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Kolumne von Pascal Merz

11.04.2011

Die Mitte bleibt stark - aber sie muss sich zusammenraufen!

Er kennt die grosse, starke Volkspartei des Kantons Luzern wie nicht viele sonst: Der Publizist und frühere CVP-Politiker Alois Hartmann zum gestrigen Aderlass und dessen Folgen für seine Partei, die politische Mitte und die Zukunft des Kantons überhaupt.


Abgehoben, entrückt, kaum mehr mit dem Freisinn kontrastierend: So scheinen immer mehr treue WählerInnen ihre CVP zu sehen.<br><br>Bild: Herbert Fischer

Abgehoben, entrückt, kaum mehr mit dem Freisinn kontrastierend: So scheinen immer mehr treue WählerInnen ihre CVP zu sehen.

Bild: Herbert Fischer

Ironie der Politik: Noch am 22. Februar dieses Jahres beauftragte der Luzerner Kantonsrat den Regierungsrat, Massnahmen zu prüfen, die geeignet sein könnten, die Wahlbeteiligung zu heben. Dass das Anliegen aktuell ist, beweisen die Wahlen vom Sonntag. Mit 43,5 Prozent beim Kantonsrat ist die Beteiligung auf den tiefsten je erreichten Stand gefallen. Das ist aus Sicht unseres Demokratieverständnisses vielleicht das bedeutendste Ergebnis dieses Sonntags. Und das betrüblichste dazu!

Betrüblich, dass sich so viele Wahlberechtigte keinen Deut um ihr Wahlrecht kümmern, und dass es der Mehrheit egal ist, wer in Zukunft die Geschicke im Kanton bestimmt. Natürlich gibt es da die Verärgerten, die sich aus Frust wegen irgendeines behördlichen Entscheids oder aus irgendwelchen persönlichen Gründen abwenden, doch erklärt ihre Zahl in keiner Weise die grosse Abstinenz. Es ist vielmehr Sattheit, die zu solchem Desinteresse führt.

Ich bezweifle, dass Massnahmen des Staates in der Lage sein könnten, eine Änderung herbeizuführen. Denn Möglichkeiten, sich zu informieren, und Gelegenheiten, Kandidatinnen und Kandidaten kennenzulernen, gibt es genug. Da helfen Aufrufe und noch mehr Papier nicht weiter. 

Was fehlt, ist der Wille, sich darum zu kümmern. Und was fehlt, ist das (politische) Gespräch in Familie und Freundeskreis. In Klammern sei bemerkt, dass es auf Bundesebene schon Ende der achtziger Jahre Bemühungen gab, Massnahmen zu prüfen. Man lese! 

Ein anderes Kapitel, das es zu bedenken gilt: die Umfragen der Luzerner Monopolzeitung. Wie bei den Wahlen acht Tage zuvor im Kanton Zürich, hat die sogenannte Meinungsforschung auch in Luzern versagt. Noch am 20. März sah sie Marcel Schwerzmann an erster Stelle, gefolgt von Yvonne Schärli. Erst an dritter Stelle und mit grossem Abstand folgte Guido Graf. Nun ist das Resultat genau umgekehrt, und zwar massiv!

Wie wenn Werbemassnahmen innerhalb von drei Wochen in der Lage gewesen wären, das Bild zu kehren, was in diesem Fall, da nichts Besonderes geschah, sicher nicht der Fall war.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Befragung versagt hat, und dass es wohl überhaupt nicht möglich ist, eine seriöse Umfrage durchzuführen, weil viele ihre wahren Absichten nicht kundtun und weil nicht bekannt ist, wie viele Wahlberechtigte überhaupt zur Urne gehen. 

Auch in diesem Punkt lag die Umfrage weit daneben. Die Prognose lautete auf 35 Prozent. Jetzt sind es (bei den Kantonsratswahlen) über acht Prozente mehr. Was daraus zu lernen wäre: Solche Spielzeuge in der Mottenkiste zu versorgen und das Geld für gute Recherchen einzusetzen!

Die Wahlen dieses Jahres erfolgten in einer besonderen Situation, geprägt von weltpolitischen Ereignissen und fernen Katastrophen. Doch wäre es zu einfach, die Umschichtung in der Luzerner Politik allzu sehr dieser Entwicklung zuzuschreiben. Denn angebahnt hat sie sich schon vor Jahren. Ihre Wurzeln liegen in der rasanten und durchgehenden Veränderung unseres gesellschaftlichen Lebens. Klammern, die einst vieles zusammenhielten, gibt es nicht mehr. Am stärksten spüren dies die früher mehr oder weniger souverän führenden Parteien. Für die CVP beispielsweise hat das «C» die einstmals hohe Bedeutung massiv verloren. Der Zürcher CVP-Kantonalpräsident Markus Arnold stellte vor wenigen Tagen in einem NZZ-Gespräch fest, christliches Gedankengut lasse sich in Zürich nur in die Politik tragen, wenn man es nicht als solches bezeichne. Was in Zürich gilt, gilt weitgehend auch für uns in Luzern. Ob wir das gerne sehen oder nicht: Es ist Fakt! Das belegen Wahlunterlagen und Äusserungen von Kandidatinnen und Kandidaten. Das Christentum selber ist vielen fremd geworden. 

Die These einer grundlegenden Veränderung wird durch die niedrige Wahlbeteiligung noch erhärtet. Denn wir dürfen davon ausgehen, dass die grosse Mehrheit der 43,5 Prozent regelmässig oder gar immer von ihrem Wahl- und Stimmrecht Gebrauch macht. Es handelt sich gleichsam um einen fest gefügten Wählerblock. Das bedeutet, dass sich innerhalb der Stammwählerschaft Wesentliches verändert hat, und dass die SVP auf einen gesicherten Wählerstamm setzen kann, den sie bei Gelegenheit noch auszuweiten imstande sein dürfte, wenn sie mit emotionalen Schlagworten zusätzliche Wählersegmente anzusprechen vermag.

So werden CVP und FDP nicht darum herumkommen, ihre Position grundlegend neu zu überdenken und sich mit den Grünliberalen zusammenzuraufen, um eine tragfähige Politik der Mitte zu gestalten.

 

[1] Massnahmen zur Erhöhung der Stimm- und Wahlbeteiligung in der Schweiz. Schlussbericht der Arbeitsgruppe Stimm- und Wahlabstinenz vom 18.12.78. Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, Bern, 1979.

Korrektur: Der erste Abschnitt dieses Beitrages («Ironie...») ist soeben ersetzt worden; es handelt sich um die tiefste und nicht um die zweittiefste Wahlbeteiligung. (Dienstag, 12. April 2011: 11:20h)

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Die ganze Übersicht zu allen lu-wahlen.ch-Beiträgen zum Wahlausgang sowie den Hinweisen, Dateien und Links finden sich im Gastbeitrag von Hanns Fuchs:

http://www.lu-wahlen.ch/gastbeitraege/hanns-fuchs/news/2011/04/10/419-erdrutsch-mit-ueberschaubarem-flurschaden/


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Über Pascal Merz:

Pascal Merz (SP/Sursee) kandidierte am 10. April 2011 für den Kantonsrat, ist aber nicht gewählt worden.