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15.10.2015

Martin Schwegler befürchtet, dass die Politik noch mehr verarmt

Im vierten Interview mit lu-wahlen.ch zieht CVP-Nationalratskandidat Martin Schwegler eine Bilanz hinter diesen Wahlkampf. Sein Befund deckt sich mit anderen Urteilen: wenig Inhalte, keine substanziellen Debatten, Klamauk und Sauglattismus zuhauf.


Wie hast du diesen Wahlkampf erlebt?

Martin Schwegler: Sehr flau. Es haben fast keine inhaltlichen Auseinandersetzungen stattgefunden. Wenn die Schulen nicht dazu eingeladen hätten, hätte es auch fast keine Podien gegeben.

Das ist ein bitterer Befund. Warum ist das so?

Ziemlich sicher hat das zum einen mit den Medien zu tun, welche ihrerseits ebenfalls kaum Debatten anreissen und durchführen. Zum anderen versuchen die Parteien in erster Linie, ihre eigenen, eh schon potentiellen Wählerinnen und Wähler anzusprechen. 

Das ist ja eigentlich ein Witz: Politiker geniessen nie so viel Aufmerksamkeit wie vor Wahlen und auch die Medien berichten kaum je so viel über sie. Zugleich fressen die Wölfe ausgerechnet dann Kreide und zeigen möglichst wenig Profil.  

Die Parteien haben gemerkt, dass sie keine Tore schiessen, wenn sie inhaltliche Debatten anreissen. Greifen sie andere an, so nützt das der angegriffenen Partei mindestens so viel wie der eigenen. Hinzu kommt, dass diejenige Partei die Wahlen gewinnt, welche ihr eigenes Stammpublikum an die Urne bringt.

Nur knapp die Hälfte der Stimmberechtigten geht wählen. Unter den potentiell Stimmabstinenten gibt es aber viele, welche eine parteipolitische Präferenz haben. Der Aufwand, das eigene Potential an die Urne zu bringen, ist geringer, als neue Personen mit anderer parteipolitischer Präferenz zu gewinnen. Deshalb konzentrieren sich die Parteien vorab darauf, das eigene Potential auszuschöpfen. Folglich weichen sie Polarisierungen aus. Eine Rolle spielt gewiss auch, dass wir keine Saaldemokratie mehr haben.

«Saaldemokratie»?

Früher war es doch so, dass die Parteien in den Sälen der Beizen Veranstaltungen durchführten, die auf reges Interesse stiessen und an denen «eingeheizt» wurde. 1991, als ich auf der JCVP Liste erstmals kandidierte, da fand am gleichen Abend in Gettnau und Ettiswil eine Wahlveranstaltung der CVP statt und an beiden Orten hatte es über 100 Leute im Saal. Wer an solchen Veranstaltungen gut reden konnte und einen guten Auftritt hatte, war anderntags ein Thema im Dorf. Man hatte so eine Chance, bekannt zu werden. Heute gibt es das nicht mehr. Man ist voll auf die Medien angewiesen.  Das Bild ist viel wichtiger geworden als der Text. Entsprechend versucht man, irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen, damit die Medien darüber berichten. Und weil diese wenig Interesse an inhaltlichen Differenzen haben, liest man dann halt über falsch platzierte Plakate oder Werbetafeln, über Morddrohungen und sonstige Aufreger – zum Nutzen des jeweiligen Kandidaten.  

Im Übrigen habe ich das bestimmte Gefühl, dass die Politik die Leute heute weniger interessiert als man als direkt Involvierter meint. Viele Leute wollen einfach unterhalten werden. Medien, die verkauft werden wollen, müssen sich dem anpassen. 

Deinen Befund, dass keine inhaltlichen Debatten stattfinden, also anhaltende Diskussionen über bestimmte Themen ausbleiben, dass hingegen über Umfrageresultate und Eveline Widmer-Schlumpf diskutiert wird, teilen viele Beobachterinnen und Beobachter.

Gewiss sehe nicht allein ich das so, es ist ja offensichtlich. Wer also ein gutes Rezept hat, wie Parteien oder Kandidaten vor Wahlen Debatten lancieren können, möge sie bitte auf den Tisch legen. 

Tatsache ist übrigens, dass die Politik anstrengender geworden, dass die Themen komplexer und entsprechend schwieriger zu erklären sind. Das macht das Spiel für Populisten leichter. Sie sind ja darauf spezialisiert, Fragestellung zu vereinfachen und billige Pauschalrezepte anzubieten.

Und der «Sauglattismus» gedeiht: was «cheibe loschtig» oder «geil» rüberkommt, hat Chancen auf viele Zugriffe in den Social media. Selbst die CVP fühlte sich offenbar bemüssigt, eine solche Aktion zu lancieren und Fussgängersteifen mit ihrem eigenen Orange zu bemalen (siehe unter «Links»). Stört dich das?

Ja, eigentlich schon, aber mehr im generellen Sinne. Ich verstehe nämlich die Verantwortlichen, dass sie alles versuchen, um Aufmerksamkeit zu generieren und um so ihre Botschaft zu transportieren. Mir wären substanzielle Auseinandersetzungen lieber, sie würden die Unterschiede zwischen Kandidatinnen und Kandidaten aufzeigen. Allerdings sollte dies nicht so geschehen, wie in der «Arena». Da wird ja nur herumbrüllt und einander dreingeredet. 

Die Umfragen, beziehungsweise ihre Resultate – ob sie uns freuen oder nicht – sind nun mal eines der wenigen Themen, die mit Blick auf den 18. Oktober und – mehr noch – auf den 9. Dezember, dem Tag der Bundesratswahl, zu reden geben. Was sagst du dazu?

Umfragen haben etwas Zwiespältiges, denn sie beeinflussen das Wahlresultat bis zu einem gewissen Grad: Gute Umfrageresultate können demobilisierend wirken, so nach dem Motto: «Es wird schon gut kommen». Schlechte Werte hingegen können mobilisieren so nach dem Motto: «Jetzt wähle ich erst recht».

Es ist mir also lieber, wenn die Umfragen für die CVP nicht so berauschend ausfallen, dafür mobilisierend wirken. Sicher ist, dass die Sitze nicht nach den Umfragewerten, sondern anhand der Kandidaten- und Listenstimmen verteilt werden, die am Sonntag in der Urne landeten.

Jetzt stehen wir nur wenige Tage vor dem Wahlsonntag. Was lässt sich nun noch machen?

Mobilisieren! Im Kanton Luzern haben wir ziemlich genau 200 000 Wahlberechtigte, etwa die Hälfte wählt tatsächlich. Wenn es sehr gut läuft, erreicht die CVP 32 000 bis 34 000 Wählende. Wenn wir uns erinnern, dass vor vier Jahren der dritte SVP-Sitz wegen 300 Listen an die GLP gegangen ist, dann zeigt auch dies: es kommt auf jede Stimme an. 

Du bedauerst die fehlenden Inhalte. Dann darf ich hier gewiss nochmals von Dir hören, welches Deine Kernbotschaften sind, wen Du vertreten wirst?

Ich politisiere aus einer Haltung heraus, welche vom Menschen die Übernahme von Eigenverantwortung  erwartet. Weil wir in einer Gemeinschaft leben, haben wir aber auch eine Verantwortung gegenüber den Schwächeren. Zudem müssen wir Sorge zu unserer Erde tragen. An die Probleme gehe ich frei von jeglicher Ideologie heran.

Lieber ein Kompromiss, der in die richtige Richtung zielt, als Stillstand aus Sturheit. Menschen gegenüber begegne ich offen und vorurteilslos. Aus meinen Engagements heraus wäre ich ein «Interessenvertreter», der Wohnbaugenossenschaften und der Imker, beziehungsweise der Bienen. Ich bin zwar Gewerbler, aber kein Befehlsempfänger des Gewerbeverbandes. Mit Blick auf die aktuellen Geschäfte würde ich mich für die Energiewende engagieren, für ausgeglichene Bundesfinanzen, gegen die zweite Gotthardröhre, für die Sicherung der Altervorsorge, die Beibehaltung des bilateralen Weges und verstärktes internationales Engagement.

Du hast sieben Jahren lang die CVP als Kantonalpräsident geführt; eine grosse Partei, eine Volkspartei mit entsprechend breitem Spektrum von Positionen. Was hast Du in dieser Zeit gelernt?

Die CVP Wählerinnen und Wähler – es sind übrigens in der Mehrheit Frauen – sind grundsätzlich loyal und honorieren, wenn man versucht, ehrliche politische Arbeit zu leisten. Dann wird dir auch verziehen, wenn du dich mal in der Wortwahl etwas vergreifst oder über das Ziel hinausschiesst. Wenn man die innerparteiliche Demokratie achtet und genügend Zeit gibt für die Diskussion, dann werden beschlossene Positionen auch von jenen mitgetragen, welche eher kritisch waren. Will man also in der Mitte sich klar positionieren und die verschiedenen Interessengruppen «mitnehmen», muss man unbedingt viel Zeit für die Meinungsbildung einräumen und auch den Querdenkern gut zuhören. 

In einer Partei mit einer gewissen Breite wird man viel mehr als bei den Polparteien gezwungen, sich auch mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Und man macht die Erfahrung, dass auch jene logisch denken können und redliche Interessen haben, mit denen man nicht in jedem Fall das Heu auf der gleichen Bühne hat. Diese Erfahrung macht man in den Polparteien nicht, dort ist man glücklich, wenn man gemeinsam das «Glaubensbekenntnis» nach aussen tragen kann und genau weiss, wer der politische Feind ist. 

Wie läuft für Dich der Wahlsonntag ab?

Am Freitagmorgen früh steige ich mit meinem Kollegen von der Männerriege in den Car und wir gehen auf die alle zwei Jahre stattfindende Vereinsreise, diesmal ins Piemont. Am Sonntagabend kommen wir zurück. Ich nehme an, dass ich das Wahlresultat auf der Heimreise in der Nähe des Gotthardes erfahre. Um 19 Uhr treffen sich die Menznauer Parteivertreter im «Lamm» in Menznau. Aber vielleicht kommt ja das Programm etwas durcheinander. 

Interview: Pascal Vogel


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