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Kolumne von Rahel Estermann

16.03.2019

«Jetzt zeigt sich, dass wir unseren Planeten nur mit griffigen Massnahmen retten»

Rahel Estermann (1987), Bauerntocher aus Hildisrieden, Medienwissenschafterin und grüne Kantonsrätin, stünde - «wenns denn sein muss» - als Quotenfrau bereit. Und zwar, «weil ich kompetent bin; wie viele andere Frauen auch.»


Herbert Fischer: Wie sind sie politisiert worden?

Rahel Estermann: 2003 durch den Irak-Krieg, ich war damals 16. Zudem bin ich auf einem Bauernhof in Hildisrieden aufgewachsen. Ich weiss also, was es bedeutet, von und mit der Natur zu leben. 

Mich beschäftigte auch schon immer die Frage, wie die Gesellschaft Gerechtigkeit für alle Menschen bieten kann. 

Seit ein paar Jahren interessiert mich besonders, wie wir mit der Digitalisierung umgehen, wie sie allen Menschen und nicht bloss einzelnen Profiteuren nutzbar gemacht werden kann. Zudem beschäftige ich mich in meiner Dissertation mit digitalen Daten und Werkzeugen im Journalismus. 

Und die Gleichberechtigung? Obschon 1981 der Gleichberechtigungsartikel in der Bundesverfassung angenommen worden ist und zehn Jahre später der Frauenstreik stattfand, der dessen sehr schleppende Umsetzung kritisiert hat, ist die Gleichberechtigung auch 2019 noch längst nicht in allen Bereichen verwirklicht.

Rahel Estermann: Ich unterstütze selbstverständlich die Aktionen von frauen-luzern-politik.ch (siehe unter «Links»). Tatsächlich aber ist es mühsam, dass es nicht wirklich «vörsi» geht.

Woran liegt das? Es gibt in diesem Land mehr Frauen als Männer, in den Parlamenten aber sind sie klar in der Minderheit.

Rahel Estermann: Die rechtlichen Voraussetzungen sind das eine. Das andere sind Strukturen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, die von Männern gemacht und dominiert sind – immer noch.

Tatsache ist, dass es die Frauen mit ihrer Mehrheit in der Bevölkerung längst in der Hand hätten, ihre Positionen in den Parlamenten und Regierungen auf allen Ebenen endlich massiv zu verstärken.

Rahel Estermann: Tatsache ist aber auch, dass es immer noch «gläserne Decken» und viel mehr Hindernisse für Frauen auf dem Weg nach oben gibt. Ich bin deshalb für mindestens temporäre Frauenquoten in der Wirtschaft, sowohl auf den strategischen wie auch operativen Ebenen, und auch in der Politik. Wobei das Verhältnis nicht unbedingt 50:50 sein muss. Es könnte auch eine Quote von mindestens 30 Prozent Frauen sein.

Die Frage lässt sich nicht vermeiden: Möchten sie selber eine Quotenfrau sein?

Rahel Estermann: Wenn es denn sein muss: ja! Ich bin kompetent; wie viele andere Frauen auch. 

Glauben sie ernsthaft, Frauenquoten seien mehrheitsfähig?

Rahel Estermann: Das ist nicht die entscheidende Frage. Nur schon die Diskussionen über Frauenquoten bewegen viel und schärfen das Bewusstsein für die Problematik. 

Sie politisieren bei den Grünen, also bei einer politischen Minderheit. Auch als Frau gehören sie im Kantonsrat zu einer Minderheit. Darum sind sie sich gewohnt, ständig Niederlagen zu erleben. Wie gehen sie damit um?

Rahel Estermann: Klar bin auch ich mitunter frustriert. Es geht mir aber nicht in erster Linie darum für Vorstösse, die ich einreiche, Mehrheiten zu erreichen; also nur dort und dann aktiv zu werden, wenn Erfolgschancen bestehen. Wir Grünen wollen unsere Ideen und Ziele vertreten und verbreiten. Wenn wir damit Erfolg haben – umso besser. Aber es stimmt: wir verlieren oft. Allerdings gibt es auch Ideen von unserer Seite, die nach einer gewissen Zeit auch von den Bürgerlichen unterstützt werden. Sagen wir es so: Idealismus ist das eine – Geduld das andere, was es braucht, um als Grüne und als Frau im Kanton Luzern Politik zu machen. 

Was hält denn ihre Motivation aufrecht, weiterzumachen? Sie sind zwar noch nicht lange im Kantonsrat, aber schon lange bei den Grünen aktiv. 

Rahel Estermann: Einerseits ist es klar eine intrinsische Motivation (siehe unter «Links»). Zudem bin ich in eine Partei eingebunden und arbeite mit Leuten zusammen, die das Gleiche wollen. Und es gibt immer wieder Erfolge und Bewegungen, die Mut und Hoffnung machen. 

Zum Beispiel der Klimastreik, der auch in der Schweiz zehntausende von Menschen, vor allem Jugendliche, auf die Strasse getrieben hat, wo sie deutsch und deutlich gesagt haben, dass sie sich um die Zukunft unseres Planeten ängstigen. Das stellt uns Grüne auf! Und es zeigt: Unsere Arbeit hat Wirkung.

Die Grünen sind momentan bestens aufgestellt und auch gut unterwegs. Die Klima-Debatte nützt euch; so, wie den Grünen vor acht Jahren «Fukushima» genützt hat. 2015 – also ohne «Fukushima» und Klima-Debatte – hat ihre Partei in den Wahlreisen Luzern Stadt und Luzern Land je einen Sitz verloren. Werden sie am 31. März jubeln?

Rahel Estermann: Die Klima-Debatte wird uns am 31. März gewiss nützen. Sie bringt das Klimaproblem ins Bewusstsein von Leuten, die sich damit bisher kaum befasst haben. In der Stadt Luzern haben wir gute Chancen, den 2015 verlorenen Sitz zurückzuholen, in Luzern-Land ebenso. Im Wahlkreis Sursee, der einen Sitz mehr zu vergeben hat als bisher, sind wir – dank vieler junger Leute – sehr gut aufgestellt.

Dort liegt also ebenfalls ein Sitzgewinn drin. Gesamthaft könnten wir drei Sitze gewinnen. Zudem haben die Jungen Grünen erfreulich viele Kandidatinnen und Kandidaten und viele Listen, die viel Energie in unsere Bewegung bringen. 

Wenn sie in ganz alleiniger Kompetenz etwas ändern könnten: Was würden sie ändern im Kanton Luzern?

Rahel Estermann: Ich würde nichtkommerzielle, ganz analoge Treffpunkte schaffen, in denen sich die Menschen begegnen und miteinander kommunizieren. Zudem sollten diese Treffpunkt vernetzt werden, und sich so gegenseitig inspirieren.

Sie arbeiten an einer Dissertation. Worüber?

Rahel Estermann: Ich erforsche, wie mit digitalen Daten und digitalen Werkzeugender Journalismus versucht, neuartige Geschichte zu erzählen. Dies wird als Datenjournalisums bezeichnet. Wer ein Projekt wie die «Panama Papers» anschaut sieht, dass man heute im Journalismus Datenbanken nutzt, dafür aber auch ganz neue Fähigkeiten braucht. 

Muss man davon ausgehen, dass dieses Gebiet noch wenig erforscht ist?

Rahel Estermann: In der Schweiz ist tatsächlich wenig los in diesem Bereich. Es gibt aber auch nicht allzu viele Journalistinnen und Journalisten, die mit Daten arbeiten. Aber in Deutschland und den USA ist Datenjournalismus ein grosses Thema – sowohl in den Redaktionen wie auch in der Forschung. 

Bitte beenden sie die folgenden Sätze. Dass am 31. März eine einzige Frau acht Regierungskandidaten gegenüber steht, ist ...

Rahel Estermann: .... ein Armutszeugnis für die Luzerner Politik.

Dass die Kritik an der Steuerstrategie des Kantons Luzern nicht ein Wahlkampfthema ist, zeigt, dass ...

Rahel Estermann: Die Kritik ist sehr wohl ein Wahlkampfthema. Beispielsweise haben tausende von Personen im Vorfeld dieser Wahl den Film «Kopf oder Zahl» über die Luzerner Steuerstrategie gesehen.

Die bürgerlichen KantonsratskandidatInnen in der Stadt Luzern fürchten nichts so sehr wie das Thema Spange Nord, weil ...

Rahel Estermann: ... sie eigentlich selber wissen, dass eine Autobahn mitten durch die Stadt kein Modell für die Mobilität der Zukunft ist. 

Vor den Nationalratswahlen 2019 werden die Grünen des Kantons Luzern erstmals nicht um ihren einzigen Nationalratssitz zittern müssen, weil ...

Rahel Estermann: ... 2019 eine «Klimawahl» sein wird und ganz viele Menschen wissen: Nur mit griffigen Massnahmen, wie sie die Grünen seit Jahrzehnten vertreten, retten wir unseren Planeten vor der Überhitzung.

Interview: Herbert Fischer


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25.03.2011 » Rahel Estermann

Über Rahel Estermann:

Rahel Estermann (1987) erforscht Digitalisierung aus soziologischer Perspektive. Sie schreibt ihre Dissertation an der Universität Luzern über Journalist*innen, die aus Daten Geschichten machen. 

Rahel Estermann wohnt in Luzern und vertritt die Grünen im Luzerner Kantonsrat. Sie engagiert sich im Rat besonders für fortschrittliche Bildung, vielfältige Kultur und ein aktives Angehen des digitalen Wandels: «Damit wir digitale Werkzeuge so einsetzen, dass sie allen Luzernerinnen und Luzernern nützen».

Seit vielen Jahren engagiert sich Rahel Estermann für Handball Emmen, wo über 200 Kinder und Jugendliche Handball spielen. Sie ist derzeit J+S-Coach des Vereins.

http://www.lu.ch/kr/mitglieder_und_organe/mitglieder/mitglieder_detail?Id=ba7fd0e8d65c4a2da2ca44b4bbb5e6b7&Name=estermann&Firstname=rahel

rahelestermann.ch

http://du-willst.gruene-luzern.ch/

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