreiche Begehen von Neuland, das von allen, die sich an der Wanderung beteiligen, immer wieder Veränderungen im Denken und Kompromisse im politischen Handeln verlangt. 

Das Buch gehört aber nicht nur die Hände der älteren Generation, es gehört vor allem auch in die Schulbibliotheken. Insbesondere sollten sich Lehrerinnen und Lehrer der Geschichte und der politischen Bildung damit auseinandersetzen, denn die jüngere Geschichte der Universität Luzern zeigt, wie Politik in einem Gemeinwesen mit direktdemokratischer Mitwirkung funktioniert.  

In der Hoffnung, dass das Buch jene Verbreitung erfährt, die seiner demokratie- und bildungspolitischen Bedeutung entspricht, schliesse ich meine Ausführung und danke für Ihre Aufmerksamkeit. 

Dr. phil. Hans Widmer, alt SP-Nationalrat (Luzern)


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/