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Kolumne von Pirmin Meier

07.04.2014

Mit Martin Merki geht ein politischer Kopf, der sich nie billig der Mehrheit anpasste

Pirmin Meier würdigt den Journalisten und Publizisten Martin Merki, geboren am 7. Dezember 1931 in Oberrohrdorf/AG, gestorben in Luzern am 4. April 2014.


Martin Merki konnte wie wenige heutige Profis so schreiben, dass das Volk ihn jederzeit verstand; im Kanton Luzern zunächst bei den «Luzerner Neuesten Nachrichten», als deren Redaktor er einstieg, dann als bestbeachteter Politschreiber beim «Vaterland», dessen Wandlung zur «Luzerner Zeitung» und «Neuen Luzerner Zeitung» er mitgestaltete. In letzterer Blattgestalt (ab 1996) fungierte er als Inlandchef,  bis er sich in den spätesten Jahren seiner Tätigkeit, noch über das Pensionsalter hinaus, für die Sparte «Das politische Buch» zur Verfügung stellte, einen gehobenen Abgesang seiner Publizistik und zugleich Bestätigung für den Horizont eines Mannes, den ich nie mit einem Parteisoldaten verwechselt habe. So konnte er nur gesehen werden, weil ein Engagement in diese Richtung vom Redaktionsstatut des «Vaterland» nahe gelegt und vor allem von der Leserschaft noch lange Zeit erwartet, eigentlich vorausgesetzt wurde.

Dabei kommentierte Merki das politische Geschehen eigenwillig und unverwechselbar, wie es vor und nach ihm im Kanton Luzern nicht mehr vorkam. Nie war es sein Ziel, «neutral» zu sein, sondern «objektiv» war seine Losung, was bei ihm mit Zielen und Zielgenauigkeit zu tun hatte, niedergelegt in seiner bekannten Wochenend-Kolumne «Bemerkungen», die es am Ende des Jahrtausends zu einer Buchausgabe gebracht hat.

Martin Merki betätigte sich dann und wann als Redner bei Buchvernissagen. In dieser Eigenschaft traf ich ihn im Hotel Rütli bei der Vorstellung von Hans Stutz‘ wohl gelungenster Publikation «Der Judenmord von Payerne», zur Würdigung eines Kollegen also, dem Merki nicht mit dem Bonus des Gleichgesinnten begegnen musste. 

Denselben gab es bei Martin Merki auch bei christdemokratischen Parteifreunden nur ausnahmsweise und nie ohne einen Rest von Distanz. Nebst auch internationaler politischer und historischer Literatur war ein Autor Martin Merki  ans Herz gewachsen: Josef Zihlmann, Seppi a de Wiggere (1914 bis 1991). Dessen Schaffen wurde von ihm keineswegs in den Himmel gelobt, sondern bildete eine zuverlässige zumal volkskundliche Grundlage für seine Tätigkeit als langjähriger Chef des Ressorts Kanton Luzern des «Vaterland». Welcher Publizist einer bedeutenden Region begleitet heute seine Tätigkeit mit einem vergleichbaren Fundament? 

Der Verfasser der «Bemerkungen» war ein Publizist und Redaktor, der als einer der letzten seines Schlages mit seiner Person und seinem Schreiben, was eine Einheit bildete, Beheimatung, Leserbindung und Identifikation zu vermitteln vermochte.

Merkis Stärke - das hat nichts mit «Parteisoldat» zu tun - war ein ihn selten trügender politischer und vor allem sprachlicher Instinkt. Auf Übereifer, Phrasen und Schlagworte, selbst im eigenen Lager, reagierte er allergisch. Er passte sich nicht auf billige Weise der Mehrheit an. Ihm war lediglich, selbst wenn er eine unpopuläre Abstimmungsparole vertrat, das «Musikgehör» der Mehrheit eigen. Er wusste es genau, wenn er etwas vertrat, das nicht mehrheitsfähig war. In einem solchen Fall brauchte er sich nicht zum Herold aufzuspielen. Wichtiger war, rechtzeitig zu realisieren, warum etwas beim Souverän keine Chance hat. 

Ein Meister der Aussagen zwischen den Zeilen, was nicht mit rätselhafter oder verschwommener Diktion zu verwechseln war; glaubwürdig, nie bloss opportunistisch, weil er authentisch blieb. Dieses «Musikgehör» ist heute schon deswegen kaum mehr eine hervorstechende Eigenschaft der Schreibenden, weil es einen «common sense», einen sicheren gutluzernischen gesunden Menschenverstand, nicht mehr zu geben scheint: weder politisch und gesellschaftlich noch religiös und geschmacklich. Heutige Kolumnisten sind auf ihre Art dazu verurteilt, sich als Rufer in der Wüste vorzukommen. Das war Martin Merkis Sache nicht. Er passte in unsere Landschaft. Und die Landschaft passte zu ihm.

Dabei war er nicht mal Luzerner, sondern war - wie ich - als Bürger von Würenlingen, aus der Region Baden, genau Oberrohrdorf mit dem Dorfpatron St. Martin, zugezogen, einer damals katholisch-konservativen Berggemeinde mit lebendiger Fasnachtstradition, auch heftigen dorfinternen Wahlkämpfen, so wie sie im Kanton Luzern ebenfalls generationenlang stattfanden. Waren Fasnacht und Wahlkampf vorbei, benahm man sich wieder «normal». So war es auch schon in der Heimatgemeinde Würenlingen, dem späteren «Atomdorf», zugegangen.

Sein erstes noch karges Brot hatte Martin Merki als Sekretär der Jungwacht Aargau verdient, also gleichsam als Berufskatholik im Umfeld des legendären Jugendpioniers Meinrad Hengartner. Diese Grundlage wirkte und wirkt beim «Vaterland» und dessen Nachfolgeblättern noch mit seiner Erfindung der sommerlichen Lagerberichterstattung nach, eine der wenigen von ihm begründeten publizistischen Traditionen, die bis heute gehalten hat.

In den Sechziger Jahren wechselte er von der Jungwacht zum ebenfalls katholischen «Aargauer Volksblatt», wo er mit dem erratischen Block der aargauischen Publizistik, dem seit 1921 dort tätigen August Bärlocher und maximal zwei Kollegen sonntags und werktags dafür zu sorgen hatte, dass auch morgen wieder eine Zeitung erscheint. Der Lohn bewegte sich, nicht teuerungsbereinigt, unter der Hälfte des heute per Volksinitiative geforderten Mindestlohnes. Insofern war 1968 der Wechsel zu den «Luzerner Neuesten Nachrichten» für den Aargauer eine klare Verbesserung.

Der Journalismus war und blieb ein harter Job. Die Berufung 1973 ins «Vaterland», das als Kopfblatt einiger katholischer Zeitungen fungierte, auch des «Aargauer Volksblattes», war vor allem prestigemässig eine Beförderung, entsprach dem katholischen und CVP-nahen Naturell Merkis. Ungefähr zur gleichen Zeit wechselte auch Dr. Niklaus Oberholzer, der subtile Intellektuelle, ein ganz anderer Typ als Martin Merki, hoch intellektuell, vielseitig bis elitär, kulturell progressiv, seinerseits von Badens katholischer Zeitung nach Luzern. Merkis Spezialität, im Vergleich schon zu damaligen Kollegen, erst recht zu heutigen Repräsentanten des schreibenden Handwerks: Er war «Jemand», genoss echtes Ansehen, Beliebtheit, Vertrauen bei praktisch der gesamten Leserschaft und darüber hinaus. Die Weiterentwicklung des Blattes vom Maihof führte zur Beförderung in leitende publizistische, aber nicht unbedingt verlegerisch-managementmässige Funktionen, für die der gewiefte Erwin Bachmann mehr und mehr zuständig wurde. Das Schicksal der Zeitung stand bei weitem stärker in dessen Hand als in der Hand derjenigen, die Artikel und Kommentare verfassten. 

In einer Zeit, da die Liberalen konservativer und die Konservativen liberaler wurden, war es kein Verrat, dass Martin Merki jr. im Gegensatz zu seinem Vater im liberalen Lager weiterpolitisierte. In der «NZZ» war Merki junior einer von vielen, beim «Vaterland» und noch später bei der «Luzerner Zeitung», beziehungsweise «Neuen Luzerner Zeitung» blieb der Vater aber ein Unikum, um nicht zu sagen mit der Zeit ein Original. Letzteres spricht für eine Zeit- und Zeitungsentwicklung, die trotz der schönen sommerlichen Reportagen über Jugendlager über ihn hinweggeschritten ist.

Vater Martin Merkis gesunder Menschenverstand, auch seine ländliche Orientierung mit Aufgeschlossenheit für das Städtische, trug wohl fast eine Generation lang dazu bei, das Bedürfnis nach einer die herkömmlichen bürgerlichen Strukturen auflösenden SVP «unten» zu halten, weil konservative Gefühle bis hin zu einer gewissen Sturheit von richtungsweisenden Leitfiguren, zu denen Merki gehörte, mit ausreichender Bedarfsdeckung bedient wurden. Noch wichtiger war eine glaubwürdige wertkonservative Orientierung, die sich noch ein letztes Mal im Gedicht von Werner Bergengruen auf der Todesanzeige manifestiert.

Dabei war Martin Merki keineswegs ein Reaktionär. Fortschrittlichkeit und Aufgeschlossenheit stellen dann am wenigsten ein Problem dar, wenn die Heimatbasis, ein gesunder Boden, gesichert ist. 

Den Angehörigen einer liebenswürdigen Persönlichkeit, seiner Gattin Helen, der Tochter und den drei Söhnen eines Dampferfreundes mit zeitlebens viel Dampf, entbiete ich mein mitbürgerliches Beileid.

Pirmin Meier, Rickenbach


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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf