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Kolumne von Verena Sollberger

18.08.2019

Wozu ist die Kirche da?

Im Gottesdienst von heute Sonntag (18. August 2019) in der Lukaskirche beantwortete die evangelisch-reformierte Pfarrerin Verena Sollberger eine Frage, die auch Menschen interessiert, die sich zu keinem oder zu einem anderen Glauben als dem ihrigen bekennen. Hier ist das Manuskript ihrer Predigt zu lesen.


Verena Sollberger verabschiedet beim Ausgang der Lukaskirche die BesucherInnen des heutigen Gottesdienstes. Bild: Herbert Fischer

«Kirche, die nicht missionarisch ist, ist nicht Kirche!»: Dieser Satz begegnete mir bei meiner Studienurlaubs-Lektüre. Und er hat einiges ausgelöst bei mir. Wenn Sie diesen Satz hören, was löst er bei Ihnen aus?

Missionarisch – im Zusammenhang mit Kirche ist das ja ein Reizwort. Bei vielen schrillen da sofort die Alarmglocken. Missionarisch? Geht’s noch?

Wir denken an das «nickende Negerlein» aus der Sonntagschule. An Riesenevents mit charismatischen Predigern, die den Leuten einhämmern, was sie glauben müssen. An Zeltmission. Evangelisationen im grossen Stil. Auch die Kreuzzüge im Mittelalter kommen uns in den Sinn.

Mit «missionarisch» bezeichnen wir landläufig eine unangenehme Weise, anderen die eigene Meinung überzustülpen. In Glaubensfragen. Aber auch wenn es um Lebensstil, Lebensweise geht: Was darf man essen? Was nicht? Was darf ich tun? Und was eben nicht?

Wer da seine Mitmenschen mit allen Mitteln vom Eigenen überzeugen will, nur das immer gleiche Thema kennt, immer und immer wieder mit demselben kommt, und nur das Eigene als das Richtige gelten lässt, gilt als «missionarisch». Und das empfinden wir meistens als unangenehm.

Wenn ich anderen von meinem Studienurlaub erzähle und dabei erwähne, dass ich genau das finde: Dass Kirche nämlich missionarisch sein muss, zwingend – dann ernte ich schon mal schräge Blicke, Erstaunen, es kommen Rückfragen… Wie meinst du das? Findest du das wirklich?


Denn: Wir missionieren doch nicht! Das tun vielleicht sogenannte Evangelikale, die Zeugen Jehovas, amerikanische Fernsehprediger, aber doch sicher nicht wir landeskirchlich Reformierten! 
«Kirche, die nicht missionarisch ist, ist nicht Kirche!»:  Ich denke, das Unbehagen, das dieser Satz bei vielen auslöst, hat damit zu tun, wie wir «missionarisch» definieren.

Jede grosse Firma hat eine Mission – sie nennt das dann natürlich «Misch’n». Und aus dieser «Misch’n» heraus entsteht ihr Leitbild, ihre Art und Weise zu arbeiten. Diese «Misch’n», die Grundaufgabe, hält alles zusammen. Auch ganz profane Fussballklubs haben das, eine Mission. Gestern startete der FC Basel seine «Mission Titelverteidigung» im Fussballcup. Eine Mission- oder eben eine «misch’n» zu haben, finden da normalerweise alle völlig okay.

Und die Kirche? «Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern….und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe…» (Mt 28, 19.20) haben wir in der Lesung vorhin gehört. Das ist der Auftrag, den Christus seinen NachfolgerInnen mit auf den Weg gibt. «Geht hinaus…zu den Menschen, überall, tragt das Evangelium, die Gute Nachricht, in die Welt.» Christus schickt seine Jünger in die Welt. Und das ist – genau! – Mission! Mission kommt vom lateinischen Missio, und das bedeutet übersetzt Sendung oder Auftrag. Es ist also ein Auftrag, den die Jünger da bekommen. Und um diesen Auftrag zu erfüllen, darum gibt es Kirche!

Kirche kann also gar nicht anders als missionarisch zu sein. Ist sie es nicht, dann fehlt ihr tatsächlich das Wesentliche. Die Botschaft des Evangeliums weiterzusagen, das ist Grundaufgabe. Ohne das ist Kirche nicht mehr Kirche. Kirche, die sich selber genügt, nur nach innen, auf sich bezogen wirkt, nur noch um sich selber kreist, lebt nicht mehr.

«Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern…..und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe…».  Wir wissen es: es dauerte noch eine Weile, bis die Jünger damals ihren Auftrag tatsächlich in Angriff nahmen. Die hatten nämlich Angst davor. Am liebsten wären sie ja in ihr altes Leben zurück und hätten die Erlebnisse mit ihrem Rabbi Jesus einfach als eine tolle Zeit in Erinnerung behalten, und fertig. Gottes Geist setzt sie dann aber in Bewegung, treibt sie «hinaus in alle Welt» und gibt ihnen die nötige Power, ihre, beziehungsweise Gottes Mission in Angriff zu nehmen.

Kirche hat eine Mission. Einen Auftrag. In der Welt und für die Welt.  Auch wenn dieser Auftrag oft missverstanden, auch missbraucht wurde (zum Beispiel mit den unseligen Kreuzzügen) – es gibt ihn trotzdem.
Kirche muss also missionarisch sein. Die Frage ist nur: Wie ist sie das? Auf welche Weise erfüllt die Kirche, beziehungsweise erfüllen wir als Christinnen und Christen diesen Auftrag?

Nun könnten wir natürlich sagen: Okay – Mission, das bedeutet Verkündigung. Und Verkündigung findet doch im Gottesdienst statt. Mission ist dann Sache der Pfarrerinnen und Pfarrer, der DiakonInnen. Sauber delegiert.

Nur: So hat das Christus wohl nicht gemeint. Er hat damals alle (und nicht nur ein paar Auserwählte) in die Welt gesandt, sie beauftragt! Das mit dem Delegieren funktioniert also nicht wirklich, wir alle sind beauftragt! Haben eine Mission – Gottes Mission! Es bleibt die Aufgabe von uns allen.

Mission bedeutet Verkündigung. Und Verkündigung, auf griechisch martyria, heisst «Gottes Liebe bezeugen». Missionarisch sind wir also dann, wenn wir in dieser Welt Gottes Liebe bezeugen. Das tun wir selbstredend nicht nur im Gottesdienst am Sonntagmorgen hoffentlich, sondern vielmehr in unserem Alltag.

Daran erinnern die Verse im 1. Petrusbrief, die wir in der Lesung gehört haben. Da heisst es: «…führt ein wohlgefälliges Leben unter den Völkern, damit sie durch eure guten Taten zur Erkenntnis kommen und Gott preisen…».

So bezeugten die ersten Christen damals Gottes Liebe. Im Alltag. Durch ihre christliche Lebensweise trugen sie das Evangelium in die Welt. Durch ihre guten Taten. Und nicht durch lautstarke Predigten und Bekehrungsversuche bei ihren Mitbürgern. Im gemeinsamen Feiern (der leiturgia) ging es dann weniger um Verkündigung. Dort stärkten sie sich in der Gemeinschaft für ihren Alltag als Christinnen und Christen. Für ihren missionarischen Auftrag.

Missionarisch sind wir dann, wenn wir draussen, in der Welt, in unserem Alltag, zeigen, was wir drinnen glauben. Wenn wir Salz und Licht sind für die Welt. Wenn unser Glaube für unsere Mitmenschen wahrnehmbar, spürbar und sichtbar, und hoffentlich auch ansteckend, aber nie aufdringlich ist.

«Kirche, die nicht missionarisch ist, ist nicht Kirche!» Ich hoffe, dass die Alarmglocken in Ihren Ohren in der Zwischenzeit verklungen sind und Sie diesem Satz vielleicht sogar zustimmen können.

Amen.

Verena Sollberger, Luzern


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Über Verena Sollberger:

Verena Sollberger ist evangelisch-reformierte Pfarrerin in Luzern. 

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Die Website von Verena Sollbergers Pfarrei:

http://www.refluzern.ch/stadtluzern/orggeschichtelukaskirche.php