das gesamte meinungsspektrum lu-wahlen.ch - Die Internet-Plattform für Wahlen und Abstimmungen im Kanton Luzern

Spenden für Verein lu-wahlen.ch

Diese Website gefällt mir! Um weitere Beiträge darauf zu ermöglichen, unterstütze ich lu-wahlen.ch gerne mit einem Betrag ab CHF 10.-

 

 

Kolumne von Nico van der Heiden

31.10.2013

Ein paar aussagekräftige Zahlen zur Debatte über das Quorum in der Stadt Luzern

Wenn sie die hier folgenden Zahlen kennen würde, hätte die CVP der Stadt Luzern am Dienstagabend (29. Oktober) wohl kaum beschlossen, die Lancierung einer Initiative zu prüfen, die mehr Unterschriften zur Einreichung eines Volksbegehrens fordert.


Grafik 1: Quoren für Volksinitiativen Stadt Luzern, Kanton Luzern und Bund (Quellen: lustat, BfS).

Grafik 2: Quoren für Referenden Stadt Luzern, Kanton Luzern und Bund (Quellen: lustat, BfS)

Grafik 3: Nutzung der Volksrechte in der Stadt Luzern (Quelle: Stadt Luzern).

Grafik 4: Nutzung der Volksrechte Stadt Luzern, Kanton Luzern und Bund (Quellen: lustat, BfS, C2D-Datensatz).

Den Jungen Grünen ist es gelungen, an nur einem Tag die für eine städtische Initiative notwendigen 800 Unterschriften zu sammeln. Der Präsident der städtischen CVP forderte deswegen eine Erhöhung der Unterschriftenzahl. Nun überlegt sich die CVP, ob sie dieses Anliegen mittels Volksinitiative durchsetzen will. 

Zur Frage, ob es politisch klug ist, sich gegen die eigene Wählerschaft und das Volk zu stellen, möchte ich mich nicht äussern. 

Auch sage ich nichts dazu, ob es sinnvoll ist, 800 Unterschriften dafür zu sammeln, dass es beim nächsten Mal 1200 Unterschriften sein müssen. Das hat Herbert Fischer in seinem Beitrag auf lu-wahlen.ch bereits analysiert (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»: Hilflos versucht die CVP, einen Flop vergessen zu machen und von einer Schlappe abzulenken). 

Ein nüchterner Blick in die Zahlen kann jedoch nicht schaden in der Debatte um Quoren für Volksrechte. 

In der Stadt Luzern mussten zwischen 1971 und 2000 tausend Unterschriften für eine Initiative oder ein fakultatives Referendum gesammelt werden (rund 2.3% der Stimmberechtigten). Dann wurde die Unterschriftenzahl auf 800 gesenkt (rund 2% der Stimmberechtigten). Bei der Fusion mit Littau wurden die Unterschriftenzahlen nicht angepasst. Da dies jedoch zu einer Erhöhung der Anzahl Stimmberechtigten führte, sank das Quorum auf 1.6% (blaue Linie in Grafik 1, rechts). 

Im Kanton Luzern sind für eine Gesetzesinitiative 4'000 und für ein Referendum 3'000 Unterschriften notwendig. Auf Bundesebene sind für eine Initiative 100'000 und für ein Referendum 50'000 Unterschriften notwendig. Da diese Unterschriftenzahlen seit mindestens 100 Jahren nicht mehr angepasst wurden, die Anzahl Stimmberechtigten aber laufend zugenommen hat, sank das Quorum über die Zeit hinweg. Das Quorum für kantonale Initiativen liegt momentan bei 1.6% (rote Linie in Abbildung 1) und für eidgenössische Initiativen bei 1.9% (grüne Linie in Abbildung 1). Der Vergleich zeigt: Das Quorum in der Stadt Luzern ist gleich hoch wie im Kanton und etwas tiefer als auf Bundesebene.

Vergleicht man die Quoren für Referenden (Abbildung 2), so zeigt sich, dass die Stadt Luzern (1.6%) im Vergleich zu Kanton (1.2%) und Bund (1%) bereits heute das höchste Quorum hat

Dies liegt in der fehlenden Differenzierung der Unterschriftenzahl in der Stadt Luzern zwischen Initiative und Referendum, welche beim Kanton gering, beim Bund jedoch massiv ist.

Schaut man sich an, wie die Volksrechte genutzt wurden, so zeigt ein Blick in die Stadt Luzern tatsächlich eine Zunahme in jüngster Vergangenheit (Abbildung 3). Den Trend zunehmender Volksabstimmungen gibt es auch auf nationaler und kantonaler Ebene (Abbildung 4). In der Stadt Luzern fällt vor allem auf, dass ähnlich wie auf Bundesebene auch die Zahl gewonnener Volksinitiativen deutlich zugenommen hat (drei in den letzten zwei Jahren). In den vorangegangenen 27 Jahren (1984 bis 2011) war lediglich eine einzige Volksinitiative erfolgreich. 

Politologen deuten diesen Trend vermehrt angenommener Volksinitiativen auf nationaler Ebene als zunehmende Unzufriedenheit mit der Politik von National- und Ständerat (Richtungskorrektur durch Volksentscheide, zum Beispiel in der Ausländer- oder in der Bodenpolitik). 

Es kann zumindest auch für die Stadt Luzern als These verwendet werden, dass die StadtluzernerInnen korrigierend in die Wohn- und Verkehrspolitik eingegriffen haben, indem sie Volksinitiativen lanciert und ihnen zugestimmt haben. Initiativen sind nämlich keineswegs nur Parteipropaganda, wie es in der aktuellen Diskussion manchmal latent mitschwingt, sondern manchmal schlicht und einfach auch Volkes Stimme, welche gehört werden will von der Politik. Dass es Volksrechte gibt und diese genutzt werden, wurde bisher eigentlich immer als positiver Aspekt des Schweizer Systems gelobt.

Nico van der Heiden, Politikwissenschafter, SP-Fraktionschef im Grossen Stadtrat, Luzern


Teilen & empfehlen:
Share    
Kommentare:

Keine Einträge

Kommentar verfassen:

Ins Gästebuch eintragen
CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz  

Letzte Beiträge von Nico van der Heiden:

13.04.2016 » Nico van der Heiden
29.02.2016 » Nico van der Heiden
21.09.2015 » Nico van der Heiden

Über Nico van der Heiden:

Nico van der Heiden (*1979) ist promovierter Politologe. Er arbeitet beim Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte als Leiter Politik und Kommunikation. Seit 2011 ist er SP-Grossstadtrat, am 6. Mai 2012 ist er wiedergewählt worden. 

Van der Heiden-Vorstösse im Grossen Stadtrat:

http://www.stadtluzern.ch/de/politik/ggr/polgeschaefte/?uz=NICO