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Kolumne von Pirmin Meier

01.08.2014

Warum die CVP mit der Schweizerpsalm-Umfrage gut beraten ist

Der Niedergang der CVP, der einstigen Partei der Konservativen, hängt auch damit zusammen, dass man über Jahrzehnte die Politik unterstützte, die ohnehin geschieht, sich als Partei der Regierung und des Bundesrates als unentbehrlich hinstellte. Zum Teil traf dies auch zu. Im Kanton Luzern war man während Generationen allein schon wegen den Posten, die man in den Gemeinden einnahm und weitervergab, unentbehrlich.


Nicht selten vertrat man den gouvernementalen Standpunkt sogar dann, wenn auf dem Lande in den kleinen Kantonen fast niemand dieser Meinung war. Andererseits machte man in den letzten Jahrzehnten das oft diffuse «Öffnungsgeschwätz» mit, nicht realisierend, dass die Schweiz so oder so das internationalste und im Prinzip ausländerfreundlichste Land Europas war und bleibt, auch eines der für Einwanderung und Asyl offensten Länder der Welt. In Texas, wo Millionen ausgeschafft werden, oder in Australien würde man sich nie so verhalten wie in der Schweiz. 

Dafür singt man in den USA in der Schule die Nationalhymne tausendfach häufiger als bei uns, mit der Hand auf dem Herzen. In Sachen Nationalgefühl versteht man keinen Spass. Das lässt sich mit der Schweiz nicht vergleichen.   

Das Problem der Schweizer Nationalhymne bleibt, dass sie von einem Komponisten stammt, der eine halbe Stunde unterhalb des Rütlis geboren wurde, ein aus der Schweiz vertriebener Zisterziensermönch war, welcher nie eine nationalistische Anwandlung kannte. Der Urtext heisst eigentlich nur: «Ich möge dich lieben, o Gott». So wurde er in Wettingen 1835 gesungen. Im Gegensatz zur viel rassigeren russischen Hymne oder der  Originalhymne der Deutschen werden keine Gebietsansprüche gestellt. Im Gegensatz zur französischen Hymne soll man sich nicht in den Kampf stürzen, und im Gegensatz zur brasilianischen wird nicht gesagt, wir seien die Besten. 

Aber der Bezug zur Innerschweiz ist offensichtlich, was natürlich nicht mehr der Realität entspricht. Wir würden besser mit Schiller singen, gemäss Europahymne: «Seid umschlungen, Millionen.» Das gilt für das Geld und die Menschen, die hoffentlich so schnell als möglich das für die AHV wichtige Planungssoll von 11 Millionen erreichen . Vor allem gilt seit dem Villmergerkrieg vor 300 Jahren und auch seit der Entwicklung der Schweiz ab 1848: die Urschweiz ist nur noch von marginaler Bedeutung. Auch mit dem Massensymbol der Alpen, als Hauptmotiv der Nationalhymne, sind wir für eine globalisierte Schweiz nicht mehr repräsentativ. 

Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger denkt nun aber gerade nicht so. Er sagt es in seinen Ansprachen zur Bundesfeier auch entsprechend; in Gettnau und Disentis, wo er dem Ahorn von Trun, wo tatsächlich ein Bund geschworen worden war, seine Reverenz erweist.

Und wenn die CVP des Kantons Luzern eine Umfrage macht zum Schweizerpsalm, so hat die einstige Konservative Partei nur realisiert, dass man die Frage nach der Identität der Schweiz, auch der Zentralschweiz, nicht einseitig einer bestimmten neueren Partei, die hier nicht extra genannt werden muss, überlassen soll. 

Der derzeitige Juso-Chef Fabian Molina, welchem wie den Neonazis die Schweizer Fahne nicht mehr passt, leidet wie viele Junge dank vielfach schlechtem Geschichtsunterricht an historischer Ignoranz. Sonst wüsste er, dass die Vorläuferbewegung der Sozialisten der Grütliverein war, also ein Verein der Arbeitersolidarität im Geiste des Rütli. Vor 100 Jahren, bei der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg, haben die Schweizer Sozialisten bis auf ganz wenige Ausnahmen die Mobilmachung unterstützt, wiewohl viele von ihnen nicht unbegründete Vorbehalte gegen die Wahl von Ulrich Wille zum General hatten. Sie waren aber, im Gegensatz zu Unterstellungen der Gegner, keine «vaterlandslosen Gesellen».

Erst recht verhielt sich die spätere CVP fast immer patriotisch. Deren Zentralorgan hiess nicht umsonst «Vaterland». Die heutige Schweizerpsalm-Umfrage der CVP des Kantons Luzern ist insofern also zumindest kein Fehler.

Der 1. August 1291, ein Mittwoch, also ein Tag, an dem man kein Fleisch ass (wie Freitag), war astronomisch von heute aus gesehen am 19. Juli. Es geht um den spät aufgefundenen Bundesbrief, den der Erzähler der Schweizer Geschichte und faktische Installator des Rütli, der Schaffhauser Johannes von Müller, noch nicht kannte. Derselbe kannte nicht mal das Weisse Buch von Sarnen, die älteste Quelle betreffend Tell, dessen Verfasser, Hensli Schryber, sicher nicht der Meinung war, ein «Märchen» zu reportieren, wie es Gottlieb Emanuel Haller zum Protest Rousseaus 1760 behauptete. Und Josef Eutych Kopp, der Luzerner Historiker aus Beromünster, eine Zeitlang Bezirkslehrer in Zurzach AG (heute Bad Zurzach) wurde noch 1959 vom Briefkastenonkel von Radio Beromünster verdächtigt, ein Agent Metternichs, des österreichischen reaktionären Kanzlers, zu sein, weil er die Existenz Tells als erster wissenschaftlich in Frage stellte.

Im Text des Bundesbriefes steht «Augusto ineunte», anfangs August. Was das alpine Brauchtum betrifft, fanden gemäss Pierre Maugés «Guillaume Tell et la tradition celtique» anfangs August Hochzeiten, auch Wagenrennen und Vertragsabschlüsse statt. Das passt also gut. 

Viele «Alpstubeten» sind indes am Tag von St. Jakob (25. Juli) oder St. Anna (26. Juli) anzusetzen. Vom Festbrauchtum (vergleiche: Fasnacht) fanden Feste entweder am Dienstag, Donnerstag oder Samstagabend und Sonntag statt, weil zu diesen Terminen Fleisch gegessen werden durfte. Insofern setze ich den Termin des Bundesbriefes von 1291 am wahrscheinlichsten auf den 2. August an, astronomisch 20. Juli, was von der Festorgie her ein Abtrinken des Landfriedens mit Brot und Speck, auf jeden Fall Fleisch, am Donnerstag, den 2. August 1291, Julianischer Kalender, gestattete. 

Pirmin Meier, Rickenbach


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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf