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Kolumne von Ludwig Peyer

15.05.2017

Der CVP-Fraktionschef über Musikschulen, die FDP und Christian Ineichen

Im Kantonsrat stimmte sie für die Halbierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen. Doch ihre Delegiertenversammlung kehrte diesen Entscheid um und beschloss die Nein-Parole. Fraktionschef Ludwig Peyer sagt, warum. Und erklärt das Verhältnis zur FDP. Und sagt, was vom neuen Kantonalpräsidenten Christian Ineichen zu erwarten ist.


Der Willisauer Ludwig Peyer ist Jurist und Präsident der CVP-Fraktion im Kantonsrat.

Der Marbacher Historiker Christian Ineichen ist am 27. April in Hildisrieden zum Kantonalpräsidenten der CVP gewählt worden.

Bilder: Herbert Fischer

Herbert Fischer: Wie wird nächsten Sonntag (21. Mai) das Ergebnis der Abstimmung über die Halbierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen herauskommen?

Ludwig Peyer: Ich gehe davon aus, dass das ein Nein gibt.

Wie deutlich wird das Nein sein?

Ich schätze so um die «55 Prozent plus».

Es gibt Leute in der CVP, die mit weitaus mehr rechnen, von «70 plus», war auch schon die Rede.

Tatsächlich machen die 22 000 Unterschriften für dieses Referendum grossen Eindruck. Das wurde auch an der CVP-Delegiertenversammlung vom 27. April in Hildisrieden klar. Falls all die Musikschulen, all die Musikgesellschaften, all die Chöre und weitere Kreise, die auf Nachwuchs und damit auf Musikschulen angewiesen sind, ihre Leute für diese Abstimmung gut mobilisieren, kann der Nein-Anteil durchaus höher liegen. Auch ich rechne also mit einem Nein.

Ihre Fraktion hat im Kantonsrat mit 29 Stimmen für die Halbierung der Kantonsbeiträge gestimmt und mit 7 Stimmen dagegen. An ihrer DV in Hildisrieden, war das Ergebnis umgekehrt, wenn auch proportional nicht so deutlich: 173 Stimmen für die Nein-Parole, 113 für die Ja-Parole. Was ist inzwischen passiert?

Es war uns bereits im Kantonsrat bewusst, dass das ein schwieriges Geschäft ist.  Aber damals ging es darum, ein Gesamtpaket zustande zu bringen, um ein gesetzeskonformes Budget  zu erreichen. Aufgrund der strategischen Bedeutung des Geschäftes versuchten wir eine möglichst hohe Fraktionsdisziplin zu erreichen, ansonsten hätte es sicher noch mehr Nein Stimmen gegeben. 

Wobei hier sicher die Ansicht oder zumindest die Hoffnung mitspielte, die Gemeinden würden die Kosten auffangen, die durch die Halbierung der Kantonsbeiträge an die Musikschulen nicht gedeckt sein würden.

Die Reaktionen aus den Gemeinden aber waren teils anders und es muss inzwischen befürchtet werden, dass nicht alle von ihnen diese Kosten tatsächlich übernehmen werden; dass also die Eltern der Musikschülerinnen und -schüler in ihre Taschen greifen müssen. 

Damit würden die Eltern mit bescheidenen Einkommen vergleichsweise stark belastet und das will die Mehrheit der Delegiertenversammlung der Familienpartei CVP nicht.

Dass der Versuch, die Kantonsbeiträge an die Musikschulen zu halbieren, nicht wirklich eine gescheite Idee war, ist uns in der Fraktion absolut bewusst Auch unser Bildungsdirektor Reto Wyss hat sich übrigens genauso öffentlich geäussert, aber er konnte wohl nicht anders. Das zeigt, in welch schwieriger finanziellen Situation wir stecken.  

Ihre Fraktion war also nicht überrascht, dass das Referendum so deutlich zustande gekommen ist? 

Nein, wir waren nicht überrascht.

Die Ablehnung dieser Sparmassnahme am 21. Mai ist, wie bereits gesagt, so gut wie sicher. Der Kantonsrat hat damit den Linken einen grossen Gefallen getan, denn sie haben das Referendum initiiert und nun im Vorfeld der Abstimmung eine Unterstützung erreicht, die klar über ihr Wählerpotential hinausgeht, also ins bürgerliche Elektorat hinein reicht. Dies ist das erste Referendum, das sich gegen eine der vielen Sparmassnahmen richtet und zugleich Erfolg haben wird. Könnte das in der bürgerlichen Übermacht im Kantonsrat Ängste schaffen, etwa unter dem Motto: «Nein, hier dürfen wir nicht sparen, sonst steht uns wieder ein Referendum mit einer Abfuhr in der Abstimmung bevor»?

Die Ablehnung dieser Massnahme wird vor allem ein Erfolg für die Musik, die Musikschulen und ihre Verankerung in der breiten Bevölkerung sein. Die Linken haben zwar das Referendum initiiert und führen nun diesen Abstimmungskampf.

Das Gros der Unterschriften kam aber aus den Musikschulen selber und nicht von den Linken und den Gewerkschaften.  Wenn nun auch noch eine grosse Mitte-Partei wie die CVP dagegen Stellung nimmt, trägt sie entscheidend zu diesem Nein bei, ohne deswegen selber zur Linken zu gehören. Auch das gehört zu einer lebendigen Demokratie! Musik ist weder links noch rechts!

Für mich zeigen dieses Referendum und die Deutlichkeit, mit der es zustande gekommen ist, allerdings auch, dass wir mit der ganzen Sparerei langsam aber sicher an Grenzen stossen und zunehmend in Erklärungsnot geraten. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht am Volk vorbeipolitisieren. 

Wie erreichen Sie das?

In dem wir Themen, die der Bevölkerung unter den Nägeln brennen, noch besser aufnehmen und bei der Finanzpolitik mehr Klarheit schaffen.

An ihrer DV vom 27. April in Hildisrieden ist ein neuer Kantonalpräsident gewählt worden: der Historiker Christian Ineichen aus Marbach. Sind sie zufrieden mit dieser Wahl?

Ja. 

Sie ist nicht ganz ohne kritische Begleitmusik erfolgt. Er gilt als Rechtsaussen und der SVP nahestehend.

Ja, dieses Bild haben viele Leute von ihm, wobei das nur bedingt stimmt. Aber letztlich ist die Wahl einstimmig erfolgt. Und er weiss selber sehr wohl, dass er nun eine Mitte-Partei präsidiert, die ein breites Spektrum von politischen Positionen abdeckt.

Und dass er diese ganze Breite ansprechen und nach aussen repräsentieren muss. Mit Christian Ineichen hat die CVP vor allem auch eine Persönlichkeit gefunden, die einerseits ein «aminal politique» und andererseits bereit ist, diese schwierige und vor allem sehr zeitaufwändige Arbeit überhaupt zu machen, zudem gerne zu machen. Das ist bekanntlich – nicht nur bei der CVP – immer ein grosses Problem, wenn ein Präsidium neu zu besetzen ist .

Nur ein einzelner Delegierter – Silvio Bonzanigo aus Luzern – hat die Vorbehalte gegenüber Christian Ineichen ausgesprochen. Er wurde ausgepfiffen und ausgebuht, weshalb er die Versammlung verliess und bei der Wahl auch nicht mehr mit Nein stimmte. Diese Wahl ist somit ohne Gegenstimmen erfolgt, was aber die wirkliche Stimmung gegenüber Christian Ineichen nicht abbildet.

Wenn es wirklich gewichtige  Vorbehalte gegen Christian Ineichen gegeben hätte, wären diese mit Sicherheit benannt worden und dann hätte sich, falls sie davon Kenntnis gehabt hätte, die Findungskommission nicht für diese Nomination entschieden.

Dass es Vorbehalte gegen eine Kandidatur für das Präsidium gibt, ist übrigens keineswegs neu: 2007 gab es ebenfalls sehr kritische Stimmen gegen Martin Schwegler, allerdings weil er «zu links» sei; wie jetzt Ineichen manchen Stimmen «zu rechts» ist. Niemand behauptet heute, Martin Schwegler sei während seiner sieben Jahre kein guter Präsident gewesen. 

Was die Pfiffe und Buhrufe betrifft: das ist mitnichten der Stil, der in unserer Partei gilt, das war unschön und absolut untypisch! Aber der Votant hat wohl einfach den Bogen etwas überspannt, in dem er Ineichen persönliche Vorwürfe gemacht hat, auch das ist nicht «CVP-like»!

Nun hat aber diese Positionierung des neuen Luzerner CVP-Kantonalpräsidenten Ineichen insofern eine besondere Brisanz, als bereits der Präsident der CVP Schweiz, der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister, ein rechtskonservatives Etikett trägt – und überdies geradezu zelebriert. Anderseits gibt es explizit christlichsozial argumentierende Köpfe in der CVP kaum mehr. Wo scheint denn das C noch konkret auf in der Politik der CVP im Kanton Luzern?

Unsere Politik des C misst sich stets am Wohl der Schwächsten in der Gesellschaft, aber auch Subsidiarität und Solidarität sind Kernthemen einer nach christlichen Grundsätzen geprägten Politik. Die politischen Fronten haben sich in den letzten Jahren nun aber deutlich verschoben. Die Grenzen verschwimmen zunehmend, wenn wir uns die Frage stellen, was denn heute genau «rechts» und was genau «links» heisst? 

Diese Entwicklung hat auch in unserer Partei Spuren hinterlassen. Ich denke aber, dass dem sozialen Aspekt in unserer Partei nach wie vor eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Wir sind eine bürgerliche Partei mit sozialem Gewissen. Und ich denke auch, dass im heute gut ausgebauten Sozialstaat es nicht primär darum gehen kann, neue Leistungen zu erfinden oder Leistungen auszubauen. Vielmehr muss es darum gehen zu schauen, dass die bestehenden Leistungen ihre Zielsetzungen erreichen und nötigenfalls korrigiert werden. Wir müssen auch aufpassen, dass die sozialen Versprechungen der öffentlichen Hand realistisch bleiben und uns finanziell nicht davongaloppieren, auch das gehört zu einer CVP-Politik.

Können sie konkrete Beispiele nennen?

Bei verschiedenen Steuergesetzrevisionen setzten wir uns unter anderem für die Entlastung von Familien und Personen mit tiefen Einkommen ein. Im Rahmen der Sparbemühungen der letzten Jahre erreichten wir, dass diese Sparbemühungen bei den Sozialen Institutionen etwas weniger gross ausfielen. Ebenfalls im Rahmen der Sparbemühungen erreichten wir, dass – gerade in der Bildung – die Familien nicht mit höheren Gebühren belastet wurden (Schulgeld, Musikschule, Mensa, etcetera). Bei der individuellen Prämienverbilligungen (IPV) unterstützten wir die Bemühungen, dass es eine obere Einkommensgrenze gibt und dass am Schluss weniger mehr erhalten.

Die CVP macht oft mit der FDP gemeinsame Sache, mehr jedenfalls als mit allen anderen Parteien. Und zwar so oft und so eng, dass mitunter der Eindruck entsteht, es seien kaum mehr Unterschiede zu erkennen; und das ausgerechnet zwischen diesen beiden historischen Todfeinden. Erstaunlich ist diese enge Liaison auch deshalb, weil die FDP im Kanton Luzern in bestimmten Fragen mit der SVP geradezu synchron agiert, während die CVP ihrerseits kaum je Allianzen mit den Linken schmiedet. Logischerweise müsste es aber in gewissen Sachfragen auch Allianzen mit der SP und den Grünen geben. Von aussen gesehen sieht es mitunter so aus, dass die CVP diesbezüglich oft etwas gar zurückhaltend sei, weil es in ihren Reihen starke Kräfte gebe, die deswegen Kritik aus dem übrigen bürgerlichen Lager befürchten. Etwa im Sinn von «die CVP macht mit den Linken schon wieder gemeinsame Sache.»

Ich verstehe, dass dieser Eindruck entstehen kann. Allerdings ist er falsch. Wir schmieden als grösste Fraktion dort Allianzen, wo Gemeinsamkeiten vorhanden sind.

Ich erinnere, dass die CVP mit der SP einen Sparstopp bei den Ausgaben für Bildung, Kultur und den Institutionen für Behinderte zustandegebracht hat, dem sich die FDP erst nach langem Zögern angeschlossen hat. Dies war eine ganz entscheidende Voraussetzung, dass die Steuererhöhung, über die wir am 21. Mai abstimmen werden, im Kantonsrat mehrheitsfähig geworden ist. 

Aber es stimmt: In vielen Sachfragen sind wir mit der FDP einig und sie mit uns. Das ist aber nicht neu, denn schon vor Jahren paktierte die CVP mit der FDP in der Frage der Steuerpolitik, des Tiefbahnhofes und der Universität. Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir mit den historischen Hinterlassenschaften des Kulturkampfes langsam aber sicher aufräumen. Ich erinnere zudem daran, dass die Luzerner Gemeinden wohl zu zirka 80 Prozent aus CVP- und FDP-Politikern zusammengesetzt sind. Selbstverständlich unterscheiden wir uns ideologisch. Wenn es um grundsätzliche weltanschauliche Fragen geht, und das ist auch richtig so. 

Kann ich dafür Beispiele haben?

Ich kann hier auf die vorher genannten Beispiele der Sozialpolitik verweisen, wo die FDP eine etwas andere Staatsphilosophie verfolgt, eben eine «freiheitlich-liberale».

Aktuell kann ich auch auf die Beispiele in der Bundespolitik verweisen (Energiestrategie und AHV-Revision). Im Kanton scheiden sich die Geister nun auch an der Mehrwertabgabe in der Raumplanung, wo wir eine Abgabe auch bei Um- und Aufzonung befürworten, die FDP hingegen sich aber schwertut damit. ,

Am Dienstag (16. Mai) wird von Finanzdirektor Marcel Schwerzmann das Finanzleitbild vorgestellt, das Ihre Fraktion verlangt hat. Wann sind Sie zufrieden, wann nicht?

Wir sind dann zufrieden, wenn im FLB erstens eine ehrliche und transparente Analyse der bisherigen Steuerstrategie erfolgt und zweitens, wenn daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. Das heisst: wenn eine realistische Finanz- und Steuerpolitik vorgeschlagen wird. Im Hinblick auf die  Problematik des NFA (Finanzausgleich) und der Firmensteuern waren wir wohl etwas zu blauäugig.  

Sie sind Jurist, waren Kantonalsekretär, sind Fraktionschef im Kantonsrat, Geschäftsführer des wichtigen Verbandes der Luzerner Gemeinden (VLG): Welches ist ihr nächster Karriereschritt?

Wer Politik als Aneinanderreihung einzelner Karriereschritte versteht, ist in diesem Metier falsch am Platz. In der Politik kann man Ämter nicht planen, dafür ist der Betrieb zu chaotisch und unberechenbar.

Ich bin einer, der zufrieden und glücklich ist. Fraktionschef der grössten Fraktion im Kantonsparlament sein zu dürfen ist eine Ehre und ungeheuer spannend und abwechslungsreich. Ich kann mir im Anschluss an mein Kantonsratsmandat und das Fraktionspräsidium allerdings sowohl «ein Leben mit», aber auch «ein Leben ohne Politik» vorstellen.. 

Interview: Herbert Fischer 


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Über Ludwig Peyer:

Ludwig Peyer ist CVP-Kantonsrat und lebt in Willisau. Er ist Rechtsanwalt, Geschäftsführer der Graf und Partner AG (Luzern) und des Verbandes der Luzerner Gemeinden (VLG).