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Kolumne von Pirmin Meier

02.11.2020

Wie unglücklich CVP-Politiker in Sachen KOVI agieren und sich durch «Corona» die wichtige «C-Debatte» nehmen lassen

«Corona» überlagert die «C-Debatte», die in der CVP so wichtig wäre. Und mit ihrem Kampf gegen die KOVI versuchen CVP-Politiker offensichtlich, ihre «Bürgerlichkeit» unter Beweis zu stellen.


Aus meiner Sicht gehört www.lu-wahlen.ch zu den Portalen der Meinungsbildung in einem überschaubaren Raum. Es sollen echte, nicht nur alibimässige Meinungsverschiedenheiten ausgetragen werden.

So wurde – und wird – hier zum Beispiel auf durchaus unkonventionelle, sicher nicht «fundamentalistische» Art über das «C» der CVP diskutiert; so, wie andererseits die liberale Parteigeschichte für mich seinerzeit ein Einstieg war als Kolumnist dieser Seite im Jahr 2012 (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»).

Dabei ging es mir und anderen nie um feindbildmässige Abgrenzung gegen Personen, weder parteiintern noch darüber hinaus. Als Historiker sah ich mich durchaus in der Lage, auch einem so umstrittenen Politiker wie Christoph Blocher Verdienste zuzuschreiben; weil es nun mal – etwa im Verhältnis der Schweiz zum «Demokratisierungsgrad» der Europäischen Union – Fragen um die Freiheit und Unabhängigkeit der Schweiz gibt, die ausdiskutiert werden müssen. Deutlicher als bei der SVP müsste jedoch gesagt werden, dass es keine Freiheit gibt ohne Mass und ohne auch die Bereitschaft, Opfer zu bringen.  

Wer indes «Mitte» mit Denkfaulheit verwechselt, hat wohl die christliche Soziallehre nicht wirklich verstanden. Bei der CVP des Kantons Luzern engagierte ich mich noch in den 80-er-Jahren und später mit meinem verstorbenen Gesinnungsfreund, dem begeisterungsfähigen Damenwäsche-Unternehmer Victor Kuhn aus Eich sowie dem christlichsozialen Polit-Vordenker Marcel Sonderegger gegen den damals absehbaren, aber verleugneten Niedergang der Partei.

Es ging gar nicht um links gegen rechts. Angestrebt wurde von uns ein sowohl konservatives als auch christlichsoziales Profil. Dabei fand ich das Engagement von Marcel Sonderegger zum Thema «Wieder mehr Sonntag» – unterstrichen mit Bettagswanderungen und «Eselspreis» – eine Pionierleistung in der Verbindung von Politik, Kultur und heimatlicher «Mentalität».  

Es kommt bei einer Volkspartei meines Erachtens weniger auf möglichst eingemittete Abstimmungsparolen an als vielmehr auf die Fähigkeit, politische Heimat zu bieten. Dazu gehören sowohl reflektierte Grundsätze einerseits wie auch die Pflege politischer Kultur andererseits. Darauf beruhte meine Gesinnungsfreundschaft mit dem fortschrittlichen Bildungspolitiker und Altregierungsrat Walter Gut (1927 bis 2012). In diesem Sinn und Geist habe ich auch meine Porträts der Bundesräte Kurt Furgler und Hans Hürlimann verfasst (in der Jubiläumsschrift «100 Jahre CVP»). Wiewohl als Delegierter nicht ungern anderer Meinung als der grosse Staatsmann Furgler, bleibt derselbe für mich ein lehrbuchmässiges Vorbild für das politische Thema «Gewissen«. Es muss für einen Bundesrat möglich sein, aus Gründen der Glaubens- und Gewissensfreiheit mal eine Vorlage nicht zu vertreten; mit politischer Rechthaberei ist dies nicht zu verwechseln. Fürgler tat genau dies in den Siebziger Jahren, als es um die «Fristenlösung» und somit um den Schwangerschaftsabbruch ging.

Von solch massstäblicher Haltung  scheinen mir traditionelle Interessenvertreter der Partei heute weit entfernt zu sein. In der Westschweiz sowie in meinem Heimatkanton Aargau gehört derzeit der Kampf gegen die «Konzernverantwortungs-Initiative» (KOVI) zurzeit offenbar zu den Primäranliegen, womit CVP-Politiker ihre «Bürgerlichkeit» zu beweisen versuchen. Es würde mich nicht gross stören, wenn nicht, wie im Kanton Freiburg, ausgerechnet der 2019 abgewählte CVP-Ständerat Beat Vonlanthen – ehemaliger Volkswirtschaftsdirektor und Präsident Chocosuisse/Biscosuisse – jetzt an der Spitze einer Nein-Kampagne stehen würde, welche aus meiner durchaus kritischen Sicht dieser Initiative nicht die erste Priorität eines CVP-Politikers sein müsste.

Damit sind wir bei der Debatte um das «C» angelangt. Ein krasses Beispiel für den drohenden kulturpolitischen Bankrott der Partei stellt meines Erachtens die Desorientierung dieses reinen Interessenpolitikers dar. Er wurde im Jahr 2019 aus Anlass der schlimmsten Niederlage seiner Partei (seit 1851!) aus dem Ständerat abgewählt; unter anderem, weil die christliche Kultur in seinem eigenen Kanton bei ihm nachweisbar hinterste Priorität darstellte. Was nämlich Bruder Klaus für die Zentralschweiz, wenngleich mit weniger religiöser Propaganda als der oft missbrauchte Eremit, ist die 2019 heiliggesprochene Marguerite Bays aus Siviriez bei Romont in Freiburg geworden; als nämlich zur Zeit des Kulturkampfes der dortige Bischof zuerst ins Gefängnis und dann nach Savoyen ins Exil musste. Damals wurde die Schneiderin, Mystikerin und Kinderkatechetin Marguerite Bays zur Symbolfigur eines christlich motivierten Widerstandes, sogar zur «Gründungsheiligen» der heute noch existierenden Zeitung «La Liberté». Ihre Arbeitsstätte und die Grabkirche bei Romont sind noch heute der bedeutendste heilige Ort im Kanton Freiburg.

Darauf erlaubte ich mir auch aus Anlass von «600 Jahre Bruder Klaus» hinzuweisen, bei welcher Gelegenheit Dominique de Buman im Freiburger Grossratssaal eine gute Ansprache hielt; ausser, dass auch er die eigene Kantonsheilige der Erwähnung nicht würdig befand. Auf meine Frage an Ständerat Vonlanthen, ob er schon mal an den monatlichen Gottesdiensten mit Fürbitten und Segen der Heiligen in Siviriez teilgenommen und deren Arbeits- und Sterbezimmer in einem eindrücklichen Greyerzer Bauernhaus aufgesucht habe, antwortete der mit Verwaltungsratsmandaten eingedeckte Politiker mit Nein; er sei halt ein «Seisler». Dies kam dann bei seiner Abwahl durch eine junge Welschfreiburgerin ohne namhafte politische Erfahrung zum Ausdruck; zugleich war es das schlechteste Wahlresultat der CVP Freiburg aller Zeiten.

Glücklicherweise scheint nun aber die grundsätzliche Diskussion über das «C» im Namen der CVP im Kanton Luzern noch nicht geschlossen zu sein. Abgesehen davon, dass die parteiinterne Befragung unbedingt kantonal hätte durchgeführt werden müssen (die Stimmzettel mussten nach Thun geschickt werden!), bleibt es der Luzerner Traditionspartei dringend empfohlen, auf ihre Eigenständigkeit zu pochen.
Dies kann sich, in Verbindung zum Beispiel mit dem Adjektiv «christlichsozial» (sogar in Bayern immer noch gut genug!) in der Beibehaltung des Namens CVP für die Kantonalpartei manifestieren. Zu ihren besten Zeiten nannten sich auch die Luzerner Freisinnigen bekanntlich «LPL», was für Liberale Partei Luzern stand. Dies war eine durchaus politische Abgrenzung gegenüber dem Zürcher Freisinn.  

Zu bedauern bleibt, wie «Covid-19» offene und auch heftige Diskussionen, auch noch viele andere Fragen betreffend, heute nahezu abwürgt. Auch eine grössere und differenzierte Debatte über die KOVI (eben: die «Konzernverantwortungs-Initiative»), im Zusammenhang etwa mit dem einst «besten Luzerner Steuerzahler» Marcel Reich, bekannter unter dem Namen Marc Rich (Meggen). Interessant ist auch, dass sich zwar die Evangelische und die Katholische Kirche, nicht aber die Israeliten in dieser Sache engagieren. Selber halte ich den Agitator und Polemiker Milo Rau keineswegs für einen der besten Afrikakenner, wie es zum Beispiel mein Weggefährte Al Imfeld noch war. Was die CVP-Aussenpolitik betrifft, so hätte ich es vorgezogen, statt gegen die KOVI ins Feld zu ziehen, sich aus Gründen einer alternativen Neutralitätspolitik für Gute Dienste gegen den Einsitz der Schweiz in den UN-Sicherheitsrat zu verwenden. Diese ablehnende Meinung vertraten noch vor 30 Jahren Geistesgrössen wie Friedrich Dürrenmatt und der Luzerner Theologe und Teufels-Kritiker Herbert Haag, seinerzeit deswegen Mitglied des Luzerner Komitees gegen den Uno-Beitritt der Schweiz. Politischer Diskurs bleibt auch heute, zumal in «Corona-Zeiten», auf Andersdenkende bis hin zu Querdenkern angewiesen.

Pirmin Meier, Historiker und Autor, Aesch


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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf