das gesamte meinungsspektrum lu-wahlen.ch - Die Internet-Plattform für Wahlen und Abstimmungen im Kanton Luzern

Spenden für Verein lu-wahlen.ch

Diese Website gefällt mir! Um weitere Beiträge darauf zu ermöglichen, unterstütze ich lu-wahlen.ch gerne mit einem Betrag ab CHF 10.-

 

 

Kolumne von Beat Murer

12.01.2016

Dieses Tunnelprojekt stellt Fragen über Fragen

Braucht es überhaupt eine fünfte Verkehrsröhre durch den Gotthard und soll auch dieses Mal wieder die «Betonlobby», wie seinerzeit beim Bau des jetzigen Strassentunnels, obsiegen? Dies sind nur zwei von mehreren Fragen, die dieses Projekt aufwirft.


Diesem Projekt zeigt selbst Wilhelm Tell den Vogel - jedenfalls auf den «Schoggi-Fünflibern», welche die Gegner in ihrer Kampagne verteilen.

Bild: Herbert Fischer

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes vom 26. September 2014 über den Strassentransitverkehr im Alpengebiet (Sanierung Gotthard-Strassentunnel) gilt es, vorab einen Blick in die Vorgeschichte (auszugsweise) des jetzigen Strassentunnels zu werfen:

  • 1947 wurde durch den Basler Ingenieur Eduard Gruner die Realisierung eines «Europa-Afrika-Express» mit einer Fahrzeit Basel-Chiasso von 2 Stunden als Personen-Flachbahn angeregt.
  • Rund zwei Jahrzehnte später wollte die Bundesverwaltung unter Führung von Bundesrat Willy Spühler ein Eisenbahnbasistunnel-Projekt vorantreiben, welches unter anderem bereits auch den Verlad von Autos in geschlossenen Bahnwagen vorsah (ähnlich dem heutigen Eurotunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Calais und Folkstone). Im September 1971 fordert der Schlussbericht einen unverzüglichen Baubeginn am Gotthard, weil der internationale Transitverkehr rapid zugenommen habe.

Bremsend für die beiden Projekte wirkten unter anderem auch grundsätzliche Bedenken bezüglich der Machbarkeit von Basistunneln wegen der Temperaturfrage. Derweil hat man bereits 1970 mit dem Bau des 17 Kilometer langen Gotthardstrassentunnels begonnen, welcher am 5. September 1980 feierlich durch Bundesrat Hürlimann eröffnet wurde und zwar mit den Worten: «Dieser Tunnel ist für den Personenverkehr». Waren es anfänglich noch wenige Lastwagen pro Tag, so steigerte sich die Zahl inzwischen auf 823 697 LkW im Jahre 2013! 

Eine Anmerkung zu den Unfallzahlen im Gotthard-Strassentunnel. Diese sind seit 2002 erheblich zurückgegangen. Laut dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) ereigneten sich seit der Sanierung nach der Brandkatastrophe im Herbst 2001 (Zusammenstoss zweier Lastwagen) nur noch zwischen 7 und 14 Unfällen pro Jahr. Vor dieser Katastrophe waren es noch zwischen 44 und 68 Unfällen jährlich gewesen (Zeitraum 1995 bis 2001). 

Selbstverständlich ist jeder Unfall einer zu viel. Es gilt aber, die Unfallursachen anzugehen. Im übrigen wird der grösste Teil des Schweizer Strassennetzes im Gegenverkehr befahren.

Nun wurden inzwischen auch die neuen Gotthardtunnels der Neuen Eisenbahn Alpentransversale (NEAT) gebaut und kommen in Betrieb. Nach Fertigstellung des Ceneri-Basistunnels als letztem Teil der NEAT im Jahre 2019 und der Anpassung der Tunnelprofile auf den NEAT-Zufahrtsstrecken wird eine grosse Verlagerung des Strassen-Güterverkehrs auf die Schiene möglich sein.

Dass nun mit der Ende Februar zur Abstimmung kommenden Vorlage betreffend die Sanierung des Gotthard Strassentunnels (gemäss Art. 3a, Ziff. 1: Am Gotthard-Strassentunnel kann eine zweite Tunnelröhre gebaut werden) eine schleichende Kapazitätserweiterung ermöglicht wird, ist verkehrs- und umweltpolitisch höchst fragwürdig. Dies widerspricht auch der Verlagerungspolitik. Auch wenn im gleichen Artikel stipuliert wird, dass die Kapazität des Tunnels nicht erweitert werden darf und das Dosiersystem für den Schwerverkehr gesetzlich verankert wird, stellen sich folgende Fragen:

  • Kann ein Dosiersystem für den Schwerverkehr aufrechterhalten werden, wenn dereinst zwei separate Strassenröhren mit je einem Fahr- und Pannenstreifen in Betrieb sind?
  • Wird die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h auf 100 km/h (wie im Seelisbergtunnel) erhöht?
  • Mit wieviel Mehrverkehr, insbesondere auch Schwerverkehr ist auf der A2 zwischen Basel und Chiasso mit den entsprechenden Auswirkungen auf die daran liegenden Ballungsräume zu rechnen?
  • Kann der einspurige Betrieb bei zwei Spuren je Röhre aufrecht erhalten bleiben?
  • Ist es sinnvoll, die Kapazitäten einer Gebirgsautobahn wie am und durch den Gotthard mit den beidseitig steilen Rampen auszubauen angesichts der Anfälligkeit für Naturgefahren (Steinschlag, Lawinen)? 

Beat Murer, Luzern 


Teilen & empfehlen:
Share    
Kommentare:

Keine Einträge

Kommentar verfassen:

Ins Gästebuch eintragen
CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz  

Über Beat Murer:

Beat Murer (*1949) ist in Luzern aufgewachsen, wo er nach dem Besuch der Zentralschweizerischen Verkehrsschule 23 Jahre bei den SBB diverse Funktionen - vom Betriebsdisponenten bis zum Liegenschaftsverwalter - ausübte. Als Weiterbildungen besuchte er den Verwaltungskurs für Luzernische Verwaltungsbeamte und den SVIT-Fachkurs für Immobilientreuhänder.

Bis zu seiner Pensionierung im Frühjahr 2011 leitete er 17 Jahre das Ressort  Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern. Dies beinhaltete unter anderem die Organisation und Durchführung sämtlicher eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Wahlen sowie diejenigen der katholischen und reformierten Kirchgemeinden. Zudem war er dort bis 2010 für die Prüfung von Initiativen/Referenden/Volksmotionen zuständig. 1990 bis 1992 vertrat er die SP im Grossen Stadtrat und von 1998-2006 war Beat Murer Mitglied des Grossen Kirchenrates der Katholischen Kirche Stadt Luzern.

Beat Murer kandidierte für die glp 2012 als Grossstadtrat.

Sein Motiv, bei lu-wahlen.ch als Kolumnist mitzuwirken: «Ich will so mithelfen, dass verantwortungsbewusste politische Diskurse möglich werden.»