das gesamte meinungsspektrum lu-wahlen.ch - Die Internet-Plattform für Wahlen und Abstimmungen im Kanton Luzern

Spenden für Verein lu-wahlen.ch

Diese Website gefällt mir! Um weitere Beiträge darauf zu ermöglichen, unterstütze ich lu-wahlen.ch gerne mit einem Betrag ab CHF 10.-

 

 

Kolumne von Simon Roth

29.01.2022

«Das Spiel der FDP ist sehr durchsichtig: Die Velostation wird am 13. Februar angenommen»

SP-Grossstadtrat Yannick Gauch war seinerzeit einer der «Erfinder» der «Inseli-Initiative». Jetzt ist er Co-Präsident der SP. Hier sagt er, warum die «Määs» nicht wie vorgesehen an ihrem heutigen Standort bleiben kann, warum er und die SP den Stadtrat in dieser Sache nicht kritisieren und was er vom «Wortbruch»-Vorwurf der FDP hält. Und warum Luzern die Velostation Bahnhofstrasse dringend braucht.


Yannick Gauch beim Interview am 27. Januar in der Cafébar Salue an der Waldstätterstrasse 3.

Er war einer der «Erfinder» der «Inseli-Initiative», die am 27. September 2017 knapp angenommen worden ist.

Bilder: Herbert Fischer

Herbert Fischer: Sie waren einer der Initianten der «Inseli-Initiative», die am 24. September 2017 mit 51,6 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden ist. Sie haben immer beteuert, wie wichtig ihnen der Fortbestand der «Määs» ist und zwar mit allem, was dazu gehört; also den Marktständen, aber auch dem «Fahrgeschäft» mit «Putschiautos», «Rösslispiel» undsoweiter. Jetzt zeigt sich, dass dies nicht möglich sein wird. Fühlen sie sich «mitschuldig»?

Yannick Gauch: Das stimmt, wir haben uns als InitiantInnen immer dafür ausgesprochen, dass die «Määs», wenn immer möglich, auf dem Inseli bleiben soll. Die Frage, ob das auch im Fall einer Annahme unserer Initiative haargenau im Massstab 1:1 der Fall sein wird, war damals kein Thema.

Inzwischen hat sich die Ausgangslage allerdings grundlegend geändert. So, wie sie sich heute präsentiert, war sie damals nicht absehbar. Zum Beispiel: Wegen dem Bau des Durchgangsbahnhofs wird auf dem Areal von 2030 bis 2040 gar keine «Määs» möglich sein. Das war damals, also vor der Abstimmung über unsere Initiative (24. September 2017), nicht bekannt.

Wenn es sich in Zahlen ausdrücken liesse: Zu wieviel Prozent ist der Bau des Durchgangsbahnhofs «schuld», dass die «Määs» weg muss und zu wieviel Prozent ist es die «Inseli-Initiative»?

Gauch: Das hängt miteinander zusammen. Es macht keinen Sinn, das Inseli auf eine «Määs» auszurichten, die nur noch wenige Jahre am heutigen Standort durchgeführt werden kann. Und: Ob die «Määs» dann nach dem Abschluss der Bauarbeiten des Durchgangsbahnhofs (frühestens 2040) überhaupt zurück auf das Inseli kann oder will, steht heute noch in den Sternen.

Das leuchtet ein. Die FDP der Stadt Luzern bezichtigt den Stadtrat allerdings des «Wortbruchs». Was sagen sie zu diesem ziemlich massiven Vorwurf der bürgerlichen FDP an den – übrigens bürgerlich dominierten – Stadtrat?

Gauch: Dem Stadtrat «Wortbruch» und somit etwas Mutwilliges zu unterstellen, wie dies die FDP macht, erscheint mir nicht gerechtfertigt. Der Stadtrat hat ja nicht gesagt, er wolle die «Määs» nicht mehr. Sondern er legt die Ausgangslage dar, wie sie sich verändert hat und wie sie die Fortführung der «Määs» in heutiger Form verunmöglicht. Ich halte also die Begründung des Stadtrates für nachvollziehbar.

Der Aufschrei der FDP und ihr Tonfall in dieser Sache werden sich hoffentlich ändern und mässigen, wenn im Grossen Stadtrat dieses Thema diskutiert wird und alle Fakten auf dem Tisch liegen. Dann werden auch wir als SP uns dazu äussern. Aber es gibt für uns im Moment keinen Grund, die FDP-Reaktion weiter zu kommentieren.

Es steht von bürgerlicher Seite die Forderung im Raum, die «Inseli-Abstimmung» von 2017 zu wiederholen? Was sagen sie dazu?

Gauch: Dazu wäre wohl eine Stimmrechtsbeschwerde beim Regierungsrat nötig. Da keine mutwillige Irreführung des Stadtrats vorliegt, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Beschwerde gutgeheissen würde. Aber Stimmrechtsbeschwerde hin oder her: Die Ausgangslage mit dem Jahrhundertprojekt Durchgangsbahnhof zwingt uns dazu, neue Lösungen für die «Määs» zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass sich ein mindestens vergleichbar guter Standort finden lässt.

Es stellt sich momentan die unvermeidliche Frage, ob der Stadtrat hier richtig kommuniziert hat, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wäre jetzt in dieser Debatte die zentrale Botschaft, dass die «Määs» wegen des Durchgangsbahnhofs weg muss, dann würde wohl kein Hahn danach krähen. Jetzt aber ergötzt sich die FDP am «Geständnis» des Stadtrates, die «Määs» könne auf dem Inseli nicht mehr durchgeführt werden. Sie hat in einer Stellungnahme dem Stadtrat, wie eben erwähnt, «Wortbruch» vorgeworfen. Hat der Stadtrat auch aus ihrer Sicht als SP-Co-Präsident tatsächlich «Wortbruch» begangen? Es ist ja unbestritten, dass sehr viele Leute 2017 der «Inseli-Initiative» zugestimmt haben, weil sie davon ausgegangen sind, dass die «Määs» dort erhalten bleibt.

Gauch: Aufgrund der stadträtlichen Zustimmung und seiner Argumentation für die «Inseli-Initiative» sind wir damals im Abstimmungskampf davon ausgegangen, dass die «Määs» auf dem Inseli bleiben kann. Aber nochmals: Damals konnte niemand wissen, dass sich die Ausgangslage wegen des geplanten Durchgangsbahnhofs so grundlegend ändern würde. Unsere Kommunikation als Initiantinnen und ebenso die Kommunikation der SP haben sich vor der Abstimmung vom September 2017 auf die Position des Stadtrates gestützt.

Hätten die Jusos damals die Initiative überhaupt lanciert, wenn sie hätten wissen können, dass das so raus kommt?. Dass die Umsetzung der Initiative den Fortbestand der «Määs» auf dem Inseli bedroht?

Gauch: Dieses Gedankenspiel haben wir damals nicht gemacht, weil es dafür keinerlei Anlass gab. Wir haben bereits in unserem Argumentarium für die Unterschriftensammlung betont, dass die «Määs» und weitere Veranstaltungen – wie beispielsweise die Direktübertragung der Eröffnung des Lucerne Festivals – wenn immer möglich, weiterhin auf dem Inseli stattfinden sollen.

Inzwischen sind sie Co-Präsident der SP Stadt Luzern. Ihre Partei hat es bisher nicht für nötig erachtet, Stellung zu nehmen zum Geständnis des Stadtrates, dass die «Määs» nicht mehr auf dem Inseli stattfinden kann; dass also die von ihnen «erfundene» Initiative für das «Inseli ohne Cars» nicht umgesetzt werden kann. Und auch zum «Wortbruch»-Vorwurf der FDP sagen sie nichts. Warum schweigt die SP?

Gauch: Vorweg: Die Initiative wurde nicht von der SP «erfunden», sondern von den JungsozialistInnen. Nun zur Frage: Im Grossen Stadtrat wurde am 20. Januar eine FDP-Interpellation eingereicht. Selbstverständlich werden wir uns im Rahmen ihrer parlamentarischen Beratung detailliert zu den Ausführungen des Stadtrats äussern. Zuerst müssen uns diese Antworten aber vorliegen, dann sind eine fruchtbare Debatte und eine zielführende Lösungsfindung möglich.

Wie auch immer man dies jetzt anschaut: Der Stadtrat ist «angeschossen», in der «Logik» der FDP hat er «Wortbruch» begangen; jener Stadtrat übrigens, der mehrheitlich bürgerlich zusammengesetzt ist und auch personell haargenau dem entspricht, wie das diese Partei gewollt hat; nämlich mit je einem Sitz für die FDP (Martin Merki), einem Sitz für Die Mitte (Franziska Bitzi-Staub) und einem Sitz für die GLP (Manuela Jost).

Wer die «Wortbruch-These» der FDP genauer anschaut, erkennt bald ihren strategischen Hintergrund und somit ihre wahre Absicht: Der Stadtrat wird «angeschossen», um seine Position bei der Abstimmung über die Velostation zu schwächen, welche die FDP nicht will.

Es ist eine Frage der Zeit, bis dem Stadtrat seitens der FDP vorgeworfen wird, die ohnehin «viel zu teure Velostation» werde gewiss «noch viel teurer» werden; man könne «diesem Stadtrat ohnehin nicht glauben», siehe Wortbruch bei der «Inseli-Initiative». So läuft doch der Hase!

Gauch: Zunächst: Im Grossen Stadtrat stimmte die Mehrheit der neun FDP-Mitglieder für die Velostation, inzwischen hat diese Partei aber die Nein-Parole beschlossen. Aber das allein ist noch kein Grund, sich für den 13. Februar um die Zustimmung zur Velostation Sorgen zu machen. Es könnte knapp werden, aber ich bin zuversichtlich, dass sich die Bevölkerung für die Velostation aussprechen wird.

Warum?

Gauch: Diese Velostation ist gut geplant, sie ist am richtigen Ort und ihre Kosten sind eine sinnvolle Investition in die Veloförderung und in eine nachhaltige Verkehrspolitik. Zudem muss man in der Velostation auch eine Vorinvestition in den Durchgangsbahnhof sehen. Wir wissen heute, dass bis im Jahr 2035 rund um den Bahnhof 7000 Veloparkplätze erforderlich sind; Stand heute sind es 3500. Wir wissen auch: Der Platz dort ist eng und weitgehend übernutzt. Gewisse Veloparkplätze, zum Beispiel jene im sogenannten Posttunnel, müssen wegen des Durchgangsbahnhofs weg. Es muss also dringend in die Veloinfrastruktur investiert werden, wenn wir langfristig ein Velo-Chaos rund um den Bahnhof verhindern wollen.

Verschwinden Velos dank dem Veloparkplatz unter der Bahnhofstrasse im Untergrund, schafft dies oberirdisch Platz für die FussgängerInnen. Dies kommt also allen LuzernerInnen zugute, auch dem ansässigen Gewerbe und den – zu «normalen Zeiten» – bis zu 14 000 BesucherInnen der Kapellbrücke.

Mit der Velostation können das Potential der Flaniermeile Bahnhofstrasse und die Umsetzung der 2013 angenommenen SP-Initiative «Für eine attraktive Bahnhofstrasse» optimal ausgeschöpft werden.

Dennoch wird dem Projekt Velostation Bahnhofstrasse von rechtsbürgerlicher Seite vorgeworfen, es sei viel zu teuer. Die «LZ» hat Vergleiche angestellt mit anderen Schweizer Städten und behauptet, dort seien solche Projekte erheblich kostengünstiger realisiert worden.

Gauch: Sorry, aber diese «Vergleiche» der «LZ» sind schlichtweg unbrauchbar! Und zwar einerseits wegen der nahen Reuss, andererseits kann sich kaum jemand vorstellen, was unter der Bahnhofstrasse alles an Leitungen und anderen Infrastruktureinrichtungen eingebaut ist. Das muss alles neu verlegt werden. Zudem ist es schlicht unmöglich, eine unterirdische Velostation, die der Anbindung an den Bahnhof nützen soll, an einem anderen Ort zu realisieren. Das ist sehr eingehend geprüft worden. Dieser Standort ist also alternativlos.

Trotzdem ist es nicht gut für diese Vorlage, wenn der Stadtrat ausgerechnet jetzt unter Beschuss steht. Das nützt ihren Gegnern, der FDP und ihrer Nein-Parole, obschon ihre Grossstadträte im Parlament mehrheitlich zugestimmt haben.

Gauch: Das ist sicher so. Das ist tatsächlich auch der Grund, dass die FDP nun so auf den Stadtrat schiesst. Ich halte das für ein sehr durchsichtiges Spiel und bin zuversichtlich, dass die Velostation am 13. Februar angenommen wird.

Interview: Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern


Teilen & empfehlen:
Share    
Kommentare:

Keine Einträge

Kommentar verfassen:

Ins Gästebuch eintragen
CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz  

Über Simon Roth:

Simon Roth (1984) lebt seit Geburt in Luzern. Von 2012 bis 2018 war er Vizepräsident der SP Stadt Luzern. Seither ist er Präsident der SP/JUSO-Fraktion im Grossen Stadtrat. Nach einer Lehre als Informations- und Dokumentationsassistent absolvierte er die Technische Berufsmatura und die «Passerelle» um anschliessend an der Universität Bern Geschichte und Volkswirtschaft zu studieren. Daneben arbeitete er im Staatsarchiv und als selbstständiger Archivar. Seit 2014 arbeitet Simon Roth als Projekt- und Abteilungsleiter auf dem Zentralsekretariat der SP Schweiz.