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Kolumne von Pirmin Meier

26.03.2013

Politik, Lyrik und die Gefahr verbaler Entgleisungen

Der Historiker und Schriftsteller Pirmin Meier zum Gedicht, das Oskar Freysinger 2002 schweizweit in Verruf gebracht hat.


In den Jahren um 1848 gab es kaum einen führenden Schweizer Politiker, der nicht dichtete. Angefangen bei Jakob Robert Steiger, dem Erz-Liberalen, weitergefahren mit Johann Nepomuk Schleuniger, dem Konservativen mit leider antisemitischen Entgleisungen, bis zum Kloster-Aufheber Augustin Keller. 

Im 20. Jahrhundert publizierte der Landesring-Nationalrat und TAT-Chefredaktor Erwin Jaeckle (1909 - 1997) sogar an die vier Dutzend Gedichtbände auf beträchtlichem formalem Niveau. 

Der ausdauerndste Polit-Poet in der Geschichte der Schweiz war wohl Friedrich Dürrenmatts Grossvater Uli Dürrenmatt, Redaktor der «Buchsi-Zitig» und wohl einer der ersten rechtspopulistischen Publizisten der Schweiz. Zu den poetisch engagierten Rechtspopulisten gehörte später James Schwarzenbach, der Cousin der genialischen Linken Annemarie Schwarzenbach, die sich aber – abgesehen von politisch naiven Reportagen über die Diktatoren Stalin und Salazar (beide kamen bei ihr sehr gut weg) – in ihren Hauptwerken kaum politisch geäussert hat.

Was nun den mittlerweile zum Walliser Staatsrat aufgestiegenen Polit-Poeten Oskar Freysinger betrifft, so musste dieser den wohl in der Schweizer Literaturgeschichte schlechtesten literarischen Start aller Zeiten verdauen, was ihm auch politisch lange sehr in die Quere kam. 

Die entsprechende Geschmacksverirrung mit dem Reim «Fuzzi» auf «Bortoluzzi» vor etwa einem Dutzend Jahren musste er teuer bezahlen (siehe unter «Dateien»: Das Freysinger-Gedicht im Wortlaut). Von einer «Schande» für das Wallis sprach seinerzeit der nunmehrige Regierungskollege von Freysinger und Ex-YB-Kicker Jean-Michel Cina. Ausserdem wurde der Rossschwanz-Poet für diese seine Verirrung, die er vorige Woche am Radio immer noch nach dem Motto «Satire darf alles» verteidigen zu müssen glaubte, vor etwa zehn Jahren demonstrativ nicht in den Verband der Schweizer Autoren aufgenommen. Aus diesem Grund gehört Freysinger heute dem serbischen Schriftstellerverband an. 

Freysingers leider im Vergleich zu brauchbaren Texten bekanntestes Machwerk ist indes schlechtestenfalls das zweitschlechteste Gedicht der neueren Schweizer Literatur überhaupt. 

Das schlechteste begann mit den Worten «Jesus Christus war kein Heiliger, sondern ein dreckiger kleiner Bösewicht, der kleine Mädchen in den Arsch fickte». Für dieses Gedicht eines Luzerner Autors – den  Gottseidank niemand mehr kennt und dessen Leistungsausweis auch bei Null geblieben ist – gab es eine Prämie von 3000 Franken aus Luzerner Steuergeldern, zugesprochen von der bekannten Literaturkritikerin, Links-Katholikin und DDR-Verteidigerin Klara Obermüller. 

Die damalige Jurypräsidentin hat aber trotz ihres anderweitigen Kampfes gegen «Vorurteile» betreffs Berliner Mauer in ihrem Leben nicht nur Stuss gemacht, sondern zum Beispiel mal ein schönes Hörspiel über Dorothea von Flüe getextet. Auch besteht ihr literarischer Geschmack nicht nur aus Verirrungen. Allerdings, den Arbeiter-Schriftsteller und Parteikollegen Karl Kloter (1911 – 2002) mochte sie nicht, weswegen dann das «Jesus-Arschficker-Gedicht» statt eines Romans von Kloter prämiert wurde. Es ging auch darum, die totale «Unabhängigkeit» einer Jury gegenüber einem damals (1986) noch fast erzkatholischen Kanton (mit Walter Gut als Bildungsdirektor) zu demonstrieren.

Das drittschlechteste Gedicht der letzten 30 Jahre stammt leider weder von Freysinger noch dem von Frau Obermüller prämierten abverheiten Autor G. (sein Name tut nichts zur Sache), sondern steht leider in meinem 1984 publizierten Gedichtband «Gsottniger Werwolf». Die Schluss-Verse wurden damals von Hans Stutz in der «WOZ» zitiert und mir wurde postwendend eine perverse Phantasie bescheinigt. Beschämenderweise hat auch mal ein Schüler dieses unanständige Gedicht aus der Feder seines Lehrers sogar während meiner Abwesenheit an die Tafel geschrieben. Der Philosoph Karl Popper bezeichnete meinen Gedichtband übrigens als «Scheisse», und ich habe diesen denn auch jahrzehntelang verleugnet, bis Hugo Loetscher behauptete, dass ich ohne solche Experimente und Erfahrungen nicht der Autor geworden sei, den er schätzen könne.

Zu den Personen, die wegen deplatzierter Äusserungen auf www.lu-wahlen auch schon kritisiert worden sind, gehört der Männerpolitiker René Kuhn. Stuss bleibt Stuss und muss weder bei Freysinger noch bei Kuhn noch bei Obermüller verteidigt werden. Nur fällt auf, dass bei diesem Thema jeweils nicht mit der gleichen Elle gemessen wird. Wenn Alice Schwarzer einen triumphierenden Bravo-Text schreibt über eine Frau, die ihren Mann kastriert hat, ist das natürlich etwas anderes und kein Grund, sie als Feministin nicht ernst zu nehmen. 

Von daher gesehen dürfte man vielleicht anerkennen, dass René Kuhn mit seinen Männerkongressen – von denen ich mich an zweien beteiligt habe und wo ich sogar so gute und besonnene Leute wie Markus Theunert und Gerhard Amendt kennenlernen durfte – eben doch eine wichtige gesellschaftspolitische Idee aufgegriffen hat. Das heisst noch lange nicht, dass ich mit allem, was ein René Kuhn sagt und vertritt, einverstanden sein könnte. Aber er müsste hier nicht mehr länger wegen einer Sache, für die er gerichtlich immerhin recht bekommen hat, weiterhin diffamiert werden – besser wäre es doch, mal das Männerthema als politisches Thema aufzugreifen. 

Freysinger hat mit Klara Obermüller nebst manchmal brillanter Ausdrucksfähigkeit eine sehr hohe literarische Bildung gemeinsam und ausserdem fragwürdige Ausland-Kontakte, welche er nun halt selber verantworten muss und weswegen man kritisiert werden kann. Trotzdem ist er wahrscheinlich der mit Abstand brillanteste und «schöngeistig» am meisten gebildete Kopf nicht nur der SVP, sondern, schrecklich zu sagen, des gegenwärtigen Schweizer Bundesparlaments überhaupt. 

In einen ganz grossen Fettnapf ist neulich Freysinger getreten, als er in seinem Keller bei einer Homestory in SRF1 (24. März 2013) die alte deutsche Reichskriegsflagge präsentierte, was ihm prompt als Nazitum ausgelegt wurde. Das ist historisch und heraldisch zwar nicht einmal halb richtig. Aber es bleibt dabei, dass die Reichskriegsflagge von 1902 ganz sicher nicht ein Symbol für Freiheit und Demokratie ist, wenngleich für deutsche Konservative und Marine-Fans ein durchaus für sie teures, sogar ehrenwertes Zeichen. Mit schweizerischen Werten hat es indes nichts zu tun, das dürfte und müsste auch Freysinger eingestehen. Besser wäre es, das Moderstück in seinem Keller verrotten zu lassen. Eine Nazifahne ist es aber nicht.

Bei einer Google-Bildsuche {«Neonaziaufmärsche Flaggen») findet man die Reichskriegsflagge unter 400 Bildern gerade einmal, dieses Fahnenstück ist also für Hitlerfreunde nicht repräsentativ. Aber die Schweiz ist ein für allemal aus dem «Reich» ausgetreten, was doch für unsere Unabhängigkeit in Europa eine substanzielle Grundüberzeugung des schweizerischen Patriotismus bleibt.

Christoph Blocher, den der Erfolg Freysingers wohl etwas wurmt, könnte aber noch recht bekommen mit der Vermutung, dass der vom SVP-Alphatier unabhängige Nonkonformist Freysinger eigentlich kein Exekutiv-Politiker ist und sich auf viele Fussangeln gefasst machen muss. 

Das Wichtigste für einen Politiker oder eine Politikerin, aber auch für einen Poeten oder eine Poetin ist und bleibt, dass man nicht über sich selber stolpert. 

Pirmin Meier, Rickenbach 


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Pirmin Meier aus Rickenbacch

Montag, 15.04.2013, 19:54 · Mail

Wochenlang habe ich die «Reichskriegsflagge», genauer «Reichsflagge der deutschen Kriegsmarine» als Neonazi-Emblem im Internet gesucht und bin dabei nie mit einer wirklich repräsentativen Foto fündig geworden. www.stern.de vom 14. April hilft unter dem Stichwort «Rechte Netzwerke in Gefängnissen» nunmehr nach.

Gezeigt wird eine Demonstration beim Bahnhof Neustadt in Dresden mit der entsprechenden Flagge. Das Johanniterkreuz auf schwarz-weiss-rotem Grund gehört als Johanniterkreuz zu den eindrücklichsten Symbolen der von Johannitern und Deutschrittern geprägten deutschen Kulturgeschichte mit Ausläufern bis in den Kanton Luzern (Hohenrain, Hitzkirch, Reiden). Dies ist auch mit ein Grund, warum ich den Missbrauch dieser Symbole durch den deutschen Nationalismus und Nationalsozialismus beklage, wiewohl die Ritterorden nebst ihren Pionierleistungen mit der Gründung von mehr als 2000 Spitälern auch eine imperialistische Seite hatten.

Das Johanniterkreuz spielt im Wappen von Paracelsus eine Rolle, über den ich ausgerechnet in Dresden am 27. April einen Vortrag vor der «Deutschen Bombastus-Gesellschaft» halten werde. Vergleiche dazu: «Pirmin Meier in Dresden» auf der Homepage www.unionsverlag.ch.

Pirmin Meier, Rickenbach

 

Pirmin Meier aus Rickenbach

Montag, 01.04.2013, 12:50 · Mail

Vor lauter Streitgespräch zwischen Meier und Stutz um eine alte Geschichte betreffend die frühere Luzerner Literaturförderung von 1986 ging schon fast vergessen, dass meine Kolumne eigentlich mit Freysinger zu tun hat. Ich habe Freysinger gegen vorschnelle Nazi-Vorwürfe in Schutz genommen, auch mich davon distanziert, wegen der Flagge, die eigentlich «Reichsflagge der deutschen Kriegsmarine» heisst, einen Gesinnungsprozess anzustrengen. Ich habe auch gegen die Verwendung dieser Flagge zum Beispiel durch deutsche Marineveteranen nichts einzuwenden und stelle fest, dass man sie im reich dokumentierten Bildmaterial über Neonazi-Demonstrationen nur selten findet. Es ist in diesem Zusammenhang insofern ein klarer, wiewohl offensichtlich legaler Flaggenmissbrauch.

Was für einen Mist aber Freysinger mit dieser wilhelminischen Flagge wirklich gebaut hat, kam mir jedoch beim Durchstöbern des Blogs der deutschen rechten Wochenzeitung «Junge Freiheit» zum Bewusstsein. Da lesen wir:

«Michael Rolle aus BRD / Mittwoch, 27-03-13 22:17. Danke Herr Freysinger, dass Sie sich offen zum Deutschtum und Deutschlands Vergangenheit bekennen. (Die Schweizer sind deutscher Stamm der Allemannen)».

Im 19. Jahrhundert haben zwar sogar C.F. Meyer und Gottfried Keller zum Teil so gedacht. Aber im Rückblick auch auf die Geschichte des Ersten Weltkrieges löscht es da einem demokratischen Eidgenossen ab. Carl Spitteler, der 1924 als erster Luzerner kremiert wurde, kann sich leider nicht mehr im Grabe umdrehen, sonst würde er es tun.

Pirmin Meier, Rickenbach

 

Hans Stutz aus Luzern

Donnerstag, 28.03.2013, 16:12 · Mail

Meier fordert heraus: Hat mich meine Erinnerung wirklich getrogen, als ich von seinem «lobenden Gedicht» auf Arno Breker schrieb? Ja, aber nur ein bisschen. Mein Text erschien damals unter dem Titel «Lyrik vom unheimlichen Patrioten» («WOZ«, 15. Mai 1987), auch in Anspielung an Meiers politische Vergangenheit als Mitbegründer der rechtskatholischen Zeitschrift «Abendland» und als Mitbegründer der Schwarzenbach-Partei Schweizerische Republikanische Bewegung.

Darin ist erwähnt, dass Meier sich damals als «zynischer konservativer Lyriker» verstand. Und weiter: Dieser zynische konservative Lyriker («mein Blut pulst zickzack / bin zu jung / um Papst zu sein») gedenkt in einem Gedicht der Erschiessung von Benito Mussolini und dessen Geliebte Claretta Petacci, gedankt auch Arno Breker («Adolfs Gigangen-Gestalter / greisem Jahrhundertmeister der deutschen Plastik»), der vor wenigen Jahren die einstige Hochsprung-Olympia-Siegerin Ulricke Meyfahrt («olympische Riesin in Pracht voller Nacktheit») als Modell gewann.

Doch, da schaudert es auch in Pirmin Armin Meier: «Nur weht über die Szene nicht weg zu denken / Gespenster-Schauer Geschichte» - nur damit Pirmin Adrian Meiers Wunsch in Erfüllung gegen könnte, dass der Aar-Gäuer Bildhauer Eduard Spörri, Ulricke Meyfahrt als Modell empfangen dürfte.

Und er, Pirmin Adrian Meier, wäre auch dabei, die schlanke Hochspringerin wäre stundenlang vor Meiers Augen «und in Modellpausen wäre die Gelegenheit geboten / kräftige Ulrike mich (einzig zugelassener Reporter) / durch Spörris Bilderbuch-Garten zu tragen.»

Ob der damalige geförderte junge Mann irgendwelche Substanzen (manchmal? häufig? täglich? legal?illegal?) zu sich nahm, sollte für die Literaturförderung nicht von Belang sein. Die Texte hingegen schon. (Wer sie nachlesen, will findet sie in T. Gödde. Türkischer Honig, Verlag Neuer Untergrund.)

Von Belang ist allerdings auch, dass Meier mit seinem Angriff auf die Literaturförderung, Ausgabe 1986 eine Praxisänderung anstrebte, weg von der ausserkantonalen Fachjury, zurück zu einer Jury «mit tiefer Beziehung zur Geisteswelt der Innerschweiz». Was darunter zu verstehen war, hatte Meier drei Jahre zuvor in einem Lobartikel auf einen Innerschweizer Kleinverlag umschrieben, nämlich Autoren, «die unabhängig von ihren sehr unterschiedlichen geistigen Standorten stets eine metaphysische, ehtische und (...) auch religiöse Dimension» durchscheinen lassen. Immerhin, dies ist uns erspart geblieben.

Und noch ein «Anschauungsbeispiel» für Pablo Haller: «die welt ist kein planet im universum, sondern ein dahin geschissener haufen, auf dem zufällig ein paar parasiten vegetieren.»

Oder auch: «saug meinen schwanz, lover. ich bin drauf / du bist drauf / wir alle sind drauf.»

Hans Stutz, Journalist und Kantonsrat (Grüne), Luzern

 

Pirmin Meier aus Rickenbach

Donnerstag, 28.03.2013, 07:25 · Mail

Antwort an Hans Stutz und Pablo Haller

Der Autor G. - auch für Hans Stutz zurecht jenseits literarischer Kriterien anzusiedeln - hatte damals meines Wissens auch Probleme mit Justiz und Polizei und ist als Autor seither nie wieder hervorgetreten. Darum bin ich dagegen, ihn durch Namensnennung blosszustellen. Wohl noch nie in der Schweizer Literaturgeschichte konnte ein Nichtskönner so wenig dafür, dass er ausgezeichnet wurde. Dass Jesus ein Arschficker sei, stand übrigens gleich ganz am Anfang seines Gedichtbandes, damit es ja niemand übersehen konnte. Das auch völlig formlose Gedicht ist so schlecht, dass es auch von der Jury nur als mutmasslicher Grenzfall sogenannter künstlerischer Freiheit in Betracht gezogen werden konnte und für sie selber als Beweis für totale Unabhängigkeit.

Eine Ohrfeige an einen Kanton, der für seinen frommen Erziehungsdirektor Walter Gut und die damalige CVP-Mehrheit in Parlament und Regierung angemessen bestraft werden musste. Die Verantwortung für die grösste mir bekannte Fehlleistung der damaligen LU-Literaturförderung trägt ausschliesslich die Jury mit Klara Obermüller an der Spitze, die den Entscheid auch gegenüber Radio DRS verteidigte. Ich wurde zu einer direkten Konfrontation in der Sendung nicht zugelassen. Auch hatte sich der Arbeiter-Schriftsteller Karl Kloter der Dame gegenüber mal in seiner etwas hemdsärmligen Art unhöflich geäussert, weswegen sein von Matthyas Jenny zur Prämierung eingegebener Roman «Näherkommen» auch zum 75. Geburtstag des fruchtbarsten Schweizer Arbeiter-Schriftstellers nach Jakob Bührer leer ausging.

Kloter, der mir zum Dank für meinen Einsatz für ihn das imponierende Buch des Arbeiterführers Robert Grimm «Schweizer Geschichte in Klassenkämpfen» schenkte, hatte als frommkatholischer Sozialist und wertkonservativer Gewerkschafter (sein bester Gesinnungsfreund war alt SP-Regierungsrat Hans-Ernst Balsiger gewesen) nie eine Chance, in der DDR gedruckt zu werden, wiewohl das versucht wurde. Er hätte auch im Gegensatz zum verstorbenen Mann von Klara Obermüller, Walter Matthias Diggelmann, für die DDR-Fassung eines Romans niemals den ungarischen Freiheitskampf von 1956 zur Konterrevolution umgeschrieben.

Nun zu Kollega Stutz, dessen wohl verdienstvollste Publikation über den Judenmord in Payerne im Rahmen einer Besprechung von Jacques Chessex‘ Buch zum gleichen Thema ich in einer Sonntagszeitung immerhin mal positiv gewürdigt habe: Sie gelten als Rechtsextremismus-Experte. Ich habe Sie sogar schon mal in dieser Eigenschaft ernst genommen mit einer Rückfrage zum Vierwaldstätterbund und würde Sie gern weiter ernst nehmen. Aber Sie haben, mutmasslich nicht zum ersten Mal, eine Anbräunung eigentlich wider besseres Wissen, beziehungsweise wider den klaren Wortlaut vorgenommen.

Mein Gedicht «Ulrike Meyfarth Modell bei Arno Breker, Eduard Spörri in Verehrung gewidmet» aus «Gsottniger Werwolf» war nämlich in Abgrenzung zu Breker ein Lobgedicht auf den Aargauer Bildhauer Spörri und nicht auf den Nazi-Bildhauer, zugleich machte ich mich über die Doppel-Olympiasiegerin Ulrike Meyfarth (1972/76) lustig, die sich Breker als Aktmodell zur Verfügung gestellt hatte mit sensationsheischenden Fotos im «Stern». Spörri und Breker, Generationsgenossen und beide in Deutschland als Bildhauer ausgebildet, hatten von den expressionistischen und realistischen Anfängen her gewisse formale Gemeinsamkeiten. Das wurde im Gedicht auch dargetan, mit einem wesentlichen Unterschied. So schrieb ich im besagten, von Stutz kritisierten Gedicht zum Thema Ulrike Meyfarth, die ich als «olympische Riesin» auf die Schippe nahm:

«Wärst besser zum Spörri ins Aargäu gekommen!
Heiterer sind seine Bilder.
Haben in mehr als sechzig Jahren
Den Schmutz und die Schuld nicht kennengelernt.»

Ist das ein Lob für Breker, dessen Lebenswerk nun eben halt mal «den Schmutz und die Schuld» kennengelernt hat? Dass ich Breker als «begabt» bezeichnete, war seinerzeit Niklaus Oberholzer von der «NLZ» schon zu viel. Aber auch Leni Riefenstahl war nun mal, Hitler hin oder her, leider verdammt begabt.

Mein Gedicht auf Spörri und Breker wurde von Walser-Biograph und Religions-Kritiker Robert Mächler als mein bestes eingeschätzt und lange vor Dieter Bitterli, der mich in den LNN als «Dichter, Denker, Dampfwalze» abfertigte, im «Badener Tagblatt» als Sonntagsgedicht mit einer ausgezeichneten Besprechung betreffend «geistiger Akrobatik» abgedruckt. Ich kann das Gedicht mit der Zeit zum Abdruck in www.lu-wahlen.ch freigeben, doch verfüge ich derzeit über kein greifbares Bändchen mehr. Der «Gsottnige Werwolf» blieb ein Stiefkind meines Schaffens. Bei einer Lesung auf Schloss Heidegg vor einigen Jahren kam das Bändchen, wegen der Provozierung von Lachern, noch recht gut an.

Pirmin Meier, Autor, Rickenbach

 

Hans Stutz aus Luzern

Mittwoch, 27.03.2013, 11:30 · Mail

Es ehrt Pirmin Meier, dass er seinen Stuss früherer Jahre nun auch als Stuss bezeichnet. Gemäss meiner Erinnerung (ohne Rücksprache mit meiner Altpapiersammlung, auch Archiv genannt) verbreitet er auch Ungenauigkeiten, getreu dem rechten Motto: Für Unangenehmes müssen immer Linke schuld sein.

Leider war ich nicht der erste, der damals über Meiers Gedichte schrieb. Diese Ehre gebürt Dieter Bitterli, damals «LNN»-Mitarbeiter. Meier lässt unerwähnt, dass ich damals in der «WOZ» auch andere seiner Gedichte besprochen habe, zum Beispiel sein lobendes Gedicht auf den bekannten Nazi-Steinmetz Arno Breker.

Und zur Ehrenrettung von Klara Obermüller: Sie war damals (1986) zwar Kommissionspräsidentin, aber das Gremium bestand aus mindestens fünf Leuten. Im übrigen: Die damals geförderten Lyrikversuche des Herrn G. waren wirklich - höflich ausgedrückt - pubertär-dilletantisch.

Hans Stutz, Journalist / Kantonsrat (Grüne), Luzern

 
 
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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf