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22.01.2016

Was der Philosoph Lukas Gerber an der EYEDEA-Vernissage bei Pfistergassoptik sagte (2)

Die Präsentation von besonderen Brillenetuis mag als vergleichbar banales Ereignis erscheinen. Werden Wert und Wirkung des Sehens hingegen in einen grösseren Zusammenhang gestellt, so gewinnt selbst ein solcher Event an Gewicht und Profil. Hier folgt der Wortlaut der Rede von Philosoph Lukas Gerber an der Vernissage von EYEDEA am Donnerstagabend (21. Januar) bei Pfistergassoptik in Luzern.


Komponistin Silvia Simons: «Einzige Soundquelle sind magnetische Wellen aus der Magneto-, Iono- und Atmo-Sphäre unserer Erde…»

Jean-Paul Anderhub hofft auf neue Zeiten für sein Projekt EYEDEA, das er erfunden und mit seiner Partnerin Franca Zwyer aufgebaut hat.

Die leidenschaftliche Komponistin Silvia Simons (links) weiss auch mit Worten zu fesseln. In der Mitte: EYEDEA-Macherin Franca Zwyer, rechts Ria Leitges.

Jean-Paul Anderhub mit seiner Schwester Elsbeth Holdener-Anderhub.

Eines der acht Brillenetuis von EYEDEA, das Modell CARNEVALE.

Elsbeth Holdner diskutiert mit Apollo Piffaretti. Im Hintergrund: Tassos Kitsakis, über Jahre Ingenieur am Forschungszentrum CERN in Genf und eigens für diese Vernissage aus Zürich angereist.

Das Modell GLAMOUR.

Christian Felber von mign.ch brilliert mit einem Film für die Luzerner Stadtreinigung; zurzeit in den VBL-Bussen zu sehen. An dieser Vernissage stand er für die Zukunft von EYEDEA als Kameramann im Einsatz.

Das Modell SEA SIGHT.

Der exzentrische Zürcher Philosoph und Psychologe Guy Planta (mit Brille und Bart) beeindruckte unter anderem Lukas Gerber durch reichen Geist und universelles Wissen.

Bilder: Herbert Fischer

Verehrte Damen und Herren. Gleich zu Beginn möchte ich Jean-Paul Anderhub herzlich für die Einladung und die Gelegenheit danken, mit Ihnen heute an der Vernissage von EYEDEA ein paar meiner Gedanken über das Sehen teilen zu dürfen.

Jean-Paul hat mir als Motto für meinen Wortbeitrag Sehen – mit Herz und Verstand vorgeschlagen, was mir auf Anhieb sinnig und kraftvoll erschien. Und so möchte ich denn mit dem Abendlied des Zürcher Schriftstellers Gottfried Keller über das Sehen einsteigen:

 

Augen, meine lieben Fensterlein,

Gebt mir schon so lange holden Schein,

Lasset freundlich Bild um Bild herein:

Einmal werdet ihr verdunkelt sein!

 

Fallen einst die müden Lider zu,

Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh';

Tastend streift sie ab die Wanderschuh',

Legt sich auch in ihre finst're Truh'.

 

Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend steh'n

Wie zwei Sternlein, innerlich zu seh'n,

Bis sie schwanken und dann auch vergeh'n,

Wie von eines Falters Flügelweh'n.

 

Doch noch wandl' ich auf dem Abendfeld,

Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;

Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,

Von dem goldnen Überfluß der Welt!


Keller vergleicht in diesem Altersgedicht gleich im ersten Vers die Augen mit Fensterlein, welche den Bilderreichtum der Welt empfangen. Im letzten Vers appelliert das lyrische Ich dann emphatisch an die Augen, so viel wie nur möglich vom Überfluss der Welt zu trinken. Das Gedicht ist eine Hymne auf das Sehen und gleichsam die wehmütige Erkenntnis, dass dieses köstliche visuelle Trinkgelage einmal ein Ende haben wird, nach dem Abend die Nacht eintrifft und das Augenlicht für immer verdunkelt sein wird.

Dieses Sehen, von dem Keller spricht, ist nicht trivial. Es ist ein bewusstes Sehen, angesichts der Vergänglichkeit, nicht zufällig sind am Abend, wenn die Sonne untergeht, die Erscheinungen am schönsten und tiefsten, wenn sie golden und immer wertvoller in Anbetracht des Erlöschens scheinen. 

Dass man auch sehend blind sein kann, zeigt der antike Mythos von König Ödipus in aller Deutlichkeit. Der König von Theben hat unwissend seinen Vater gemordet und seine Mutter geehelicht. Als eine Seuche die Stadt heimsucht und ein Orakel darauf hinweist, dass dies aufgrund eines Frevels der Fall sei, muss Ödipus unwissend gegen sich selbst ermitteln. Er lässt den blinden Seher Teiresias kommen, der ihm widerwillig den Grund nennt: Die Wurzel allen Übels sei Ödipus selbst. Dieser, mit der unangenehmen Wahrheit konfrontiert, verhöhnt den Blinden. Teiresias, derart angefeindet, spricht eine weitere Wahrheit: «Ich habe zwar kein Augenlicht, sehe jedoch deine Schuld, du aber bist sehend blind.» Zum Schluss der ganzen Untersuchung muss Ödipus seine Blindheit anerkennen und bestraft sich schliesslich selbst dadurch, dass er sich das Augenlicht nimmt, beziehungsweise die Augen aussticht.

«Man sieht nur mit dem Herzen gut. Alles Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.» Diese tiefe Einsicht vermittelt ein scheuer Fuchs dem kleinen Prinzen von Antoine de Saint Exupéry. Sehen ist eben nicht gleich Sehen. Wie Ödipus kann man sehend blind sein. Man kann sein Herz verschlossen haben und dadurch nur das Unwesentliche, die Erscheinungen wahrnehmen, jedoch die Sinnhaftigkeit, die Bedeutung nicht erkennen.

Davon spricht auch der grosse Philosoph Platon in seinem berühmten Höhlengleichnis. Es handelt von Menschen, die von Geburt an in einer Höhle gefesselt sind und Schattenspiele an einer Wand als die vermeintliche Wirklichkeit ansehen. Was geschähe, so fragt Sokrates seinen Schüler Glaukon, wenn nun einer dieser Gefangenen befreit und aus der Höhle hinauf ans Tageslicht, in die wirkliche Welt gezerrt würde? Vom Licht geblendet, sähe er erstmals gar nichts, dann langsam würden sich seine Sinne den Umständen anpassen, er könnte zuerst bei Nacht den Sternenhimmel sehen, später auch bei Tag die Spiegelbilder in einem See, nach einiger Zeit dann die Gegenstände der Natur und ganz am Schluss würde er die Sonne als Urheberin allen Lichts erkennen können.

Wenn er nun mit diesem Wissensschatz zurück in die Höhle herabsteigen und die anderen Gefangenen aufklären wollte, was geschähe da? Richtig, sie würden ihn umbringen, weil sie die Wahrheit nicht ertragen könnten. 

In diesem Gleichnis wird der philosophische Weg von der Illusion zur Wahrheit beschrieben. Die Sonne steht für die Idee des Guten, Schönen, Wahren, für das Göttliche. Dieser Weg ist aber ein innerlicher Weg. Die platonischen Ideen oder auch Urbilder können nur mit dem Herzen und mit dem Geiste oder Verstand, jedoch nicht mit den Sinnen empfangen werden. Ideen sind nach Platon göttliche Wesen.

Das Wort Idee stammt von dem altgriechischen idea, was von idein abgeleitet ist und erblicken, erkennen bedeutet. 

Der Begriff Verstand ist laut Wikipedia das Substantiv zu «verstehen», von althochdeutsch «farstān», mit der ursprünglichen Bedeutung «davor stehen», wodurch man eine Sache genau wahrnehmen kann, was von Anfang an im übertragenen Sinn von «begreifen» und «durchschauen» verwendet wurde.

Interessant finde ich die Verbindung von verstehen und sehen. Einsicht ist eine Art Schau, wenn ein heller Lichtstrahl einen Gegenstand erleuchtet und ich dies mit meinem geistigen Auge klar und deutlich erkennen kann. Für Platon ist die Erkenntnis der Idee eigentlich eine göttliche Gnade. Er stand der sinnlichen Wahrnehmung zeitlebens skeptisch gegenüber.

Der indische Philosoph und spirituelle Lehrer Jiddu Krishnamurti hingegen stand dem Denken als Mittel zur Wahrheitsfindung zeitlebens kritisch gegenüber. Die Wahrheit sei ein pfadloser Pfad, pflegte er zu sagen. Mit dem Denken könne man niemals dorthin gelangen, denn dieses sei ein analytischer, trennender Vorgang. Auch sei angelerntes Wissen auf dem Weg zur Wahrheit hinderlich. Ähnlich wie die Weisheitslehren des Buddhismus und Taoismus war er der Überzeugung, dass nur mittels Meditation, der Versenkung und durch vorurteilsfreie Hingabe ohne Bewertung und Beurteilung Wahrheit erkannt und Konflikte gelöst werden könnten. So wäre also in Krishnamurtis Sinne zu sagen: Man sieht nur mit dem Herzen gut, alles Wesentliche ist für das Denken undenkbar.

Somit können wir zusammenfassen, dass der Begriff des Sehens unterschiedlich verstanden werden kann. Keller spricht in seinem Gedicht von einem aufnehmenden, sinnlichen Sehen: Die Augen als Fenster zu Welt. Saint-Exupéry versteht das Herz als das wahre Sehorgan, wobei er mit Sehen Mitgefühl und Liebe meint. Der hellsichtige blinde Teiresias sieht die Schuld von Ödipus, welche dieser auch mit den schärfsten Augen selbst nicht erkennen kann. Platon wiederum versteht Sehen als Erkennen der Urbilder des Schönen, Guten und Wahren durch die Geistes- und Verstandestätigkeit, Krishnamurti hingegen misstraut dem denkenden Verstand, da er ihn für konditioniert, abgerichtet hält. Für ihn ist Sehen, beziehungsweise die Einsicht der Wahrheit nur mittels Meditation, dem Freiwerden von Gedanken, möglich.

Im Sinne einer Meditation möchte ich sie nun einladen, sich auf ein aussergewöhnliches Hörerlebnis einzulassen: Die schweizerisch-australische Komponistin und Klangkünstlerin Silvia Simons hat aus magnetischen Wellen der Erdatmosphäre, die von kanadischen Astrophysikern mit elaborierten technischen Mitteln in akustische Signale umgewandelt wurden, ein Poéme d’espace geschaffen. 

Die Komponistin hat einige dieser space sounds in ihrem ursprünglichen Zustand belassen, andere verändert und bearbeitet, immer im Bestreben, deren Charakter zu verdeutlichen und herauszuarbeiten, was von Natur aus in den Klängen vorhanden ist, anstatt ihnen Fremdelemente aufzuzwingen.

Öffnen Sie also Ihre Ohren, schliessen Sie die Augen und schauen Sie in die Tiefe des Universums.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. 

Lukas Gerber, Bern

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