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Kolumne von Hermann Suter

04.12.2012

Warum der 8. Dezember für die Luzerner Freisinnigen so bedeutungsvoll ist

Immer am 8. Dezember findet ein kantonaler Parteitag der früheren «Luzerner Liberalen» statt, die inzwischen als «FDP.Die Liberalen» auftreten. Historiker Hermann Suter, selber ein Leben lang Freisinniger, erklärt - eigens auf Einladung von lu-wahlen.ch - die geschichtliche Bedeutung dieses Datums.


Jakob Robert Steiger (1801 bis 1862)

Ulrich Ochsenbein (1811 bis 1890)

8. Dezember – «Maria Empfängnis» und «Parteitag der FDP.Die Liberalen des Kantons Luzern»: Diese beiden Ereignisse finden seit Generationen an ein- und demselben Tag statt. Während Maria Empfängnis in den vorwiegend katholischen Kantonen als Feiertag gilt, begeben sich hunderte von Anhängern der Freisinnig Demokratischen Partei des Kantons Luzern zu ihrem traditionellen Parteitag. Weshalb der 8. Dezember? 

Am 8. Dezember 1844 fand der «Erste Freischarenzug» statt. Diesem bewaffneten Aufstand der liberalen Kräfte gingen unter anderem die Gründung des Sonderbundes und die höchst umstrittene Berufung der Jesuiten nach Luzern voraus. Im März 1845 folgte der sogenannte zweite Freischarenzug und zwei Jahre später brach der Sonderbundskrieg aus. Die Tagsatzungstruppen, die unter der umsichtigen Führung von General Henri Dufour standen, besiegten die Sonderbundstruppen innert weniger Tage. Ende November 1847 musste die konservative Regierung des Kantons Luzern fliehen. Die liberalen Kräfte kamen nun an die Regierungsmacht. Knapp ein Jahr später, also 1848, gründeten freisinnig-liberale Politiker den Schweizerischen Bundesstaat.

Bewaffneter Aufstand und Umsturz der konservativen Regierung des Kantons Luzern

Kaum hatte die konservative Regierung mit Unterstützung ihrer parlamentarischen Mehrheit den Beschluss zur Berufung der Jesuiten nach Luzern gegen den Willen der liberalen Minderheit durchgebracht, traf sich am 26. November 1844 im «Adler» in Luzern eine hochkarätige Versammlung von Luzerner Liberalen und begann, den bewaffneten Aufstand gegen die Regierung zu planen. Die Auslösung des Aufstandes war auf die Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1844 geplant, wurde dann aber um vier Tage verschoben. Im Hintergrund und auf nationaler Ebene wurden die Fäden zu diesem Aufstand – der den Sturz der Luzerner Regierung und letztlich die Auflösung des Sonderbundes zum Ziele hatte – vom Berner Fürsprecher Ulrich Ochsenbein (1811 – 1890) gezogen. 

Unruhen in Willisau hatten den Kanton Bern zur Mobilisierung eigener Truppen veranlasst. Ochsenbein begann mit dem Aufbau einer Nationalgarde und wurde schliesslich zu deren Führer ernannt. Nach wenigen Tagen hatte Ochsenbein schon 600 Mann beisammen. Auch in den Kantonen Aargau, Solothurn und Baselland wurden Truppen und Freischärler mobilisiert. Die Stadtliberalen sahen sich durch diese Aktivitäten in ihrer Umsturzabsicht bestärkt und entschlossen sich schliesslich, die bewaffnete Aktion am 7. Dezember 1844 in der Stadt Luzern zu starten: Zeughaus und Kaserne sollten genommen, das Basler Tor besetzt, die bewaffneten Hilfskräfte aus den liberal regierten Kantonen zur Unterstützung erwartet und schliesslich die Regierung zur Abdankung gezwungen werden. Der Luzerner Regierung blieben diese Umsturzpläne nicht verborgen. Sie bot ihrerseits Truppen auf, liess die Zeughäuser schärfer bewachen, stellte vor ihnen Kanonen auf und intensivierte den Patrouillendienst. Insgesamt reagierte die konservative Regierung überhastet und konfus. 

Miserable Planung und ein Desaster erster Güte

Die liberalen Stadtluzerner Umstürzler schaukelten sich gegenseitig in die Euphorie des Sieges über die verhasste konservative Regierung hinauf. Schon am folgenden Tag (am Sonntag, 8. Dezember 1844) sollte die Aktion beginnen. Noch lagen von den erwarteten Hilfskräften aus Bern, Aargau, Solothurn und Baselland  keinerlei gesicherte Ankunftsmeldungen vor. Stattdessen tranken sich die Organisatoren des Aufstandes zünftig Mut an. Am frühen Morgen des 8. Dezember um 5 Uhr begab sich eine grössere Anzahl der aufständischen Liberalen auf den Mühleplatz – und traf dort überraschend auf eine bewaffnete Patrouille der Regierung. Es kam zum Schusswechsel. Die Patrouille hatte sechs Tote und zehn Verwundete zu beklagen. 

Die Liberalen waren dermassen überrascht und erschreckt, dass sie sich sofort zurückzogen und Richtung Sammelplatz bei der Emmenbrücke (wo man die Hilfskräfte der erwähnten Kantone erwartete) flüchteten. Sie hatten einen Toten und zwei Verwundete im Gefecht auf dem Mühleplatz zu beklagen.

Die liberale Aktion wurde zu einem einzigen Desaster! Nicht einmal ein Alarmzeichen war vereinbart. Weder das Zeughaus, noch die Kaserne und erst recht nicht das Basler Tor konnten besetzt werden. Das Gros der bewaffneten Liberalen blieb in den Häusern und ein kleines Detachement, welches im «Engel» nahe dem Basler Tor auf den Einsatz gewartet hatte, wurde von den Regierungstruppen kurzerhand vertrieben. Die Nachricht von der kläglichen Niederlage der liberalen Kräfte in der Stadt Luzern entmutigte die unterdessen bei der Emmenbrücke eingetroffenen (wenigen) Hilfskräfte derart, dass sie auf ein weiteres Vorrücken gegen die Stadt Luzern verzichteten und zum Rückzug bliesen. 

«Gebietsverletzter, Räuber und Mörder»

Die konservative Regierung stilisierte ihren Erfolg über die geschlagenen liberalen Aufständischen zu einem grossartigen Sieg über die «Gebietsverletzer, Räuber und Mörder» hinauf. Zur Feier der Errettung des Kantons sollte ein jährliches Fest installiert werden und zwar an eben diesem 8. Dezember, dem Fest der unbefleckten Jungfrau Maria. 

Der Anführer der konservativen Regierung, Constantin Siegwart-Müller, schrieb unter anderem: «Alles Volk schrieb die Errettung der Fürbitte der seligsten Jungfrau zu». Auch der sogenannte zweite Freischarenzug von Ende März / anfangs April 1845 und angeführt vom späteren Bundesrat Ulrich Ochsenbein, endete in einer Niederlage der liberalen Aufrührer. Von dieser zweiten Niederlage führte dann allerdings ein direkter Weg in den Bürgerkrieg vom Spätherbst 1847 hinein. Dieser Bürgerkrieg, beziehungsweise die Niederschlagung des Sonderbundes zwang die konservative Regierung des Kantons Luzern endgültig zur Abdankung und führte auf nationaler Ebene schliesslich zur Gründung des Bundesstaates von 1848.

Die Gedenkstätte der Freischaren bei der Hofkirche

Diese Gedenkstätte stand ursprünglich im 1885 neu erstellten Friedhof im Friedental. Später wurde sie in den alten Friedhof bei der Hofkirche verlegt. Auf dem Gedenkstein sind die Namen der im zweiten Freischarenzug Gefallenen festgehalten. Ausserdem wird an die beiden liberalen Führer und Staatsmänner Dr. Jakob Robert Steiger (1862) und Dr. Kasimir Pfyffer (1875) erinnert. In den Stein gemeisselt kann man lesen: «Den Gefallenen für Freyheit und Recht – Die Toten wird Gott richten».

Jeweils am 8. Dezember, also am traditionellen Parteitag, besammeln sich an dieser Gedenkstätte Mitglieder des freisinnigen Parteivorstandes zusammen mit aktiven Politikerinnen und Politikern aller Stufen, Veteranen und Gleichgesinnten. Im Anschluss an die schlichte Begegnung begeben sich die Gäste zum eigentlichen Parteitag, der jeweils mit dem «Marsch der Freischaren» musikalisch abgeschlossen wird. Es ist zu hoffen, dass diese Tradition noch auf viele Jahre hinaus in Unabhängigkeit und Freiheit gepflegt wird und gepflegt werden kann und darf. Der Respekt vor den Leistungen vergangener Generationen und der bewusste Umgang mit der Geschichte der eigenen (auch politischen) Heimat dient den Menschen und damit dem ganzen Volk. 

Hermann Suter-Lang (Greppen), Präsident der Liberalen Partei der Stadt Luzern 1983-1993. Mitglied der liberalen Grossratsfraktion 1979-1987. 


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Über Hermann Suter:

Dr. phil. Hermann Suter (Greppen) ist Historiker, war Rektor des Lehrerseminars der Stadt Luzern, Zivilschutzchef des Kantons Luzern, städtischer FDP-Präsident und -Grossrat.

Er kommandierte eine Fallschirmgrenadierkompanie und war in seiner aktiven Dienstzeit zuletzt als Oberstleutnant Chef des Truppeninformationsdienstes der Felddivision 8. Hermann Suter präsidiert die «Widerstandsgruppe GIARDINO»: http://gruppe-giardino.ch