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Kolumne von Andreas Schönbächler

23.02.2011

Tiefbahnhof: Späte Einsicht bei Max Pfister

Der abtretende Volkswirtschafts- und Baudirektor Max Pfister (FDP) wollte lange nichts vom Tiefbahnhof wissen. Erst jetzt gilt das Projekt als «machbar».


Wehrte sich lange gegen den Tiefbahnhof: FDP-Regierungsrat Max Pfister, der nach vier Legislaturperioden nicht mehr als Regierungsrat kandidiert.

Wehrte sich lange gegen den Tiefbahnhof: FDP-Regierungsrat Max Pfister, der nach vier Legislaturperioden nicht mehr als Regierungsrat kandidiert.

Der Bahnhof Luzern muss dringend um unterirdische Gleise erweitert werden, um als frequenzstarker Knotenpunkt im Schweizer Schienenverkehr nicht zu ersticken.<br><br>Bilder: Herbert Fischer

Der Bahnhof Luzern muss dringend um unterirdische Gleise erweitert werden, um als frequenzstarker Knotenpunkt im Schweizer Schienenverkehr nicht zu ersticken.

Bilder: Herbert Fischer

Der Tiefbahnhof Luzern ist machbar und dringlich – mit dieser Botschaft wandten sich Vertreter der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden sowie der Stadt Luzern letzte Woche an die Öffentlichkeit. In selten gesehener Einmütigkeit unterstrichen sie die zentrale Bedeutung dieses Ausbauprojekts für die Entwicklung der ganzen Region und präsentierten sich bei dieser Gelegenheit als entschlossene Kämpfer für die bessere Anbindung der Zentralschweiz an das öffentliche Verkehrsnetz.

Die Musik spielt in Bern

Endlich, so ist man als langjähriger Beobachter zu denken geneigt, erkennen die Kantone, dass ohne eine substantielle Mitfinanzierung durch die Region kein Ausbau zu haben ist. Die geäusserte Bereitschaft, selber Geld in die Hand zu nehmen, ist ein wichtiger Schritt, der die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung deutlich erhöhen dürfte.

Natürlich hat der Kommentator der «Neuen LZ» Recht, wenn er darauf verweist, dass «die Musik in Bern spielt» und deshalb auf Bundesebene intensiv lobbyiert werden muss, soll der Tiefbahnhof in absehbarer Zukunft eine Chance auf Realisierung erhalten.

Die Verantwortung dafür, dass wir bis jetzt mit leeren Händen dastehen, darf aber nicht auf die Bundespolitik abgeschoben werden. Die regionalen politischen Verantwortlichen, allen voran jene des Kantons Luzern, sind für den langen Stillstand weitgehend selber verantwortlich.

Seit 1897 nur zweigleisige Zufahrt

Seither ist aber leider zu wenig getan worden, um der bekannten Lösung des längst bekannten Problems näher zu kommen. In der mitlerweile 16 Jahre währenden Ära von Baudirektor Max Pfister hatte der Kanton Luzern offensichtlich andere verkehrspolitische Prioritäten als den Ausbau des Luzerner Bahnhofes. Wir erinnern uns: Schon seit Jahrzehnten ist bekannt, dass im Schienennetz im Raum Luzern Kapazitätsengpässe bestehen. Noch immer muss der normalspurige Zugsverkehr auf der Zufahrt zum Bahnhof mit nur zwei Gleisen auskommen – seit 1897 unverändert und für einen Bahnhof dieser Grössenordnung einmalig. Die Anlage als Kopfbahnhof ist ein zusätzliches Handicap für die Führung durchgehender Züge. Es erstaunt daher nicht, dass längst schon verschiedenste Vorschläge für einen Ausbau skizziert wurden. Aufgrund der geographischen Gegebenheiten stand dabei immer wieder ein als Durchgangsbahnhof konzipierter Tiefbahnhof als langfristig optimale Ergänzung des bestehenden Streckennetzes im Vordergrund. Das wurde immerhin so konkret, dass beim Bau des vor zwanzig Jahren eingeweihten neuen Bahnhofes Rücksicht auf einen zukünftigen Tiefbahnhof genommen wurde.

Luzern hat wichtige Chance vertan

Als nach der Jahrtausendwende der Bund die grossen Probleme im Verkehrsbereich in den Agglomerationen anerkannte, schuf er mit dem Infrastrukturfonds einen Topf für die Unterstützung von Verkehrsprojekten in den Agglomerationen. Die Erarbeitung eines nachhaltigen Agglomerationsprogramms wurde als Voraussetzung definiert, um Bundesgelder zu erhalten.

Die Chance, mit einem qualitativ hochstehenden Luzerner Agglomerationsprogramm den Bund zu überzeugen, hat der Kanton Luzern leider kläglich vertan. Die geforderte Nachhaltigkeit verkam zu einer Floskel in der Einleitung, das präsentierte Massnahmenpaket bestand aus einer strassenlastigen Wunschliste von Baumassnahmen, deren Umsetzung allen Umlagerungszielen entgegenwirken würde.

Im Schienenbereich setzte das Aggloprogramm auf einen Doppelspurausbau am Rotsee und eine zweite Bahnhofzufahrt. Gegenüber einem Tiefbahnhof versprach diese Strategie geringere Kosten, aber auch wesentlich weniger Nutzen. Nach wie vor stellte sich der Kanton auf den Standpunkt, dass der Ausbau der Bahninfrastruktur eine nationale Angelegenheit und daher vom Bund zu bezahlen sei, obwohl der Regionalverkehr längst in die Verantwortung der Kantone übergegangen war und in Luzern vor allem der Ausbau der S-Bahn an der mangelnden Infrastruktur scheiterte.

Kritiker an seiner Politik kanzelte Pfister ab

Das Aggloprogramm wurde aber nicht widerspruchslos hingenommen. Vor allem von politisch linker Seite wurden das Auseinanderklaffen von Zielsetzungen und Massnahmenpaket kritisiert, ebenso die fehlende Prioritätensetzung beim öffentlichen Verkehr. Punkte, die später auch vom Bundesamt für Raumentwicklung bemängelt wurden.

Die Kritik stiess bei Max Pfister stets auf taube Ohren. Wer sich gegen das Aggloprogramm stelle, sei ein Saboteur und schuldig daran, wenn Luzern dereinst leer ausgehe, pflegte er an öffentlichen Veranstaltungen zu wettern. Wer sich sogar traute, laut die Forderung nach einer Wiederaufnahme der Idee Tiefbahnhof zu stellen, wurde damals, 2004, von der bürgerlichen Luzerner Politik und Medienlandschaft als hoffnungslos ideologischer Utopist abgekanzelt.

Angebliche Alternative war bloss zeitraubendes Ablenkungsmanöver

Als schliesslich klar wurde, dass die zweite Bahnhofzufahrt zusammen mit dem Ausbau am Rotsee preislich in eine ähnliche Grössenordnung wie ein Tiefbahnhof zu liegen käme, wich der Kanton Luzern nun selber von seinem Aggloprogramm ab. Man folgte aber noch nicht den lauter werdenden Stimmen, die ein Anpacken des seit Jahrzehnten in der Luft hängenden Grossprojekts Tiefbahnhof forderten. Stattdessen beschäftigte sich die Luzerner Planung mit der Prüfung einer «Alternative», mit der man den anstehenden grossen Brocken zu umschiffen hoffte: Der Bahnhof Emmenbrücke sollte zum Ausweich-Knoten für den Luzerner Bahnhof werden, dank einer Schlaufe zum Rotsee. Diese Billiglösung hätte aber durch das Auseinanderreissen des Umsteigeknotens auf zwei Bahnhöfe massive negative Auswirkungen auf die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs gehabt. Man denke etwa daran, dass Züge, die nur Emmenbrücke, nicht aber Luzern anfahren, aus Richtung Ob- und Nidwalden nur mit zweimaligem Umsteigen zu erreichen gewesen wären. Richtigerweise wurde diese Idee denn auch wieder fallen gelassen – das Ablenkungsmanöver hatte aber wertvolle Zeit verstreichen lassen.

Wenigstens Pfisters Abgang lässt hoffen

Erst etwa 2007 begann man in Luzern auf breiter Ebene die Zeichen der Zeit zu erkennen. Seither ist der Tiefbahnhof immer wieder ein Thema, mit dem sich auch namhafte FDP-Politiker zu profilieren versuchen, die noch kurz zuvor das Thema gescheut hatten wie der Teufel das Weihwasser. Doch noch brauchte es einige Anstrengungen wie etwa die grüne Initiative zur Finanzierung des Tiefbahnhofs in der Stadt Luzern, bis die bürgerliche Politik jetzt endlich auch erkannte, dass man nicht nur Forderungen dem Bund gegenüber formulieren, sondern auch anerkennen muss, dass es sich beim Bahnhofausbau um ein Projekt mit grossem regionalen Nutzen handelt, das auch regional mitfinanziert werden muss. Erst mit den jetzt erfolgten Absichtserklärungen können und müssen die Forderungen aus der Zentralschweiz in Bern auch ernst genommen werden.

Es bleibt nur zu hoffen, dass Baudirektor Pfisters Einsicht am Ende seiner Amtszeit den Auftakt zu einer neuen, fruchtbareren Ära in der Verkehrspolitik des Kantons Luzern darstellt.


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Über Andreas Schönbächler:

Andreas Schönbächler hat an der Uni Bern ein Studium als Geograf abgeschlossen. Er arbeitet sommers bei der SGV als Matrose und winters als Snowboardlehrer in Scuol. Schönbächler kandidiert für die Grünen als Grossstadtrat.