Den Öffentlichen Verkehr fördern und zugleich bei ihm sparen geht gar nicht
Um den ÖV zukunftsfähig zu machen, ist viel Überzeugungsarbeit erforderlich, die gerade auch im bürgerlichen Lager zu leisten ist. Darum braucht es Kantonsräte, die im Hintergrund die nötigen Mehrheiten zu schmieden helfen. VBL-Direktor und CVP-Kantonsrat Norbert Schmassmann versteht sich als einer von ihnen.

Der Optimierung der Transportkapazitäten dient die 2104 erfolgte Anschaffung der Doppelgelenk-Trolleybusse.
Bild: Herbert Fischer
In der Budgetdebatte der letzten Dezembersession sind im Kantonsrat diejenigen Kräfte, welche die Sparmassnahmen beim öffentlichen Verkehr (ÖV) hätten mildern, beziehungsweise auf die Hälfte reduzieren wollen, mit 56 zu 50 Stimmen relativ knapp unterlegen.
Ich finde dies bedauerlich. Mein Einsatz und meine Überzeugungskraft zugunsten des öffentlichen Verkehrs haben nicht genügt. Die «Dominanz» der «Landschaft» gegenüber der «Stadt» war zu gross. Es war keine Mehrheit zu gewinnen. Der «Stadt-Land-Graben» war leider spürbar. Auf der Landschaft wird im ÖV nicht gespart. Nur in der Stadt und in der Agglomeration – und: vor allem bei den Buslinien.
Selbstkritisch frage ich mich: Soll ich mich überhaupt weiterhin politisch engagieren, wenn ich merke, dass ich nicht einmal in jenem Bereich, der erklärtermassen zu meinen Steckenpferden gehört, Mehrheiten erwirken kann?
Der öffentliche Verkehr ist sicher eines dieser Themen, die mir sehr am Herzen liegen. Nicht wegen mir (ich fahre in der Stadt auf kurzen Strecken häufig Velo), sondern wegen all jenen Leuten, die auf den ÖV angewiesen sind. Oder wegen jenen Leuten, die oft und freiwillig auf die Benützung ihres Autos verzichten, weil sie sich bewusst sind, dass sie mit dem Auto auch nicht schneller wären. Im Gegenteil.
Unter Berücksichtigung der Zeit, die man für die Parkplatzsuche einrechnen muss, ist man mit dem ÖV in der Stadt und in der Agglomeration schneller am Ziel. Und wenn man eine Vollkostenrechnung macht, ist der ÖV auch günstiger als die private Mobilität mit dem eigenen Auto.
Um das kantonale Budget – angesichts der einzuhaltenden Schuldenbremse – durchzukriegen, hat der Kantonsrat die vom Regierungsrat vorgeschlagenen Sparmassnahmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs durchgewinkt. Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte waren sich im Zeitpunkt ihres Entscheides wahrscheinlich nicht bewusst, was sie da konkret beschliessen.
Nun sind die entsprechenden Sparvorgaben da und wurden für die beauftragten Transortunternehmen vom Verkehrsverbund Luzern für verbindlich erklärt. Die These, wonach mit dem Ausdünnen und Abbau des ÖV-Angebotes ein Anreiz zum Umsteigen auf das Auto gesetzt wird, ist wohl richtig. Wenn ich darauf angesprochen werde, muss ich dies leider bestätigen.
Die offiziellen und behördlichen Planungen gehen davon aus, dass bis ins Jahr 2030 die Mobilität im Raum Luzern spürbar weiter wächst. Die Strassen, auf denen sich die Mobilität abspielt, werden aber kaum breiter. Die zunehmende Mobilität muss also mit möglichst platzsparenden und effizienten Verkehrsmitteln aufgefangen werden.
Wenn sich der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehr überproportional entwickeln soll, müssen die Kapazitäten im öffentlichen Verkehr in den nächsten 15 Jahren um 40 Prozent gesteigert werden. Aus diesem Grund führt kein Weg an einer gezielten Förderung des öffentlichen Verkehrs vorbei.
Deshalb hatte der Luzerner Kantonsrat noch Ende März 2014 mit grossem Mehr einem Planungsbericht zum Ausbau und zur Förderung des öffentlichen Verkehrs zugestimmt. Anfang Dezember, also nur acht Monate später, hat sich die Mehrheit des Parlamentes nicht mehr an diesen Bericht erinnern wollen und stattdessen ÖV-Sparmassnahmen zugestimmt, die in diametralem Widerspruch zu den proklamierten Ausbaumassnahmen stehen. Man sagt A, ist aber nicht bereit, auch B zu sagen.
Die Mitglieder der linken Parteien sind fast undifferenziert und ohne Rücksicht auf die Kosten für jeden Ausbau des ÖV und wehren sich gegen jeglichen Abbau desselben. In den bürgerlichen Reihen hingegen gibt es immer noch eine grosse Mehrheit von Politikerinnen und Politikern, die nicht einsehen wollen, dass sich die Mobilität nicht allein mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) bewältigen lässt.
Hinzu kommt: Auf dem Land ist der ÖV eh schwächer ausgebaut. Wenn der Bus vielleicht nur im Stunden-Takt kommt, wird das ÖV-Angebot aus politischen Gründen nicht weiter abgebaut, weil es eine Allianz gibt, die sagt: «Wenn schon beim ÖV sparen, kann man doch in der Stadt mit dem dichten ÖV-Angebot sparen. Das merkt doch keiner, wenn der Bus etwas seltener fährt.»
Dabei wird vergessen, dass damit die einzelnen Kurse rasch an die Auslastungsgrenze stossen, der ÖV dadurch an Attraktivität verliert und damit schwächer genutzt wird. Dies wiederum senkt den Kostendeckungsgrad, womit die Steuerzahlenden stärker zur Kasse gebeten werden.
Und das setzt leider Anreize, aus finanzpolitischen Gründen weitere ÖV-Sparmassnahmen umzusetzen. Ein Teufelskreis also.
Als Kantonsrat, der sich im zivilen Beruf an vorderster Front für einen sinnvollen Ausbau des öffentlichen Verkehrs einsetzt – denn nur so lässt sich in Zukunft die wachsende Mobilität bewältigen –, kämpfe ich weiterhin für das Anliegen einer möglichst ökologischen und Raum sparenden Mobilität. Hierzu genügen lautstarke Statements, die wirkungslos verhallen, nicht.
Es braucht die entsprechende Überzeugungsarbeit, die gerade auch im bürgerlichen Lager zu leisten ist. Darum braucht es Kantonsräte, die im Hintergrund die nötigen Mehrheiten zu schmieden helfen. Ich bin einer, der weiterhin bereit ist, mein konstruktiven Beitrag dazu zu leisten.
Norbert Schmassmann, Direktor Verkehrsbetriebe Luzern AG, Kantonsrat CVP, Luzern
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