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Kolumne von Monique Frey

09.10.2019

«Eigenverantwortung funktioniert in der Klimapolitik gar nicht»

Die grüne Ständeratskandidatin Monique Frey über den Klima-Hype, das Image als Ein-Themen-Partei, und die Frage, wer am 20. Oktober den dritten Sitz für die Listenverbindung von Grünen, SP und GLP erhält.


Die Agronomin, Kantonsrätin und Ständeratskandidatin Dr. Monique Frey von den Grünen beim Interview mit lu-wahlen.ch, das am Montag, 7. Oktober auf der Terrasse des Seebistro LUZ stattfand.

Bild: Herbert Fischer

28. September 2019 in Bern: Monique Frey an der «Klima-Demo» in Bern, an der nach Schätzungen der Veranstalter 100 000 Personen teilgenommen haben.

Bild: Korintha Bärtsch

Herbert Fischer: Was ist ihnen lieber: Dass am 20. Oktober im Kanton Luzern bei den Nationalratswahlen die GLP einen Sitz holt, oder dass die SP einen zweiten Sitz macht? Diese Frage stellt sich angesichts von Berechnungen aus den letzten vier Kantonsratswahlen und den letzten drei Eidgenössischen Wahlen (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»: Die Nationalratswahlen 2019 im Kanton Luzern). Sie zeigen auf, dass die Listenverbindung aus SP, Grünen und GLP insgesamt drei Sitze erreichen wird, höchstwahrscheinlich.

Monique Frey: Grüne, SP und Grünliberale sind eine Listenverbindung eingegangen. Wir wollen drei bis vier der neun Sitze erreichen. Das ist aufgrund der Resultate bei den Kantonsratswahlen vom letzten März möglich. Zur Frage: In den grünen Themen ist die GLP der verlässlichere Partner, bei sozialen Fragen ist es die SP.

Die SP hofft, dass Grüne SP wählen, um zu verhindern, dass der Sitz an die GLP geht. Die Rechnung: Macht die SP doppelt so viele Stimmen wie die GLP, erhält sie das dritte Mandat. Erreicht hingegen die GLP eine Stimme mehr als die Hälfte der SP-Stimmen, geht der Sitz an sie.

Monique Frey: Genau. Und falls diese Listenverbindung sogar vier Sitze gewinnt, geht der an uns (lacht).

Und was ist mit der Hoffnung von SP-Präsident David Roth, Grüne sollten die SP wählen, um zu verhindern, dass der dritte Sitz an die GLP geht?

Monique Frey: SP und Grüne unterstützen sich offiziell gegenseitig bei den Ständeratswahlen. Aber einen Aufruf an grüne WählerInnen, jetzt für den Nationalrat die SP-Liste einzulegen, gab es nicht, gibt es nicht und wird es nicht geben.

Eigentlich läuft im Moment für die Grünen alles optimal. Was kann überhaupt noch schiefgehen?

Monique Frey: Dass die Stimmbeteiligung nicht so sein wird, wie sie sollte, nämlich «50 Prozent plus». Darum befinden wir uns jetzt in der Schlussmobilisierung und geben Vollgas; auf den Strassen, an den Bahnhöfen, überall, wo wir können. Um die Sensation zu schaffen, brauchen wir viele Neuwähler. Die Jungen müssen an die Urnen gehen!

Gute Vorzeichen, wie jetzt für ihre Partei, bergen aber genau die Gefahr der De-Mobilisierung. So etwa nach dem Motto: «Es läuft ja wie geschmiert, warum muss denn nun auch noch ich wählen?».

Monique Frey: So ist es. Darum heisst die Botschaft: Jetzt erst recht. Die Klima-Demo vom 28. September in Bern mit 100 000 Beteiligten hat viel bewirkt und dieser Schwung hält erfreulicherweise an.

Der Klima-Hype birgt für die Grünen eine zweite Gefahr. Nämlich, dass sie jetzt als DIE Klima-Partei wahrgenommen werden und sie als politische Marke somit gewissermassen «zurückfallen» in jene Zeiten, als sie noch als Ein-Themen-Partei galten. Aber es geht ja jetzt nicht «nur» ums Klima.

Monique Frey: Unsere beiden Kernthemen sind jetzt die «Klima-Wahl» und die «Frauen-Wahl». Die Frauen-Wahl ist für uns klar auch ein soziales Thema. Dabei geht es keineswegs allein darum, die Gleichberechtigung endlich überall zu realisieren; sondern zum Beispiel auch um  alleinerziehende Frauen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind; es gibt unzählige konkrete Fälle. Allein das zeigt schon, dass wir keine Ein-Themen-Partei sind und übrigens auch nie waren.

Ich erinnere zudem an mehrere Initiativen von uns in den letzten Jahren: «Grüne Wirtschaft», Atomausstieg, «Fair Food», unser Kampf gegen den zweiten Gotthard-Strassentunnel aber für den Fonds Bahninfrastruktur (FABI) und damit auch für die Förderung der zu Fuss gehenden. Zudem sind wir als Grüne oder wichtige Exponentinnen der Grünen in den Komitees für die «Konzern-Verantwortungs-Iinitiative», die «Gletscher-Initiative», die «Transparenz-Initiative» und die «99 Prozent-Initiative».

Uns nimmt man also ab, dass wir seit langem konkrete Politik machen, wir haben genug Tatbeweise. Und wie wir im Kanton Luzern und in den Gemeinden aufgestellt und unterwegs sind, dürfte ja eh bekannt sein.

Aber in der Klima-Politik haben sie Mühe damit, ihre Politik ausserhalb von Stadt und Agglo in Wählerstimmen umzumünzen. Die Bevölkerung auf dem Land hat nun mal andere Mobilitätsbedürfnisse als jene in Stadt und Agglo. Man muss aber auch Leuten auf dem Land, die auf das Auto anders angewiesen sind, als jene in der Stadt, erklären können, dass der CO2-Ausstieg was kostet.

Monique Frey: Das stimmt. Wir wollen darum, dass Lenkungsabgaben dort, wo der ÖV nicht so gut ausgebaut ist wie in der Agglo, einen sozialen Ausgleich enthalten. Sonst leiden darunter Arbeitnehmende und auch Familien, was wir selbstverständlich nicht wollen. Das Beispiel der «Gilet jaunes» in Frankreich warnt uns diesbezüglich eindrücklich. Dieser Ausgleich darf aber nicht zu einer weiteren Zersiedelung führen.

Die FDP hat im Frühjahr 2019 und damit, da heuer ein Wahljahr ist, gewissermassen in letzter Minute versucht, sich neu zu positionieren. Offen bleibt, ob und wie sich das am 20. Oktober auszahlt. Die CVP beruft sich auf die Energiewende unter ihrer Umweltministerin Doris Leuthard. Beide Parteien wollen also auch «ein wenig grün» sein, weil sie ohne diesen Anschein im Moment einfach ganz schlecht aussähen. Zugleich ist aus genau diesen Parteien mantramässig zu hören, Verbote und Einschränkungen mit drastischen Kosten würden die Wirtschaft kaputt machen; wichtiger und vor allem effektiver sei «Eigenverantwortung». Das tönt doch auch gut.

Monique Frey: Die Energieagentur für Wirtschaft, welche freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft aushandelt, hat kürzlich eine Medienmitteilung veröffentlicht. Darin heisst es vollmundig, so seien in der Schweiz 12 Prozent Einsparungen beim CO2-Ausstoss erreicht worden. Ich habe mich genau erkundigt und traute meinen Augen nicht: Es geht um 12 Prozent in über 15 Jahren!

Das mit der Freiwilligkeit und der Eigenverantwortung ist ein totales Fiasko, «freiwillige Massnahmen» sind ein Hohn: Die Industrie und die Landwirtschaft produzieren  in der Schweiz zusammen 44 Prozent des gesamten CO2-Ausstoses.

Es braucht also unbedingt gesetzliche Bestimmungen. Wie übrigens vor bald 100 Jahren beim Gewässerschutz. Daran zeigt sich, was erreicht werden kann.

Was der Ständerat in der letzten Session zum CO2 beschlossen hat, reicht allerdings bei weitem nicht! Auch darum müssen wir Grünen in Bern unbedingt stärker werden.

Dennoch gibt es noch immer «Klima-Leugner». Was sagen sie denen?

Monique Frey: Nichts, es lohnt sich nicht, mit ihnen zu diskutieren. Das ist Zeitverschwendung.

Die SP – konkret: unlängst ihr Fraktionschef im Bundeshaus, Roger Nordmann – jammert, sie sei grüner, als sie wahrgenommen werde und sie könne sich seit Jahrzehnten über effektive Taten ausweisen. Wer ist grüner: die SP oder die Grünen?

Monique Frey: Wir Grünen sind grüner, definitiv. Und wir machen auch Sozialpolitik.

Im Kanton Luzern gäbe es mit Blick auf den 20. Oktober eigentlich zwei kantonsspezifische Themen: den Bypass mit der Spange Nord und den Durchgangsbahnhof. Täusche ich mich oder ist es tatsächlich so, dass die Luzerner Grünen in diesem Wahlkampf dazu kaum was sagen.

Monique Frey: Wir haben den Durchgangsbahnhof immer unterstützt und drücken, wann und wo immer wir können, auch aufs Tempo. Es ist aber tatsächlich so, dass es oft heisst, «er kommt, der Durchgangsbahnhof», «es» brauche halt aber einfach Zeit. Aber so ist nun mal Politik. Und klar ist die Spange Nord ein Riesen-Thema. Auch dazu ist unsere Haltung ebenfalls längst klar. Und obschon wir noch nicht gewonnen haben, sage ich schon heute: Sie wird nie gebaut, die Spange Nord.

Interview: Herbert Fischer


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Über Monique Frey:

Monique Frey (Grüne/Emmen) ist im März 2019 im Wahlkreis Hochdorf wieder als Kantonsrätin gewählt worden. 

Die Website von Kantonsrätin Monique Frey:
www.moniquefrey.ch

Monique Frey auf der Website des Kantonsrates:
www.lu.ch/kr/mitglieder_und_organe/mitglieder/mitglieder_detail