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Kolumne von Pirmin Meier

11.01.2020

Was hat das Jesuskind von Sarnen mit dem Mystiker Meister Eckhart zu tun?

Auch 2020 ist Pirmin Meier wieder als gefragter Referent unterwegs. Zum Beispiel tritt er am Dienstagabend (14. Januar) an der Seniorenuniversität Luzern auf.


Pirmin Meier (*1947 / wohnhaft in Aesch LU) geht auch dieses Jahr die Arbeit als Historiker und Erwachsenenbildner nicht aus. Nebst Engagements in Deutschland (Messkirch, Karlsruhe) spricht er nächste Woche in der Volkshochschule Wynental in Reinach (Montag) und an der Seniorenuniversität Luzern (Dienstag). Am 16. Mai wird er in Aarau (ebenfalls Volkshochschule) die Première einer Komposition des italienischen Komponisten Ghislieri zur «Schönheit des Universums nach Johannes Kepler» mit einem Vortrag einführen. Und am 26. Juni in der Kantonsbibliothek Frauenfeld «Über Wetterweisheit und Bauernregeln bei Jeremias Gotthelf und Alfred Huggenberger» sprechen.

Mystisches aus dem Engelbergertal

Der Nidwaldner Kalender «Brattig 2020» veröffentlichte als ein Juwel der diesjährigen Ausgabe den Text von Pirmin Meiers Vortrag vom Herbst 2019: «Mystisches Engelbergertal – Von Heiligen und wie Gott zu ihnen sprach». Die spannende Ergänzung «Meister Eckhart und das Jesus-Kind von Sarnen» erfolgt nächsten Dienstag,  14. Januar 18.30 Uhr, im grossen Saal der Universität Luzern (Frohburgstrasse 3, beim Bahnhof) mit der Senioren-Universität Luzern als Veranstalter.

Gemäss dem Engelberger Archivar Mike Bacher hat der Referent schon voriges Jahr neue Erkenntnisse zur Mystik in Engelberg vorgetragen. Am 14. Januar soll auf Hintergründe des gestickten Prachtsgewandes des Sarner Jesuskindes hingewiesen werden. Dieses wurde von Königin Agnes von Ungarn (gestorben 1366 in Königsfelden bei Brugg) den Nonnen von Engelberg übermacht. Mit dem Umzug derselben nach Sarnen ist es zur Ausstattung des «Sarner Jesuskindes» geworden. Ein Hintergrund der Verehrung ist das «Buch der göttlichen Tröstung» von Meister Eckhart, dem berühmtesten Mystiker des Abendlandes. Dieses Buch wurde um 1318 der Königin von Ungarn nach Königsfelden gewidmet. Berichtet wird von «Trost» und «Untrost» bei den alpinen Gottesfreunden, zu denen auch der Pfarrer von Stans zur Zeit von Winkelried (1386) gehörte.

Von Kiltgängern, Kupplern und prozessierenden Bräuten

Schon am Montag (13. Januar, 19:30 bis 21h) wiederholt und ergänzt Pirmin Meier einen vor Jahresfrist in Luzern bereits gehaltenen Vortrag zum Thema «Die Sexualität unserer Vorfahren», und zwar mit der Volkshochschule Wynental als Veranstalterin im Schulhaus Breite in Reinach.

Die Praxis der Sexualität war in der katholischen Zentralschweiz weit weniger verklemmt, als die etwas prüde Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil den Eindruck machte. Homosexualität war zum Beispiel im Kanton Nidwalden nicht strafbar, obwohl es Anzeigen und Prozesse gegen den Kunstmaler Melchior Paul Deschwanden und den Schriftsteller Heinrich Federer gab. Der Historiker erforschte die Brautwerbung mit der manchmal blutigen Praxis des Kilterns, die eheliche und aussereheliche Sexualität, die Prostitution von «Dorfhuren», und Zölibatsgeschichten. Pirmin Meier, der für erzählfreudige Darstellung von Kulturgeschichte bekannt ist, wird nebst anderem einen «Kilterstock», das heisst, einen als Spazierstock getarnten Degen aus einem Luzerner Dorfmuseum präsentieren.

In Pirmin Meiers reger Forscher- und Referententätigkeit kommt die regionale Kulturgeschichte um Reinach/Burg kommt nicht zu kurz. Nicht immer war das Heiraten mit romantischen Liebesgeschichten verbunden. So wird eine vom Altmeister der Lokalgeschichte, Dr. Peter Steiner («Dökti»), vor Jahren schon aufgearbeitete Geschichte einer Braut präsentiert, die ihren Schwängerer gerichtlich zur Heirat verhalten musste. Auch von der um 1663 noch «Sodomiterei» genannten Homosexualität wird die Rede sein. Hier ist Pirmin Meier ein Fall aus Beromünster bekannt.

Zu diesem Thema hat er mehrere Bücher und Aufsätze geschrieben. In der Erwachsenenbildung wird der jahrzehntelange Bezirkslehrer (im Aargau) und Kantonsschullehrer (in Beromünster) vor allem als kurzweiliger und mit überraschenden Erkenntnissen aufwartender Erzähler geschätzt. An der Volkshochschule Wynental ist er seit drei Jahrzehnten aktiv. Zu seinen Weggefährten zählten und zählen unter anderem der verstorbene Volkshochschulaktivist Heiner Dallavecchia und sein langjähriger Kollege im aargauischen Verfassungsrat, Bezirkslehrer und Autor Dr. Karl Gautschi.

Im Nidwaldner Kalender wird Ihr reich illustrierter Beitrag zur «Mystik im Engelbergertal» angekündigt mit der Vorstellung «Pirmin Meier, Professor für alles» (Christian Hug). Kann man heute als Historiker wirklich noch «Professor für alles» sein?

Pirmin Meier: Selbstverständlich ist das nicht möglich. Christian Hug, der mich schon vor Jahrzehnten mal in der «Schweizer Illustrierten» vorgestellt hat, meinte dies mehr zum Spass mit einem Augenzwinkern. Aber auf einen Punkt muss ich schon hinweisen: Es ist nicht möglich, zum Beispiel über Mystik, über Bruder Klaus, aber auch nur schon über die tausendjährige Geschichte der Stifts- und Kantonsschule Beromünster zu schreiben ohne vernetzende Hintergründe.

Was sind denn solche «vernetzenden Hintergründe»?

Pirmin Meier: Gerade auch die Mystik, das Leben mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Menschen, ist nicht zu verstehen ohne zum Beispiel Hintergründe aus der Wirtschaftsgeschichte, Meteorologie (zum Beispiel mittelalterliche Klimaerwärmung als Bedingung der Alpwirtschaft und eines neuen Wohlstandes) und natürlich nicht ohne die Geschichte der Spiritualität und Volksfrömmigkeit. Unterschwellig hatte die Mystik aber immer auch viel mit Erotik zu tun, bis hin zu Scheinschwangerschaften und Milchabsonderung bei Nonnen oder homoerotischen Phantasien bei Bruder Klaus.

Das tönt aus heutiger Sicht unglaublich.

Pirmin Meier: Es ist auch keine Kleinigkeit zu wissen, dass das Heiratsalter für Mädchen damals 12 Jahre betrug, also das, was beispielsweise Erdogan in der Türkei wieder einführen will. Und die Käseproduktion im Alpenraum führte so weit, dass der Kernser Pfarrer Ignaz von Ah vor 140 Jahren eine berühmte «Käspredigt» hielt, also eine Predigt über «Mystik und Käse», weil das Gepresstwerden, das Reifen, und der «vollkommene Zustand der Rundheit» nicht nur zum Käse gehören, sondern auch zum Weg des Mystikers und der Mystikerin von der Askese über die Meditation bis zur Union.

Welchen Bezug hat denn das Jesuskind von Sarnen mit ihrer Region?

Pirmin Meier: Im Zusammenhang mit dem Jesuskind von Sarnen ist wichtig, dass dessen Kleid in die Geschichte der Textilkunst gehört. Zu diesem Thema war der «Moischterer» Altkustos Robert Ludwig Suter schweizweit einer der besten Spezialisten. Auch er machte sich stets bewusst, dass «alles mit allem» zusammenhängt. Dies zu wissen, bedeutet aber noch lange nicht, dass man deswegen im Ernst «Professor für alles» wäre. Je gründlicher ich arbeite, desto klarer wird mir, wie noch wenig wir alle eigentlich wissen. Auch darum bin ich heute mit Buchpublikationen eher zurückhaltender als noch vor 20 Jahren.

(red)


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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf