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Kolumne von Verena Sollberger

27.12.2013

Zwischen den Jahren

Wer die Hand an den Pflug legt und zurückblickt, der tauge nicht für das Reich Gottes, sagt Jesus einmal im Lukasevangelium. Nun, so ganz einverstanden mit Jesus bin ich da nicht.


Natürlich macht es keinen Sinn (weder beim Pflügen des Ackers noch im persönlichen Leben), ständig im Retrospektive-Modus zu leben, nur in der Vergangenheit herumzuwühlen, und dabei die Gegenwart und die Zukunft aus dem Blick zu verlieren. Doch: Ab und zu einen Blick zurück, einen Blick auf das, was war, ist wichtig und hilft vielleicht auch, den Weg in die Zukunft gelassen und hoffnungsvoll unter die Füsse zu nehmen. Der Blick zurück hat ja nicht einfach nur Nostalgiecharakter. Aus dem Blick zurück lernen wir für den Blick nach vorn, für den Weg, der vor uns liegt, für die Zeit, die sich uns neu öffnet.

Die Zeit «zwischen den Jahren» bietet sich an, einen Moment innezuhalten und sich zu erinnern an das vergangene Jahr mit seinen Höhepunkten und Tiefpunkten, mit den erfüllenden Begegnungen und den enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen, mit den schwierigen Momenten und den beglückenden. Drei Symbole begleiten uns bei diesem Blick zurück: ein Apfel, ein Stein und eine Rose.

Beginnen wir mit dem Apfel. Er ist keine exotische Frucht, der Apfel. Nichts Extravagantes. Nichts Aussergewöhnliches. Der Apfel ist für uns eine alltägliche Frucht. Gebrauchsobst sozusagen, und doch ist er ein Lebensmittel. Ein Mittel zum Leben.

Der Apfel symbolisiert all das, was wir zum Leben brauchen, aber sehr oft als selbstverständlich ansehen: ein Dach über dem Kopf, Freundinnen und Freunde, ein funktionierendes Beziehungsnetz, Familie, Gesundheit, Mobilität, Zeit… Alles so selbstverständlich, so alltäglich… bis uns etwas davon abhanden kommt, plötzlich fehlt. Erst dann, wenn es fehlt, wird uns bewusst, wie wichtig es doch für unser Leben ist. Ein Lebens-Mittel. Ein Mittel zum Leben.

Der Apfel steht aber auch für all das, was wir im vergangenen Jahr «ernten» durften:

. für das, was wir erreicht, ans Ziel gebracht haben;

. für die Erfahrungen, die uns bereichert haben;

. für die Türen, die sich zu anderen Menschen geöffnet haben für uns; 

. vielleicht sind wir gelassener geworden? Ist unser Vertrauen gewachsen…

Der Apfel: das Alltägliche und doch so Wichtige im Leben.

Der Stein. Er steht für das Schwere im vergangenen Jahr. Steine, die auf unserem Weg lagen, uns herausforderten, manchmal stolpern liessen. Steine, die uns belastet oder einfach traurig gestimmt haben:

. der Abschied von einem nahe stehenden Menschen;

. eine bedrohliche Krankheit;

. Zwist, Unstimmigkeit, Streit;

. Not und Unfrieden in dieser Welt.

Wenn wir zurückblicken, erinnern wir uns vielleicht auch an Möglichkeiten und Chancen, die wir verstreichen liessen. An Beziehungen, die wir zuwenig gepflegt haben. An verpasste Gelegenheiten zu einem klärenden Gespräch, einer Handreichung, einem Schritt auf einen anderen Menschen zu.

Wir erinnern uns auch an die Hoffnungen und Erwartungen, die sich für uns nicht erfüllt haben. An die Türen, die trotz unserer Bemühungen noch immer verschlossen bleiben.

Der Stein: das Schwere im zu Ende gehenden Jahr.

Die Rose, sie steht für all das, was uns in diesem Jahr gefreut, beglückt, bereichert hat. Was uns geschenkt wurde, einfach so.

Wenn wir auf unser ganz persönliches 2013 zurückblicken, entdecken wir so manches, das nicht einfach selbstverständlich gewesen ist. Und wir spüren: das war ein Geschenk. Ein kostbares, unerwartetes, ganz und gar nicht selbstverständliches Geschenk, das den gewohnten Alltag ganz plötzlich in ein helles Licht rückte, ihn zum Leuchten, zum Blühen brachte:

. ein tröstendes Wort, eine tröstende Geste im richtigen Moment;

. Versöhnung nach langem Zwist;

. erfüllende Begegnungen;

. bereichernde Gespräche;

. die Entdeckung ungeahnter Fähigkeiten in sich.

Unerwartetes, nicht Selbstverständliches, Bereicherndes und Erfüllendes… Rosen-Momente im Leben. Der Apfel allein reicht nicht ganz. Wir brauchen immer wieder eine Rose, die unser Leben mit Duft, Blühen und Leuchten erfüllt.

Und das Neue Jahr? Was erhoffen wir uns? Was erwarten wir? Was macht uns Angst, was Sorgen? Was wird geschehen in dieser Welt, in unserem Leben? Wird sich etwas ändern? Wird der Hunger nach Brot und Gerechtigkeit gestillt? Wird der Wolf zu Gast sein beim Lamm? Werden die Samenkörner des Friedens endlich aufgehen? Was hält das Neue Jahr für uns bereit? Wir wissen es nicht.

Eben haben wir Weihnachten, die Geburt Jesu, des Immanuel, des «Gott mit uns» gefeiert.

Das ist es, was wir wissen: Gott ist mit uns, was auch immer geschieht im vor uns liegenden Jahr. Oder mit den Worten des deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer:

«Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.»

Verena Sollberger, Pfarrerin, Luzern


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Über Verena Sollberger:

Verena Sollberger ist evangelisch-reformierte Pfarrerin in Luzern. 

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Die Website von Verena Sollbergers Pfarrei:

http://www.refluzern.ch/stadtluzern/orggeschichtelukaskirche.php