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Kolumne von Pablo Haller

02.11.2012

glp-Stadträtin Manuela Jost ramponiert Kunstfreiheit

Während des Prozesses, nach dem in Russland zwei von drei verhafteten Pussy-Riot-Mitgliedern ins Straflager verfrachtet wurden, diskutierte die Weltöffentlichkeit oft über Kunstfreiheit. Und einer ihrer Antagonisten: Die Gefühle von Gläubigen. Nun hat auch Luzern einen solchen Fall, lächerlich harmlos, im Vergleich zum Russischen, doch die Mechanismen sind die selben.


Was ist geschehen? Die Künstlerin Elena Parris wollte Kunstplakate von der APG in der Stadt Luzern, Emmen, Ebikon und Kriens hängen lassen. Stadt und Gemeinden verboten den Aushang. Warum? Die Mehrheit der Luzerner Bevölkerung von den Motiven wohl in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen, wird von den Verantwortlichen geltend gemacht.

Lächerliches Argument: Verletzung von religiösen Gefühlen

Die Sujets sind unter anderem eine Frau in Burka mit Dildofinger neben einer nackten Gothic-Frau; eine rauchende, schwangere Nonne; eine gekreuzigte Frau mit einem Band um die «heiklen» Stellen; eine weibliche Päpstin. Nichts Pornographisches also, nichts wirklich Heikles. Überhaupt: In einem aufgeklärten Staat hat das Argument, «es verletzt religiöse Gefühle», rein gar nicht verloren. Denn es ist völlig subjektiv und kann für jeden Gugus missbraucht werden.

Wie einem Bericht von «20 Minuten online» (siehe unten unter «Links») zu entnehmen ist, hat anscheinend keine sachverständige Kommission über Aushang und künstlerischen Wert der Arbeiten befunden, sondern Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner in Rücksprache mit GLP-Stadträtin Manuela Jost, die bis vor wenigen Monaten noch Präsidentin der Kunstgesellschaft Luzern präsidierte.  

Steigende Intoleranz gegenüber Kunst, die nicht in den Kram passt

Das Bedenkliche ist nicht dieser Einzelfall, sondern dass die Intoleranz gegenüber Kunst, die jemandem nicht in den Kram passt, zunimmt (siehe weiter unten auf dieser Seite: «In Verbindung stehende Artikel»: «Haftbefehl»: Erlaubt sein muss auch, was nicht gefällt).  Dieses Konzert in Kriens wurde durch Druck der örtlichen Behörden und der Luzerner Polizei letztendlich erfolgreich verhindert. Unter anderem wurde dem Club Imperio, wo der Auftritt hätte stattfinden sollen, gedroht, dass man bei Durchführung des Konzerts die Betriebsbewilligung entziehen werde.

Wir erinnern uns auch an das Pasolini-Derby in Zürich 2007

Dem Zürcher Kino Xenix wurde polizeilich untersagt, den Film «Die 120 Tage von Sodom», der Dante mit de Sade kurz schliesst und in der Republik von Salò, Mussolinis zweitem Faschistenstaat spielt, in der Sankt-Jakobs-Kirche zu zeigen. Christliche Bürgerinitiativen aus Deutschland und Österreich haben eine Strafanzeige gegen die Programmverantwortlichen des Kinos eingereicht. Dieses Verbot wurde nach Gesprächen und Durchsicht ausländischer Gerichtsurteile wieder rückgängig gemacht. Die Polizei erklärte, den künstlerischen Wert offenbar zu wenig gewürdigt zu haben. Ein weiteres Malheur, das so nur geschehen kann, wenn man Laien und keine Kunstexperten über solche Fragen entscheiden lässt. 

Dass Elena Parris nicht bloss lamentiert, sondern sich über das Verbot hinweggesetzt und wild plakatiert hat, scheint ein mutiger Schritt in die richtige Richtung.

Pablo Haller, Luzern

Die Protagonisten dieser Geschichte wurden um Stellungnahmen gebeten, diese werden auf lu-wahlen so bald wie möglich publiziert.


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Über Pablo Haller:

Pablo Haller (*1989) ist Redaktor bei «041 - Das Kulturmagazin», kulturteil.ch sowie freier Journalist. Er betreibt die Literaturwebsites pulppoetry.wordpress.com und gasolinconnection.wordpress.com und tritt immer mal wieder als Beiträger für verschiedene Literaturzeitschriften (u.a. «das heft das seinen langen namen ändern wollte», «Drecksack», «das Narr») oder als Poetry-Performer in Erscheinung.

http://pulppoetry.wordpress.com/

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